Es geht um die Kindheit während des Zweiten Weltkriegs, die Klimakatastrophe, die globale Antibiotika-Krise, die Seidenstraße Chinas und Beratungsfirmen. Die fünf nominierten Dokumentationen beim Deutschen Fernsehpreis sind völlig unterschiedlich und zeigen, wie vielfältig die Branche ist. DWDL.de hat mit den Machen der einzelnen Produktionen über die Filme selbst, aber auch über die Nominierungen und die Branche an sich gesprochen.
Der Broadview-Chef zollt auch der Jury des Fernsehpreises Respekt. Die musste ja aufgrund der Neuaufstellung nicht nur die Werke eines Jahres bewerten, sondern noch die einiger Monate mehr. "Schon in normalen Jahrgängen ist das Sichtungs-Volumen der relevanten Programme kaum zu bewältigen. In einem 150 Prozent Jahrgang wie diesem ist es wirklich eine Herkulesaufgabe und ich bin sicher, die Kollegen standen vor irre schweren Entscheidungen." Mit der Nominierung hofft Hoesch zudem, zusätzliche Aufmerksamkeit auf das Thema der globalen Antibiotika-Krise richten zu können.
Gedreht wurde unter anderem auch im Tschad, Indonesien und Russland. Auf allen drei Reisen habe man mit großen Problemen zu kämpfen gehabt, sagt Aders. "In Indonesien und vor allem dann in Russland gab es große Probleme mit der jeweiligen Regierung." In beiden Ländern sei man in Sachen Visa und Sicherheit lange hingehalten worden, der russische Geheimdienst sagte den geplanten Dreh eine Woche vor dem Start überraschend ab. Und dennoch ist ein Film entstanden, der die Auswirkungen der Klimakatastrophe, die teilweise schon heute sehr sichtbar sind, sehr anschaulich zeigt. "Die Klimaerwärmung bringt schon jetzt Opfer hervor, das ist keine Zukunftsprognose. Es war mir überhaupt nicht bewusst, wie stark die Folgen jetzt schon sind", sagt er im Rückblick auf den Film.
Und die Form ist durchaus speziell: Die Zeitzeugen gingen für den Film an Orte zurück, die für sie während der Zeit des Zweiten Weltkriegs eine gewisse Bedeutung hatten. Hinzu kamen junge Menschen der heutigen Enkel-Generation, die die Fragen stellten. "Wir wollten keine Experten, die sagen, wie es war. Die Zeitzeugen sollten einfach über ihre Erfahrungen erzählen." Man habe auch alles dabei gehabt: Menschen, die damals begeistert oder verängstigt waren, andere wurden verfolgt. Größte Herausforderung sei es gewesen, Leute zu finden, die mit auf Reisen gehen konnten und sich auch erinnern wollten und konnten. Hartung hofft nun unter anderem auch, dass die Nominierung mit dem Fernsehpreis zu möglichen weiteren Projekten führt.
Die beiden Journalisten haben mit ihrem Film wohl auch dazu beigetragen, dass viele Menschen hierzulande Asien im Allgemeinen und China im Speziellen besser verstehen als zuvor. "Manchmal scheint die deutsche oder die europäische Perspektive gönnerhaft, manchmal herablassend, oft misstrauisch. Angemessen ist sie selten", sagt Odenthal. Und Thomas Reichart ergänzt: "Wir neigen dazu, dass wir China und insgesamt Asien nach wie vor als etwas wahrnehmen, das weit weg ist. Das ist ein schwerer Fehler. Die neue Seidenstraße zeigt, dass China zu uns kommt – mit all seiner Macht, Stärke und seinem diktatorischen System." Es werde Zeit, dass Deutschland mehr in Richtung Osten schaue.
Rund ein Jahr lang hat man sich intensiv mit den Firmen beschäftigt und recherchiert. Kompliziert sei bei der Umsetzung unter anderem gewesen, komplexe und finanzpolitische Sachverhalte in eine "verständliche, spannende und in sich geschlossene filmische Erzählung" zu bringen, so Nagel. "Wir haben uns riesig über die Nominierung gefreut. Und bei einem der wichtigsten Fernsehpreise in Deutschland gilt für uns: Auch wenn wir natürlich der endgültigen Entscheidung der Jury entgegenfiebern - allein die Nominierung empfinden wir bereits als große Auszeichnung."
Kommt eine Doku-Offensive?
Und wie steht es nun fernab der nominierten Produktionen generell um die Doku-Branche? Immer weniger Geld und Sendeplätze wurden in der Vergangenheit unter anderen kritisiert. Leopold Hoesch von Broadview Pictures ist jedoch optimistisch. Man habe bessere Karten als alle anderen, um die derzeitige Coronakrise zu bewältigen, weil man viele Geschichten weiterdrehen könne, sagt er. "Bei den Sendern werden Sport-Sendeplätze en masse frei, Spielfilme können nicht produziert werden und die öffentlich-rechtlichen Sender haben gleich viel Gebührengeld." Hinzu kämen die höheren Reichweiten im Fernsehen und das erhöhte Informationsbedürfnis der Zuschauer. Hoesch: "Wenn jetzt keine Dokumentarfilmoffensive kommt, wird eine riesige Chance auf allen Seiten vertan."
Grundsätzlich bezeichnet der Chef von Broadview Pictures es als "Privileg", in Deutschland zu leben und Dokumentarfilme zu machen. Dieser Meinung ist auch Florian Hartung von Februar Film. "Wir haben ein unglaublich breites Angebot an Sendeplätzen für Dokus, auch darüber hinaus bei Plattformen. Das ist toll. Wenn wir in einer Konferenz über Themen sprechen, gibt es eigentlich immer einen Ort, wo wir das unterbringen könnten. Das ist nicht selbstverständlich." Dennoch sollen sich Sender und Produktionsfirmen mehr trauen. "Sowohl in der Dramaturgie, den Erzählformen und der visuellen Umsetzung. Da sind wir zu brav und redundant. Ich glaube, dass das zu Abnutzungserscheinungen führen wird." Andere Länder seien da bereits weiter. Außerdem wünscht sich Hartung mehr Geld für die Entwicklung von neuen Inhalten. "Im Endeffekt bleibt für die Produktionsfirmen wenig Luft zum atmen."