Herr Bauer, wie quadratisch sind Ihre Augen nach all den Sichtungen?
Meine Augen sind tatsächlich rechteckig, nachdem ich so viele Sendungen auf verschiedenen Devices gesehen habe – vom großen Bildschirm, über mein iPad bis hin zum Smartphone. (lacht) Der Sichtungsaufwand ist in den vergangenen Jahren nochmal deutlich größer geworden, weil es einen zunehmenden Systemwettbewerb gibt zwischen den klassischen Sendern und den Streaming-Plattformen und Aggregatoren, die erhebliche Anstrengungen um die Gunst der Eyeballs unternommen haben. Im Zuge dessen engagieren sich viele Streamer inzwischen nicht mehr nur in der Fiktion, sondern auch im Bereich der Comedy, Reality und Factual Entertainment – vom Sport ganz zu schweigen.
Für das Publikum ist das eine gute Nachricht, oder?
Absolut. Die Vielfalt des Angebots ist deutlich größer geworden. Das gilt auch für die inhaltliche Vielfalt in den einzelnen Genres. Das Spektrum reicht von Mysteryserien über zeitgemäß interpretierte Vampirgeschichten bis hin zu modernen Verfilmungen von Zeitgeschehen. Diese Entwicklung ist zugleich ein Beweis dafür, wie sehr sich die Befähigung unserer kreativen Community weiterentwickelt hat. Solche Produktionen sind nur möglich, wenn es viel Talent im Markt gibt.
Sind Sie denn optimistisch, dass diese Vielfalt bestehen bleibt? Schließlich haben wir es derzeit mit einem Markt zu tun, der von großen Unsicherheiten geprägt ist.
Keine Frage, die aktuelle Situation für die Produktionsbranche ist schwierig. Insbesondere die kleinen und mittleren Produktionsfirmen bekommen die nachlassende Beauftragungsbereitschaft zu spüren. Natürlich hängt die weitere Entwicklung nicht zuletzt von den makroökonomischen Rahmenbedingungen ab. Aktuell erleben wir eine Konjunkturdelle, sehen kein Wachstum und haben es mit einem schwachen Werbemarkt zu tun. Dazu kommt eine gewisse Unsicherheit bei den Öffentlich-Rechtlichen, was die Höhe des künftigen Rundfunkbeitrags angeht, sowie weitere Anbieter wie YouTube und Instagram, die in einer gewissen Weise auch Programm anbieten. Auf lange Sicht bleibe ich – aller Herausforderungen zum Trotz – dennoch optimistisch.
Lassen Sie uns über die konkrete Jury-Arbeit sprechen. In der Fiktion wurde in diesem Jahr die Kategorie Mehrteiler mit dem Fernsehfilm zusammengeführt. Wie kam es hierzu?
Im Beginn des Preises gehörte die Kategorie „Bester Fernsehfilm/Mehrteiler“ zum klassischen Kategorien-Set und wurde auch so besetzt. Mit Blick auf dieses Jahr war eine erneute Zusammenlegung folgerichtig, weil wir seit längerem eine eindeutige Entwicklung hin zu Reihen und seriellen Formaten festgestellt haben, während es im Angebot der einzelnen Fernsehspiele eine Reduktion gegeben hat.
Wenn Sie als Jury-Vorsitzender einen Wunsch frei hätten: Gibt es Kategorien, die Sie sich für die Zukunft wünschen würden?
Diese Diskussion möchte ich ungern aufmachen, denn mit 30 Kategorien sind wir mehr als genug ausgelastet. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass wir für das, was wir beim Fernsehpreis machen, zwei Adressaten haben: Einerseits wollen wir der begehrenswerte Preis für kreative Bestleistungen sein; ein Preis, der im besten Fall sogar karriereverändernd sein kann. Anderseits wollen wir aber auch dem Publikum zeigen, wie viel grandioses Fernsehen es gibt. Zu viele Kategorien stünden uns in beiden Fällen im Weg.
Dass die "neuen Geschichten vom Pumuckl" aus Ermangelung einer Kinder-Kategorie in der Comedy gelandet sind, mutet dennoch etwas seltsam an.
Da haben Sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Das ist allerdings das einzige eklatante Beispiel in diesem Jahr. Ich bin allerdings gleichwohl damit zufrieden, dass wir "Pumuckl" mit dieser Nominierung als attraktives Angebot wahrgenommen haben.
"Wir können mit dem Fernsehpreis dafür sorgen, dass die Wahrnehmung noch größer wird."
Während wir in der Fiktion eine große Vielfalt erleben, liegt der Fokus in der Information ganz eindeutig auf Kriegen und Krisen. Wie wichtig war es der Jury, diesen aktuellen Schwerpunkt zu legen?
Im Gesamtangebot sehen Sie, dass Information und Dokumentarisches immer auch ein Spiegel der Zeit ist, ja, sein muss. Zeigen, was ist. Trotzdem haben wir auch in der Breite nominiert, gerade bei der besten Dokumentation und der besten Doku-Serie. Auf diese Weise reflektieren das Zeitgeschehen auch abseits der Krisenherde der Welt.
In der Unterhaltung wiederum fällt auf, dass nur Shows nominiert sind, die es allesamt schon länger gibt. Fehlt's hier an echten Innovationen?
Die ganze Branche weltweit wartet auf den nächsten, alles verändernden Innovationsmoment. Bis dahin müssen wir mit den bestehenden Formaten so kreativ umgehen, dass sich eine Innovationsleistung auch in diesen Sendungen niederschlägt. Und tatsächlich zeigen unsere Nominierungen sehr gut, dass es auch eine Leistung ist, lan laufende Formate stetig weiterzuentwickeln. Daneben haben wir aber nicht zuletzt bei der Reality mit den "Verrätern", "Kaulitz & Kaulitz" sowie "Alone" gleich mehrere neue Formate gewürdigt. Das ist ein schöner Nachweis, dass einiges an Innovationen geleistet ist – nur eben abseits des Shiny Floors.
Nimmt das Publikum all die neuen Formate, um die es beim Fernsehpreis geht, überhaupt in ausreichendem Maße wahr?
Wir können mit dem Fernsehpreis dafür sorgen, dass die Wahrnehmung noch größer wird. Wenn wir den Menschen mit der Gala doch Jahr für Jahr ein Schaufenster des besten Fernsehens präsentieren, dann wäre es doch schön, die nominierten Programme auch leichter zugänglich zu machen – etwa durch ein Fernsehpreis-Portal, das direkt auf die Mediatheken und Plattformen verlinkt. Vielleicht ist das ja eine schöne Idee für die Zukunft, um die großartigen Leistungen diese Branche noch stärker als bisher zu würdigen.
Herr Bauer, vielen Dank für das Gespräch.