Herr Asanger, Sie sind mit "Juan Carlos – Liebe, Geld, Verrat", "Petra Kelly – Der rätselhafte Tod einer Friedensikone" und "Erfundene Wahrheit – Die Relotius-Affäre" mit gleich drei Produktionen in der Kategorie Information für den Deutschen Fernsehpreis nominiert. Hat Sie das selbst auch ein bisschen überrascht?

Christian Asanger: Für uns sind die insgesamt vier Nominierungen für die drei Produktionen eine große Freude und Ehre. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir in der Kategorie Information vier Mal nominiert wurden, und das ist neben einer großartigen Sky-Teamleistung in erster Linie der herausragenden Arbeit unserer Produktionspartner gebrüder beetz, Kinescope Film und doc.station zu verdanken. Und hier insbesondere auch der kreativen Einzelleistung der Kolleg:innen in den Gewerken Kamera sowie Bester Schnitt/Montage. Im Fall von "Juan Carlos" als Beste Doku-Serie wurden wir vorab informiert, von den anderen Nominierungen in den Personenkategorien habe ich bei DWDL erfahren (lacht). Wir haben im Bereich Doku in den letzten Jahren ziemlich viel Gas gegeben und natürlich wären wir enttäuscht gewesen, wenn wir gar nicht berücksichtigt worden wären. Aber die Anzahl der Nominierungen hat uns dann schon sehr positiv überrascht.

Was haben die drei Dokus gemeinsam?

Alle Dokus haben eine inhaltliche Relevanz generiert und stechen durch ihre Art und Weise aus der Masse heraus.

Inhaltlich sind die Dokus sehr unterschiedlich. Wie lief da die Beauftragung ab? Gab es bei einer mehr Diskussionen, während die andere ein No-Brainer war?

Alle Dokus behandeln unterschiedliche Thematiken, das ist ja klar. Aber alle drei Produktionen erfüllen die Kriterien, die wir an neue Projekte stellen.

Welche Kriterien sind das?

Es muss sich um ein großes Thema handeln, das vorher so noch nicht erzählt wurde und bei dem wir einen exklusiven Zugang zu Protagonistinnen und Protagonisten haben. Es muss ein gewisses Maß an Talkability geben. Wir müssen mit unseren Produktionen auffallen und durch die Paywall nach außen durchdringen, andernfalls werden wir nicht wahrgenommen. Eine reine Erzählung à la "Wer war Petra Kelly?" hätten wir nie gemacht. In dem Fall war es eine spannende Mischung aus True Crime und politischer Relevanz, die uns getriggert hat. Bei der Relotius-Doku gab es schon andere Dokus zu dem Fall, aber niemand hat es in der Tiefe gezeigt - und auch nicht mit einem Interviewpartner wie Juan Moreno, der den ganzen Film sehr speziell macht. Und bei "Juan Carlos" gab es auch im internationalen Vergleich noch nie eine so investigative und tiefgründige Recherche über den ehemaligen spanischen König.

Wenn es um Talkability geht, ist die Doku rund um Juan Carlos vermutlich sehr weit vorne. Da hat es viel Druck aus Spanien gegeben, wie stressig waren die Tage vor der Veröffentlichung?

(lacht) DWDL hat die ganze Sache ja dokumentiert, was es nicht einfacher gemacht hat. Es war uns von Anfang an klar, dass wir uns auf dünnes Eis begeben. Dass es am Ende kurz vor der Veröffentlichung eine solche Dynamik gab, hat eine gewisse Spannung ausgelöst. Aber es ist alles gut gegangen und wir wurden im Übrigen auch nicht verklagt. Die Doku ist in ganz Europa gezeigt worden, auch in Spanien.

Wir müssen mit unseren Produktionen auffallen und durch die Paywall nach außen durchdringen, andernfalls werden wir nicht wahrgenommen.


In Großbritannien hat Sky UK die Ausstrahlung kurz vor der geplanten Veröffentlichung verschoben.

Auch in Großbritannien ist die Doku etwa drei Wochen nach der deutschen Erstausstrahlung zu sehen gewesen. Und auch dort würde übrigens nichts verändert. Die Kolleginnen und Kollegen in Großbritannien haben noch einmal landespezifisch überprüft und das hat einfach weitere Zeit in Anspruch genommen. Das alles zeigt, dass wir bei dem Projekt sowohl in der Recherche als auch in der juristischen Überprüfung sehr sorgfältig vorgegangen sind. Es haben natürlich einige Juristen über den Film geschaut. Und am Ende haben wir eine starke Doku gelauncht, die rechtlich einwandfrei war.

Wo lagen bei den Projekten die Herausforderungen?

Bei allen drei nominierten Projekten dokumentieren wir das wahre Leben. Das ist anders als zum Beispiel bei fiktionalen Stoffen, wo das Drehbuch steht und man auch weiß, wer die Haupt-Protagonisten sind. Bei der Relotius-Doku hatten wir von Anfang an den Plan, Juan Moreno als Haupt-Interviewpartner zu gewinnen, bei der Beauftragung des Projekts gab es dafür aber noch keine Zusage. Das war eine Wette, die wir eingegangen sind. Auch bei "Juan Carlos" hatten wir keine 100-prozentige Zusage von Corinna zu Sayn-Wittgenstein, als wir der Doku grünes Licht gegeben hatten. Wir hätten die Projekte sicherlich auch ohne die beiden hinbekommen, aber dann wären es ein anderer Film bzw. eine andere Serie geworden.

Und bei "Petra Kelly – Der rätselhafte Tod einer Friedensikone"?

Bei diesem Projekt gab es eine andere Herausforderung: Am ersten Drehtag zur Doku hat der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen. Während des Drehs mussten wir daher noch einmal das gesamte Konzept überarbeiten und sind inhaltlich auf den aktuellen Krieg eingegangen. So war das zunächst nicht geplant, aber darauf muss man reagieren, wenn man eine gute Dokumentation produzieren will.

Sky zieht sich bekanntlich aus fiktionalen Eigenproduktionen zurück, was zu großer Verunsicherung in der Branche geführt hat. Welche Auswirkungen hat das auf den Doku-Bereich?

Gar keine. Unsere Planungen gehen so weiter wie vor der Entscheidung, die fiktionalen Originals nicht fortzuführen. Von manchen Produzenten habe ich schon gehört, dass wir jetzt ja mehr Geld in Dokus investieren könnten. Aber so ist es nicht: Wir haben unsere Budgets und mit denen arbeiten wir. Wir werden weiter non-fiktionale Originals aus Deutschland machen und die werden im Umfang und der Qualität auf dem Niveau der vergangenen Jahre liegen.

Es sind also keine Kürzungen geplant?

Richtig.

Von manchen Produzenten habe ich schon gehört, dass wir jetzt ja mehr Geld in Dokus investieren könnten. Aber so ist es nicht: Wir haben unsere Budgets und mit denen arbeiten wir. 


Sky war zuvor erst einmal in der Information beim Deutschen Fernsehpreis nominiert: Mit der Doku "Wirecard - Die Milliarden-Lüge". Jetzt stehen gleich drei Projekte auf der Nominierungsliste. Was schließen Sie daraus?

Das ist auch eine Bestätigung für den Weg, den wir in den vergangenen Jahren eingeschlagen haben. Die Wirecard-Doku war der Beginn dieser Offensive. Über unsere Kriterien habe ich ja schon gesprochen: Große Themen, Talkability und High-End-Qualität. Wir machen also keine Reportagen oder tages- und wochenaktuelle Themen, das passt nicht in unsere Strategie. Unsere Dokus müssen hochklassige Evergreens sein, die man immer wieder spielen kann. Dass diese Strategie so aufgeht, dass wir nicht nur bei unseren Kundinnen und Kunden wahrgenommen werden, sondern auch in der Branche, ist ein wahnsinnig schönes Gefühl.

Welche Genres sind für Sie im Bereich Doku interessant, was schließen Sie aus?

Wir ziehen nach jeder Veröffentlichung eine Zwischenbilanz und passen unsere Strategie gegebenenfalls an. Da haben wir viele Performance-Indikatoren, die erfüllt sein müssen. Natürlich müssen die Nutzungszahlen stimmen, aber auch die mediale Wahrnehmung ist ein Faktor. Im nächsten Jahr liegt unser Fokus auf True Crime, Sport-Dokus sowie großen Katastrophen und Skandalen. "Petra Kelly" ist ein Beispiel aus dem Bereich True Crime. Die Doku zum Anschlag auf den BVB-Bus, die wir im April veröffentlicht haben, ist übrigens bis heute die erfolgreichste Doku, die wir jemals gezeigt haben - in diesem Bereich der Sport-Dokus geht es also ganz sicher weiter. Und zu Katastrophen und Skandalen würden neben "Juan Carlos" etwa die Doku über das Unglück der Costa Concordia oder auch das Wirecard-Projekt gehören.

Wir wollen uns von niemandem vor den Karren spannen lassen, auch nicht im Sport-Bereich.


Sport-Dokus liegen ja allgemein sehr im Trend, eine Serie wie "All or Nothing" über die Fußball-Nationalmannschaft hätte Sky sicherlich auch gut zu Gesicht gestanden. Bald kommt eine Sky-Doku über Christoph Daum, also jemanden, der ohnehin sehr sendungsbewusst ist. Aber haben Sie bei aktiven Sportlerinnen und Sportlern eine Veränderung festgestellt? Sind die heutzutage leichter von einem solchen Projekt zu überzeugen als in der Vergangenheit?

"All or Nothing" ist eine wirklich gute Doku und das hätte sicherlich auch zu uns gepasst, aber wir können ja nicht alles machen. Doch auch von uns kommt im nächsten Jahr etwas, das in diese Richtung geht. "Daum" wird im Oktober ein großes Projekt, ganz so einfach war das aber nicht, denn er ist bekanntermaßen erkrankt und auch immer wieder in Behandlung. Da muss man sehr sensibel beim Dreh sein und Rücksicht nehmen. Ich habe mich vor geraumer Zeit mit Christoph Daum getroffen und dabei hat er betont, dass ihm dieses Projekt Kraft gibt, weil er darin sein Leben und seine Karriere ein Stück weit gewürdigt sieht.

Und allgemein im Sport?

Es kommt ganz darauf an, was man erzählen will. PR-Geschichten über irgendwelche Vereine oder Spielerinnen und Spieler kann man zur Genüge machen, das wollen wir aber nicht. Ich nenne da bewusst keine Namen von Mitbewerbern, bei denen ich solche Dokus gesehen habe. Wir brauchen keine Hofberichterstattung und das wird es übrigens auch nicht bei Christoph Daum geben. Wir und er selbst gehen mit seiner Vergangenheit kritisch um. Der Film heißt nicht umsonst "Triumphe und Skandale". So wird es auch bei anderen Themen sein: Unsere Greenpeace-Doku ist gerade erst gestartet und auch das ist kein PR-Projekt. Natürlich geht es da auch um die negativen Seiten und Kritikerinnen und Kritiker kommen zu Wort. Wir wollen uns von niemandem vor den Karren spannen lassen, auch nicht im Sport-Bereich, und werden unserem Anspruch bei allen Projekten gerecht bleiben

Herr Asanger, vielen Dank für das Gespräch!