Bei der Nacht der Kreativen am 27. September wird der Deutsche Fernsehpreis in zahlreichen Personenkategorien vergeben. Hier sollen die geehrt werden, die vor allem hinter der Kamera gute Arbeit leisten und sonst nicht so häufig im Mittelpunkt der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Zu dieser Personengruppe gehören sicherlich auch Dascha Dauenhauer, Jessica de Rooij, Christoph Schauer und Max Filges. Doch auch ohne sie wären viele Produktionen nicht die, die sie sind. Für ihre Arbeit an "Der Schwarm", "Sisi 2" und "Höllgrund" sind sie allesamt für die Beste Musik in der Fiktion nominiert worden. 

Christoph Schauer und Max Filges © Studio Monbijou Christoph Schauer (links) und Max Filges
Die Fernsehpreis-Jury schwärmt in der Begründung für die Nominierung von Christoph Schauer und Max Filges für ihre Arbeit an der ARD-Serie "Höllgrund", die beiden würden auf "spannungsgeladene Klangflächen von orchestraler Kraft" setzen. Den Kontrast dazu bilden "rhythmisch äußerst dynamische popmusikalische Reminiszenzen und skurrile Einsprengsel aus Rock, Blues, Schlager, Jazz und Country". Ihnen selbst sei es wichtig gewesen, sagen sie im Gespräch mit DWDL.de, den "Charakter des Schwarzwaldes" als wichtigen Teil der Serie einzufangen. Daher habe man sich für das Hackbrett als Grundlage für die Filmmusik entschieden. "Durch die Verwendung dieses traditionellen Instruments konnten wir die Atmosphäre und die Stimmung des Schwarzwaldes musikalisch greifen und eine authentische Untermalung für das Projekt schaffen", sagt Christoph Schauer. 

Auf die Frage nach der größten Herausforderungen nennen die beiden Filmkomponisten Zeitdruck. "Wir hatten nur sehr wenig Zeit, um das gesamte musikalische Konzept zu erarbeiten und umzusetzen", sagt Max Filges. Dass man das Hackbrett als Grundlage für die Filmmusik gewählt hatte, sorgte für zusätzliche Überstunden - denn das ist ganz offenbar kein gängiges Musikinstrument, wenn es darum geht, TV- und Filmproduktionen zu untermalen. "Wir mussten lernen mit einem Hackbrett zu arbeiten um die Aufnahmen dann mit unserer klassischeren Filmmusik ergänzen zu können", so Filges weiter. 

Ein Großteil der Folgen beinhaltet Musik

Jessica de Rooij © Armin Zedler Jessica de Rooij
Von einem gewissen Zeitdruck weiß auch Jessica de Rooij zu berichten, sie verantwortete die Musik rund um die zweite "Sisi"-Staffel bei RTL+. "Zum einen muss sehr viel Musik vorproduziert werden, da sie schon beim Dreh beispielsweise für Tänze oder dargestellte Musik gebraucht wird. Zum anderen ist bei Sisi die pure Menge an Musik herausfordernd, die in kürzester Zeit entstehen muss", sagt die Filmkomponistin gegenüber DWDL.de. Bei einigen Folgen ist ein Großteil der Zeit mit Musik unterlegt - und natürlich müssen alle sechs Folgen pünktlich fertig sein. "Da kommt man schnell an seine Grenzen", sagt sie. Vor allem vor der Arbeit an den geschnittenen Folgen habe sie sich viel Zeit genommen, um ein Sound-Konzept zu entwickeln. Später sei dafür dann auch gar keine Zeit mehr gewesen, erzählt de Rooij. "Der straffe Zeitplan lässt ehrlich gesagt gar nicht so viele Änderungsschleifen zu, wie ich das von anderen Projekten gewöhnt bin."

Wichtig sei ihr bei dem Projekt gewesen, "einen mitreißenden, modernen Score zu schaffen, der dieser Frau, die ihrer Zeit voraus war, gerecht wird und in das historische Setting passt": Dass ihr das gelungen ist, beweist die Fernsehpreis-Nominierung. Auch in der zweiten Staffel erscheine die junge Kaiserin exemplarisch als vielschichtige Frauenfigur an der Schwelle zur Moderne, heißt es von der Jury. "Und genau diese Verortung unterstreicht Jessica de Rooij mit ihrem Soundtrack." Ganz besonders habe sie die Mischung von klassischen Elementen wie Chor und Orchester mit modernen elektronischen Sounds und Stimmen gereizt, sagt de Rooij. Wichtig sei es allen Beteiligten außerdem gewesen, "nicht in der Kitsch-Ecke" zu landen. 

Die ZDF-Serie "Der Schwarm" ist insofern besonders, weil es darin zunächst um eine unsichtbare Bedrohung geht, die akustisch hör- und spürbar ist, noch bevor die Zuschauerinnen und Zuschauer sie tatsächlich sehen. "Dascha Dauenhauer kreierte an den Grenzen von Musik und Geräusch Klänge, die den Kontrast zwischen der im Ozean schlummernden kreatürlichen Gewalt und der Verletzlichkeit des Menschen vielschichtig ausformulieren", lobt die Fernsehpreis-Jury. Dauenhauer halte die Spannung in der Serie durch die Musik "stets atemberaubend hoch". Dauenhauer selbst sagt im Gespräch mit DWDL.de, ihr sei es unter anderem wichtig gewesen, zu überraschen sowie mutig zu sein und trotzdem "nah am Bild und den Charakteren" zu bleiben.

Manchmal werden Konzepte über den Haufen geworfen

Dascha Dauenhauer © IMAGO / Agentur Baganz Dascha Dauenhauer
"Die größte Herausforderung war für mich, zu entscheiden, welche ‘Funktion’ die Musik in diesem Projekt hat", sagt Dauenhauer. So sei nicht lange klar gewesen, ob die Meeres-Intelligenz, in der Serie YRR genannt, ein musikalisches Element werde oder aus dem Sounddesign kommen sollte. Zunächst habe sie daher versucht, die Serie dicht zu vertonen, so sollte das "Ungeheuer" immer spürbar sein. "Schnell war es aber klar, dass es nicht der richtige Weg ist und die Musik sich auf langer Strecke auf eine Weise verbraucht und gefällig wird." Am Ende hat Dauenhauer ein Konzept ausgearbeitet, in dem es drei Haupt-Sound-Säulen gab: einen eigenen YRR-Sound aus dem Sounddesign, die Musik als Sprache der Menschen und die Klänge der Natur der verschiedenen Orte.

"Grundsätzlich funktioniere ich am besten, wenn ich frei arbeiten kann", sagt Dauenhauer. Bei ihren letzten Projekten habe sie sich als Künstlerin frei entfalten und vor allem ohne Temp-Tracks arbeiten können. Das sind solche Musikstücke, die temporär von den Verantwortlichen eines Films angelegt werden, um verschiedene Kombinationen von Musik und Bild zu testen, bevor der eigentliche Soundtrack einsatzbereit ist. "Die Chance im Vorfeld, ohne genaue Richtungsvorgabe, Ideen und ein Konzept zu entwickeln, ist viel inspirierender als die Arbeit mit Temp-Tracks, von denen man erst einmal versuchen muss, krampfhaft wegzukommen."

Die Kunst der richtigen Balance

Bleibt die Frage: Wie schwierig ist es eigentlich, die richtige Balance zu finden in der Kreation von Filmmusik? Manchmal ist es zu viel, dann wieder zu wenig. Wie schafft man es da, eine gute Mischung hinzubekommen? Jessica de Rooij sagt, sie sei normalerweise kein Fan von übermäßigem Einsatz von Filmmusik. "Ich mag es gerne subtil und zurückhaltend". Im Fall von "Sisi" war das aber anders. "Hier war von Anfang an klar, dass wir musikalisch in die Vollen gehen und das war für mich auch ein großer Reiz und ein riesen Spaß." Max Filges und Christoph Schauer sagen, man probiere über den gesamten Postproduktionsprozess hinweg viele verschiedene Dinge aus. "Oftmals werden Stücke auch an Stellen gelegt, für die sie gar nicht vorhergesehen waren." Durch die Zusammenarbeit mit mehreren Personen im Team betrachte jeder die Musik etwas individueller. "So entsteht am Ende meist ein rundes Gesamtwerk."

Und Dascha Dauenhauer sagt, dass im Fernsehen gerne schneller "zu viel" geschrien werde, da die Musik dort oft eine begleitende Rolle habe und oft zu viele Bilder untermalt würden. "Im Kino mache ich die gegenteilige Erfahrung, da die Musik dort oft anders eingesetzt wird. Dort wird sie oft von vornherein mitgedacht und ihr wird extra Platz gelassen, um dem Bild weitere Layer dramaturgische hinzuzufügen und sich als eigener ‘Charakter’ entfalten zu können." Wichtig sei es, schon am Anfang ein gutes Musikkonzept zu haben und sich zu überlegen, welche Funktion die Musik haben solle. Das sich im Falle von "Höllgrund", "Sisi" und "Der Schwarm" alle genannten Personen ein solches Konzept überlegt und einen guten Job gemacht haben, das beweisen wohl nicht zuletzt die Fernsehpreis-Nominierungen.