"Wenn das die Nacht der Kreativen war, was ist das dann morgen?" Die Frage, die der frisch gebackene Fernsehpreisträger Jan Böhmermann am Dienstag aufwarf, war durchaus berechtigt. Doch klar ist: Auch die große Fernsehpreis-Gala, die nicht im kleinen Studio des "ZDF Magazin Royale" ausgerichtet wurde, sondern im Kölner Coloneum, förderte reichlich Kreativität zutage. Das lag einerseits an der Produktionsfirma Riverside Entertainment, die sich auch am zweiten Abend reichlich Mühe gab, eine für Publikum wie Branche gleichermaßen abwechslungsreiche Show auf die Beine zu stellen - aber eben auch an den zahlreichen Personen und Formaten, die nominiert und ausgezeichnet wurden.
Nachdem "Eldorado KaDeWe" und "Der Pass" bereits am Dienstagabend zwei Preise einheimsten, zogen einen Tag später nun "Die Wannseekonferenz", "Schneller als die Angst" und "Faking Hitler" gleich. Der sehenswerte ZDF-Film "Die Wannseekonferenz" erhielt nun zusätzlich zum Besten Buch auch noch eine Auszeichnung als Bester Fernsehfilm - und setzte sich in dieser Königskategorie gegen "Ein Leben lang" (ARD) und "Das weiße Schweigen" (RTL+) durch. Als Beste Drama-Serie wiederum wurde die RTL+-Serie "Faking Hitler" ausgezeichnet, die - etwas unglücklich - parallel zum Fernsehpreis ihre Free-TV-Premiere feierte. Zudem wurde Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu für seine Verkörperung von Konrad Kujau als Bester Schauspieler geehrt.
Beste Schauspielerin wurde Friederike Becht für ihre Rolle in der ARD-Serie "Schneller als die Angst", die wiederum schon am Dienstag bei der "Nacht der Kreativen" mit einem Preis für den Besten Schnitt bedacht wurde. Einen doppelten Preisregen gab's daneben auch für die NDR-Dokureihe "Kevin Kühnert und die SPD": Auf die Auszeichnung für die Beste Kamera folgte nun eine weitere Auszeichnung in der Kategorie Bester Doku-Mehrteiler/Serie. Weitere Preise in der Information gingen an die ARD-Doku "Wie Gott uns schuf - Coming-out in der katholischen Kirche", Markus Feldenkirchens "Konfrontation" sowie das 3sat-Magazin "Kulturmagazin". Ebenfalls ausgezeichnet wurde ZDF-Reporterin Katrin Eigendorf für ihre Ukraine-Berichterstattung.
Abgesehen vom schon am Dienstag an die Netflix-Doku "Gladbeck" vergebenen Schnitt-Preis dominierten im Info-Sektor damit die Öffentlich-Rechtlichen - ein starkes Signal, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um ARD und ZDF. Mehr Chancen hatten die Privaten indes im Unterhaltungsbereich, wie die erneute Auszeichnung von "Wer stiehlt mir die Show?" als beste Show zeigte. Schon im vergangenen Jahr hatte das ProSieben-Format mit Joko Winterscheidt in dieser Kategorie abgeräumt. "Wir haben zwei Jahre eine Show entwickelt, mit der man zwei Jahre in Folge gewinnt", sagte Winterscheidt in seiner Dankesrede und fragte schließlich: "Warum haben wir nicht fünf Jahre daran entwickelt?" Streng genommen war es sogar bereits der dritte Preis, nachdem am Abend zuvor schon Regisseur Johannes Spiecker geehrt wurde.
Als beste Comedy setzte sich unterdessen die Prime-Video-Show "LOL - Last One Laughing" gegen die "Carolin Kebekus Show" und das "ZDF Magazin Royale" durch. Als beste Realityshow wiederum wurde der "Kampf der Realityshow" von RTLzwei bedacht - nicht zuletzt in Konkurrenz zum Dschungelcamp ein beachtlicher Erfolg. Zwei Unterhaltungs-Preise gab es am Mittwochabend aber auch für das ZDF: So wurde "Don't Stop the Music" mit Bülent Ceylan als Bestes Factual Entertainment ausgezeichnet und Giovanni Zarrella erhielt den Fernsehpreis als Bester Moderator. Die Tränen, die anschließend bei seiner Familie flossen, waren wohl der emotionalste Moment dieses Fernsehpreis-Abends.
Schön auch, dass das Team von "ran Football" für die Beste Sportsendung mit einem Fernsehpreis bedacht wurde - nur wenige Tage nachdem der baldige Rechte-Verlust an RTL bekannt wurde, ist die Auszeichnung vielleicht zumindest ein kleines Trostpflaster für die ProSieben-Crew, die in den vergangenen Jahren eine beispiellose Aufbauarbeit leistete. Den mit 15.000 Euro dotierten Förderpreis bekam Salwa Houmsi. Ein bisschen schade allerdings, dass die Bekanntgabe und Übergabe nicht live im Studio passierte und der Überraschungsmoment daher aufgezeichnet war. Allerdings war Houmsi auch nicht live im Studio, weil sie parallel an anderer Stelle moderierte.
Ungleich bewegender war da schon die - etwas längliche - Vergabe des Ehrenpreises der Stifter an Schauspielerin Iris Berben, die am Ende der Show von gleich mehreren Kolleginnen und Kollegen geehrt wurde - inklusive einer bemerkenswerten gesanglichen Performance von Walter Sittler und einer Würdigung durch den Bundeskanzler. "Ich habe nie versucht, Everbody's Darling zu sein", sagte Berben in einem Einspielfilm, ehe sie später auf der Bühne noch einmal ausführlich zahlreichen Weggefährten dankte, aber auch sämtlichen Gewerken und dem Catering, "das uns oft die erste Stimmung des Tages vorgibt". Ihre Rede endete mit den Worten: "Ich freue mich, eine von euch zu sein."
Und wer gewann nun am häufigsten beim Deutschen Fernsehpreis 2022? Über die meisten Auszeichnungen konnte sich über beide Abende hinweg die ARD freuen: Insgesamt acht Preise heimste der Senderverbund ein, gefolgt vom ZDF mit sechs Auszeichnungen. Je drei Fernsehpreise gingen an RTL Deutschland und die Seven.One Entertainment Group. Im Streaming-Duell setzte sich indes Netflix mit zwei Preisen gegen Amazon durch, das dank "LOL" einmal geehrt wurde. Sky erreichte ebenfalls zwei Preise, je eine Auszeichnung ging an Magenta TV und 3sat. Dass es unter den ausgezeichneten Produktionen letztlich nicht den einen Abräumer gab, zeigt: Es war ein abwechslungsreicher Jahrgang. Oder wie es Moderatorin Barbara Schöneberger zum Schluss der Gala ausdrückte: "Ich finde, wir haben heute bewiesen, dass das deutsche Fernsehen großartig ist."
Im Folgenden: Alle Preisträgerinnen und Preisträger im Überblick...