Der Krieg in der Ukraine und die Auswirkungen dessen auf Europa ist das große Nachrichtenthema der letzten Monate - insofern erscheint es nur folgerichtig, dass einige derjenigen, die aus dem von Russland angegriffenen Land berichten und so dem Grauen ein Bild geben, in diesem Jahr für die "Beste persönliche Leistung" im Bereich Information für einen Deutschen Fernsehpreis nominiert sind. Die Jury entschied sich hier für Katrin Eigendorf (ZDF), Steffen Schwarzkopf (Welt) und Kavita Sharma (RTL/ntv).
Mal abgesehen davon, dass keine Vertreterin oder Vertretrer der ARD darunter ist, fällt vor allem das Fehlen eines Namens auf, der so ausführlich und lange wie kaum jemand sonst aus der Ukraine berichtet hat: "Bild"-Reporter Paul Ronzheimer. Es gibt viele sehr gute Gründe, sein Schaffen für preis- oder mindestens nominierungswürdig zu halten. Es gibt aber natürlich auch Gründe, die dagegen sprechen - Stefan Niggemeier hat bei "Übermedien" die gesamte Ambivalenz bereits im April einmal ausführlich aufgeschrieben.
Ronzheimer jedenfalls brachte die Kritik an der Nicht-Nominierung nicht nur selbst in seinen Glückwünschen an die beiden Kolleginnen und den Kollegen bei Twitter unter, sondern erhielt auch von zahlreichen weiteren Personen Unterstützung, sei es aus der Politik, vom scheidenden ukrainischen Botschafter Melnyk bis zur ehemaligen WDR-Chefredakteurin Sonia Seymour Mikich oder Micky Beisenherz. Die "Fernsehpreis"-Jury kommentiert wie üblich nicht, warum eine Sendung oder Person nicht nominiert wurde. Zumindest eine in den sozialen Medien geführte Diskussion lässt sich aber klären: Eine explizite Einreichung durch Bild bzw. Springer hat es wohl nicht gegeben, sie wäre für eine Nominierung aber auch keine Voraussetzung gewesen. Einreichungen sind zwar möglich und vorgesehen, die Jury ist aber frei in der Entscheidung, wen oder was sie nominiert. Und so dürfte die Person Ronzheimer wohl auch am Abend der Preisverleihung wohl noch zu den diskutierten Themen gehören - es wäre nur zu wünschen, die Leistung der stattdessen Nominierten darüber nicht zu vergessen.
Im Informationsbereich gehörte ansonsten zu den größeren Überraschungen, dass sich mit der "Kulturzeit" ein Format auf der Nominiertenliste für die beste Informationssendung wiederfindet, die einem angesichts der zahlreichen Krisen, über die es zu berichten gibt, vielleicht nicht als erstes in den Sinn gekommen wäre - dabei darf man es durchaus auch als Statement verstehen, dass das Magazin, das so stetig wie kein anderes über die zuletzt eben auch arg gebeutelte Kultur-Branche berichtet, nun zu den "Fernsehpreis"-Anwärtern im Jahr 2022 gehört. Und zwar nicht zum ersten Mal: 1999 beim ersten Deutschen Fernsehpreis überhaupt war die "Kulturzeit" schon einmal als beste Informationssendung ausgezeichnet worden.
Im Bereich Unterhaltung fallen zwei Nominierungen ins Auge, die viele im Vorfeld nicht auf dem Zettel gehabt haben dürften. "Stadt + Land = Liebe" wäre da zu nennen, das nicht nur als beste Reality-Sendung im Rennen ist, Collien Ulmen-Fernandes hat für das Format sogar noch eine persönliche Nominierung in der Moderations-Kategorie eingeheimst. Es ist eine Art öffentlich-rechtliche Version von "Bauer sucht Frau" - hier sollen aber keine Bauern, sondern Handwerker vom Land verkuppelt werden und zwar jeweils mit Frauen aus der Stadt. Dabei treffen also offensiv die Lebensweisen auf dem Land und in der Stadt aufeinander, was die Jury offenbar gleich doppelt überzeugte.
Und dann wäre da noch ein Name, der vielen erstmal nichts sagen dürfte: Sarah Bosetti. Sie wurde in der Kategorie Bestes Buch für die kleinen Formate "Bosetti will reden" und "Bosetti die Erste - Julius Fischer ist auch dabei" ausgezeichnet. "Bosetti will reden" ist dabei ein kleines, aber feines Format, in dem sich Sarah Bosetti in sehr reduziertem Setting alle zwei Wochen zu einem aktuellen gesellschaftlichen Thema einlässt. Ohne jedes Brimborium außenherum kommt es hier also mehr als sonstwo wirklich auf das Buch an, das Bosetti selbst schreibt. In "Bosetti die Erste - Julius Fischer ist auch dabei" wiederum erzählt in einem Mix aus Bühnenshow und Sitcom, wie eine satirische Late-Night-Show gedreht wird. Beides nicht Mainstream, beides aber schöne kleine Ideen, die nun ihren Platz beim Fernsehpreis gefunden haben.
Blickt man auf die Nominierungen in der Fiktion, dann hätte sich manch einer vielleicht mehr für "Eldorado KaDeWe" ausgerechnet. Der Mix von historischer Geschichte, gedreht aber im heutigen Berlin, das Verknüpfen der historischen Geschichte des KaDeWe mit den erfundenen Lebensläufen seiner Protagonistinnen und Protagonisten und das Thematisieren des Widerstands gegen gesellschaftliche Normen - all das fruchtete bei der Jury nicht. Es gab zwar zwei Nominierungen, allerdings für Musik und Ausstattung und eben nicht für diese wahlweise mutige oder übermäßig verkopfte erzählerische Herangehensweise. Auch "Euer Ehren" hätte mancher mehr zugetraut, hier wurde einzig Sebastian Koch für seine schauspielerische Leistung gewürdigt - was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass es sich nicht um eine genuin deutsche Idee handelt, sondern um die (fraglos gelungene) deutsche Umsetzung einer ursprünglich israelischen Serie.