Eine Preisverleihung für das Fernsehpublikum ebenso wie für das Publikum im Saal erträglich zu machen, ist gewiss keine einfache Aufgabe. Vor allem, wenn es sich um den Deutschen Fernsehpreis handelt und die Gala vor den Augen der gesamten Branche über die Bühne geht. Am Tag nach der diesjährigen Show können sich die Verantwortlichen von WDR und der Produktionsfirma Riverside um Stephan Neumann aber auf die Schulter klopfen, schließlich gesellte sich zur allgemeinen Zufriedenheit der Gäste im Kölner Coloneum nun auch noch eine recht ansehnliche TV-Quote.
Dass die Fernsehpreis-Gala in diesem Jahr offenkundig beiden Seiten gefiel, hängt nicht zuletzt mit dem beachtlichen Tempo zusammen, das die Show diesmal an den Tag legte – was nicht nur, aber eben auch ein Verdienst von Barbara Schöneberger ist, die sich nach einjähriger Fernsehpreis-Abstinenz zurückmeldete, nachdem der Versuch, auf jegliche Moderation zu verzichten, im vorigen Jahr krachend gescheitert war. Gleichzeitig war für Albernheiten jeglicher Art – an dieser Stelle sei noch einmal an Frauke Ludowig und Marlene Lufen im Schlafanzug erinnert – dankenswerter kein Platz.
Wo sich die Veranstaltung unter der Federführung von Sat.1 zuletzt über vier Stunden zog, reichten diesmal ebenso flotte wie kurzweilige 150 Minuten, um alle Preise zu verleihen. Die TV-Gala geriet dadurch sogar kompakter als die Nacht der Kreativen, die am Tag zuvor erneut in der Kölner Flora stattgefunden hatte und bei einem gesetzten Dinner die kreativen Spitzenleistungen hinter der Kamera würdigte. Das Zusammenspiel beider Abende erwies sich auch diesmal wieder als gute Idee, weil sich die Branche feiern konnte, ohne das TV-Publikum mit zweifelsohne wichtigen, aber für die Mehrheit der Zuschauer eben abseitigen Werkskategorien zu langweilen.
Dabei bot allerdings auch die große Show aus dem Coloneum nicht nur bekömmliche Fernsehkost. Politische und gesellschaftliche Themen wie etwa die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten und der Umgang mit der deutschen Vergangenheit, verbunden mit einem bewegenden Appell der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer, prägten die Preisverleihung, bei der Buntes wie die ausgezeichneten 24 Stunden mit Joko und Klaas oder Jan Böhmermanns "Lass dich überwachen" beinahe zur Nebensache gerieten. Dazu kommt, dass im Vorfeld wohl nur die wenigsten der zweieinhalb Millionen Fernsehzuschauer den Abräumer des Abends, die fabelhafte Mediatheken-Serie "Die Zweiflers" über eine jüdische Familie, gesehen haben dürften. Dass sie sich dennoch darauf einließen, spricht auch für die gelungene Inszenierung der Gala, die gekonnt auf dem schmalen Grat zwischen Krisen und Konfetti navigierte.
Dass bei der anschließenden Aftershowparty nicht bei allen Sendern und Plattformen gleichermaßen Jubelstimmung aufkommen wollte, liegt indes freilich in der Natur der Sache. Nicht eine Auszeichnung für Netflix, den großen Abräumer des Vorjahres, nur zwei Preise für RTL, gar nur einer für ProSiebenSat.1 – da hatte sich so mancher Vertreter sicher mehr erhofft. Aber vielleicht kann es mit einigen Tagen Abstand auch als Ansporn dafür gesehen werden, die Innovationsbremse, die zuletzt insbesondere die deutsche TV-Unterhaltung lähmte, wieder zu lösen. Das wäre im Übrigen, ähnlich wie diese Fernsehpreis-Gala, nicht nur im Sinne des Publikums, sondern auch im Sinne der Branche.