"Insgesamt sehen wir in der Unterhaltung durchaus einen Innovationsbedarf." Das hat Wolf Bauer, Jury-Vorsitzender des Deutschen Fernsehpreises, bereits im vergangenen Jahr im DWDL.de-Interview gesagt. Bauer zielte damals vor allem auf den Showbereich und fragte: "Wo ist die nächste größere Innovation, die am Ende auch einen globalen Effekt hat?". Und blickt man auf die in diesem Jahr auf die Formate, die auf eine Auszeichnung als beste Show hoffen dürfen, lässt sich festhalten: Einen Durchbruch gab es im zurückliegenden Jahr nicht. 

Nominiert sind mit "Let’s Dance", "Lass dich überwachen" und "Wer stiehlt mir die Show?" ausnahmslos TV-Shows, die schon mehrere Jahre auf dem Buckel haben. Sie alle haben sich ihre Nominierung redlich verdient, weil sie inhaltlich starke und aufwendig inszenierte Produktionen sind. Doch nach den Entwicklungen in den vergangenen Jahren stellt sich die Frage, wie innovativ das deutsche Fernsehen in Sachen Shiny Floor abseits der Langläufer eigentlich noch ist - und wo die Herausforderungen liegen. 

Ute Biernat © UFA Show & Factual / Amanda Dahms Ute Biernat
"Innovation gibt’s nicht umsonst. In Zeiten, in denen die Budgets einfach nicht mehr so locker sitzen, ist es schwieriger, etwas ganz Neues zu lancieren. Die Sender setzen auf vertraute Marken, bekannte Köpfe und bewährte Spielprinzipien. Das ist durchaus nachvollziehbar, bedeutet aber nicht, dass es keine Ideen in der Unterhaltung gibt", sagt Ute Biernat, Geschäftsführerin von UFA Show & Factual, im Gespräch mit DWDL.de. "Neue Ansätze und Ideen sind auch überall vorhanden, aber etwas Neues aus dem Stand heraus groß machen, erfordert Budget und Durchhaltevermögen. Und wenn man nur einen Schuss frei hat und die Quote nicht auf Anhieb die Erwartungen trifft, wird in Zeiten, in denen alle eher zögerlich sind, beides schnell über den Haufen geworfen."

Die finanziell herausfordernden Zeiten, in denen nicht nur die klassischen TV-Sender, sondern auch die Streamer stecken, sind ein Grund mit dafür, wieso es statt neuen Formaten viel Bewährtes zu sehen gibt. Das hört DWDL.de auch von anderen Produzenten. 

Fabian Tobias © Boris Breuer Fabian Tobias
Dass in diesem Jahr beim Fernsehpreis nur etablierte Shows nominiert sind, sei ein Grund, als Branche wieder "mutiger und risikobereiter" zu sein, sagt Fabian Tobias, Managing Director EndemolShine Germany. "Denn diese Formate sind nicht nur langjährig erfolgreich. Sie sind auch große, aufwändige Produktionen, die komplex und entsprechend hoch budgetiert sind. Es ist daher ein Aufruf an die Branche, wieder mehr Risiko zu wagen und starke Ideen auch finanziell gut auszustatten." Dass die Sender und Plattformen aufgrund diverser Krisen zuletzt eher auf Sicherheit als auf Innovationen gesetzt haben, sei verständlich, so Tobias, der aber auch einen Wandel beobachtet. "Die Nachfrage nach innovativen, aufwändigen Shows steigt aktuell wieder", sagt er. 

"Die Nachfrage nach innovativen, aufwändigen Shows steigt aktuell wieder."
Fabian Tobias, Managing Director EndemolShine Germany


Nina Klink © frankandeven Productions Nina Klink
Nina Klink, Geschäftsführerin von Seapoint und als solche mit "Let’s Dance" ebenfalls im Rennen um einen Deutschen Fernsehpreis, verweist auf die inzwischen extrem umfangreichen Angebote an Programminhalten auf allen Plattformen. "Um da gefunden zu werden, braucht man erst einmal eine Strahlkraft, die über eine starke Marke oder/und geliebte Köpfe zu erreichen ist." Da sei es nachvollziehbar, dass Sender auf eben diese Leuchttürme setzen. Und: "In Zeiten, in denen es ein so umfangreiches und diverses Programmangebot und dazu oft schmale Budgetkorridore gibt, bieten sich nicht viele Möglichkeiten komplett neugedachte und innovative Formate zu platzieren."

Sparwelle bei Shows

Gillad Osterer © Leonine Studios Gillad Osterer
Und Gillad Osterer, Geschäftsführer SEO Entertainment, und damit dem Unternehmen, das 2023 den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie Beste Show für die Neuproduktion "That’s My Jam" mit nach Hause nahm, sagt, die Sender würden permanent "in einem Spannungsfeld zwischen Bewährtem und Neuem" navigieren. Schon aus wirtschaftlichen Gründen müssten sie außerdem auf das setzen, was beim Publikum bekannt und erfolgreich sei. "Die Tatsache, dass langjährige Formate nominiert sind, spricht für ihre anhaltende Popularität und Qualität. Das ist meiner Meinung nach durchaus ein Merkmal von Innovationskraft", sagt Osterer, der im Gespräch mit DWDL.de auch direkt die Werbetrommel für einen Neustart rührt: Ab dem heutigen Dienstag, den 17. September, zeigt ProSieben die neue und von SEO Entertainment entwickelte "Superduper Show".

"Neue Ansätze und Ideen sind auch überall vorhanden, aber etwas Neues aus dem Stand heraus groß machen, erfordert Budget und Durchhaltevermögen."
Ute Biernat, Geschäftsführerin UFA Show & Factual


Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Sender in den zurückliegenden Jahren an ihren Shiny-Floor-Shows immer weiter gespart haben. Und damit ist jetzt nicht nur gemeint, dass RTL schon vor etlichen Jahren die Phase der "DSDS"-Mottoshows extrem eingedampft hat. Zuletzt gab es das "Supertalent" nur noch in einer Mini-Version zu sehen und im Sommer machte man Schlagzeilen mit einer nicht nur inhaltlich schwachen Quiz-Show, sondern auch damit, dass die Kulisse eben dieser Sendung aussah, als hätten Freiwillige der Kunst-AG sie gestaltet. Aber nicht nur das: Doppelaufzeichnungen, in der Hoffnung, Produktionskosten zu senken, sind heute bei allen Sendern an der Tagesordnung. In der ARD will man Florian Silbereisen zwar unbedingt halten, aber geht’s vielleicht auch etwas billiger? Dabei hatte Sat.1 zuletzt ja schon gezeigt, wie eine abgespeckte Schlagershow aussehen kann - das Ergebnis ist bekannt. Und auch "The Floor" und "The Tribute" aus der Schmiede von John de Mol fielen vor allem deshalb auf, weil sie viel Potential liegen ließen

Hinzu kommt, dass große Shows zwar noch im Fernsehen präsent sind, bei Streamern, wenn überhaupt, aber nur eine untergeordnete Rolle spielen. Und so finden die Innovationen im Unterhaltungs-Bereich aktuell an anderen Stellen statt, beispielsweise in der Reality. Dort sind beim Deutschen Fernsehpreis in diesem Jahr drei ganz neue Produktionen nominiert - "Alone - Überlebe die Wildnis", "Kaulitz & Kaulitz" und "Die Verräter". Auch die Bandbreite hier ist groß. 

Die berühmte Wellenbewegung

Und wo bleibt nun der nächste große Show-Trend, auf den alle warten? "Nach dem ‘next big hit’ schauen sich seit Jahren international alle um, aber man sieht in der Unterhaltung in den letzten Jahren eher Wellenbewegungen", sagte UFA-Show-Chefin Ute Biernat. Gillad Osterer und Fabian Tobias bemühen unisono einen Vergleich mit der Mode-Branche: "Wie in der Mode gibt es auch bei Shows Zyklen, und plötzlich sind Dinge wieder 'in', die man schon fast vergessen hatte", sagt Osterer, der auch die Integration von KI in Show-Formate anspricht. "Das könnte meiner Meinung nach ein bedeutender neuer Trend werden." Und Fabian Tobias glaubt daran, dass es auch in Zukunft große Trends geben wird. "Dass jedoch ein ganz neues Genre aus einem Trend entsteht, ist schwer vorstellbar. Wie in anderen kreativen Branchen, etwa der Mode, sehen wir auch im Entertainment eher ‘Evolution statt Revolution’, aber auch das macht großen Spaß."

Otto Steiner © Constantin Entertainment Otto Steiner
Otto Steiner, Geschäftsführer bei Constantin Entertainment, hat derweil schon den nächsten Show-Trend ausgemacht: "Den kommenden Trend in meinen Augen werden Comedy-Showformate in der Primetime bilden, weil die Menschen einfach mehr zum Lachen und mehr lustige Ablenkung von ihren Sorgen haben wollen", sagt er gegenüber DWDL.de. Steiner hält die Sender und Plattformen übrigens für "innovativ genug", besonders in diesem Jahr sei wieder "viel mehr Bereitschaft für neue Formate überall vorhanden".

Insofern hat die große Unterhaltungsshow vielleicht nicht ausgedient, aber sie kommt im Jahr 2024 einfach anders daher als noch in der Vergangenheit. Und glaubt man an die vielbeschworenen Wellenbewegungen, stehen die Chancen nicht schlecht, dass der Show-Bereich in naher Zukunft von einer eben solchen Welle getroffen wird. Und wer weiß, was dann der nächste große Hit sein wird. Quiz- und Castingshows hatte in den 00er Jahren schließlich auch niemand auf dem Zettel.