Die Gewinner des Goldenen Günter 2016
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Unglaubwürdigkeit des Jahres" geht an
Warner und RTL für den Umgang mit "Verafake"
Begründung der Jury: Die Erwartungen an das erste "Neo Magazin Royale" nach der dem Schmähgedicht über Recep Tayyip Erdoğan geschuldeten Pause waren hoch. Und das Team um Jan Böhmermann überraschte mit "Verafake" - einer Fernsehnothilfe für das zweifelhafte Dating-Format "Schwiegertochter gesucht" (RTL). Dass es dem "Neo Magazin Royale" gelang, einen Fake-Kandidaten einzuschmuggeln - inklusive all der dokumentierten Nachlässigkeiten bei der Produktion seien bedauerliche Fehler einzelner Personen. Fehler im System? Nein. Wieder einmal wird die Schuld abgewälzt auf die, die nur ausführen, was andere erwarten und fordern: Immer perfideres Storytelling. Da werden dem vermeintlichen Schildkröten-Fan lauter Schildkröten mitgebracht und in der Wohnung verteilt. "Wer gern Schildkröten sammelt, bekommt diese oft auch geschenkt", rechtfertigen RTL und Warner die Inszenierung des Kandidaten durch "Gastgeschenke".
(Foto: ZDFneo / Neo Magazin Royale)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Kehrtwenden des Jahres" geht an
Dietrich Mateschitz und Servus TV
Die Begründung der Jury: Geld verdient hat Servus TV noch nie. Anfang Mai schien Milliardär Dietrich Mateschitz der Kragen zu platzen. Via Pressemitteilung wurde verkündet: "Wir haben uns der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes entsprechend entschlossen, den Betrieb von Servus TV einzustellen." Berichtet wurde, die Forderung nach einem Betriebsrat habe Mateschitz verärgert. Nur einen Tag später: Rolle rückwärts. Man mache weiter, alle Kündigungen würden zurückgenommen. In einem offenen Brief hatten Mitarbeiter zuvor beteuert, gar keinen Betriebsrat zu wollen. Noch eine Kehrtwende gab es später im Jahr: Man stelle die Ausstrahlung in Deutschland zum Jahresende ein, teilte der Sender mit. Doch nicht, hieß es dann wiederum im Oktober. Neuigkeiten von Servus TV - sie sind mit Vorsicht zu genießen.
(Foto: Servus TV)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Alleingang des Jahres" geht an
Uwe Fabich und die Abwicklung von Joiz
Begründung der Jury: Die Insolvenz der Schweizer Mutter war schon kein gutes Omen, aber wie dann letztlich das deutsche Joiz in Berlin sein Ende fand, war mehr als unrühmlich. Zentrale Figur in der Tragödie: Der Berliner Immobilieninvestor Uwe Fabich, der noch vor erfolgtem Abschluss der Übernahme von Joiz Germany kurzerhand Fakten schuf. Ohne rechtliche Grundlage wurde die Geschäftsführerin entlassen und Equipment verlagert. Das Team des jungen Senders staunte zusammen mit Minderheitsgesellschafter DuMont über Tempo, Ton und Strategie. Während sich die Parteien noch juristisch stritten, war jedoch klar: Ein Zurück würde es nicht mehr geben. Der junge Sender Joiz ist Geschichte.
(Foto: Screenshot Joiz)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Machtpoker des Jahres" geht an
die Zerreissprobe um Constantin Medien
Begründung der Jury: Wer bei Constantin Medien derzeit das Sagen hat, ist von außen nicht wirklich klar zu beurteilen. Vorstandschef Fred Kogel und Aufsichtsrats-Boss Dieter Hahn wollen das Filmgeschäft rund um Constantin Film veräußern und sich auf das Segment Sport konzentrieren. Bernhard Burgener, ehemaliger Vorstandsvorsitzender des Unternehmens und jetzt Chef bei der Constantin-Tochter Highlight Communications, ist dagegen. Sowohl Hahn als auch Burgener halten rund 30 Prozent der Constantin-Aktien und blocken sich so gegenseitig. Gleich zwei Hauptversammlungen endeten in diesem Jahr in einem großen Eklat. 2017 werden sich Gerichte mit dem Fall beschäftigen, bis dahin leidet das Image des Medienkonzerns weiter.
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Meinungsfreiheit" geht an
Recep Tayyip Erdoğan
Begründung der Jury: War da nicht was mit Böhmermann in diesem Jahr? Sein Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan schlug hohe Wellen und beschäftige im Frühjahr Politik und Medien, weil Erdoğan keinen Spaß verstand. Jan Böhmermann sah sich zwischenzeitlich juristischen Konsequenzen ausgesetzt. Doch Deutschland ist nicht die Türkei: Während hier der Rechtsstaat entschied, greift Erdoğan im eigenen Land kurzerhand selbst durch und geht nach dem Putsch-Versuch im Sommer stärker denn je gegen unliebsame Stimmen vor. Die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei ist de facto abgeschafft. Rückblickend wirkt der Streit um ein Gedicht da beinahe harmlos - auch wenn Jan Böhmermann so schnell sicher keinen Türkei-Urlaub planen dürfte.
(Foto: Phoenix)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Sendezeitverschwendung des Jahres" geht an
das „heute-journal“ zur Fußball-EM
Begründung der Jury: Während Fußball-Großereignissen wie der diesjährigen Europameisterschaft hat das ZDF ohnehin nicht viel Zeit für Nachrichten übrig. Das "heute-journal" wird dort schon an Tagen, an denen das ZDF gar keinen Fußball zeigt, um die Hälfte gekürzt. An den ZDF-Spieltagen reicht es dann noch für nicht ganz zehn Minuten in der Halbzeitpause. Aber selbst das könnte genug sein, um in aller Kürze über alles wichtige abseits des Fußballs, dem man sich ja ohnehin in stundenlanger Ausführlichkeit davor und danach widmet, zu informieren. Doch das ZDF hatte zum Beispiel am 3. Juli andere Prioritäten - und machte fast 24 Stunden nach dem Schlusspfiff lieber nochmal ausführlichst mit dem Halbfinal-Sieg der Deutschen vom Vortag auf, gefolgt von einem Beitrag über Trillerpfeifen - man will die Fußball-Fans ja beim Thema Brexit intellektuell nicht überfordern. Kurz vor Schluss fanden sich im Nachrichtenüberblick dann immerhin doch noch 22 Sekunden, um über einen Anschlag mit 200 Toten im Irak zu berichten. Und damit zurück zum Fußball.
(Foto: ZDF)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Flop des Jahres" geht an
"Tschiller: Off Duty"
Seit einigen Jahren erlebt der gute alte „Tatort“ am Sonntagabend einen Höhenflug. Gelegentlich mit dabei als Hamburger Kommissar: Til Schweiger, einer der bekanntlich gerne abhebt. Doch dieser Höhenflug bekam ihm nicht gut. Die Luft ganz oben ist dünn - da entstehen schon mal Ideen wie ein Kino-"Tatort". Aus Angst vor Kritik im Vorfeld nicht gezeigt, floppte "Tschiller: Off Duty" im Kino dann gnadenlos. Ein zweiter Anlauf im Sommer brachte auch keinen Erfolg für den abstrusen Film. Das Mitleid der "Tatort"-Familie hielt sich in Grenzen - auch weil Schweiger in einem seiner legendären Facebook-Postings Anfang des Jahres mit der ihm eigenen Überheblichkeit über andere "Tatort"-Kollegen herzog.
(Foto: Filmplakat)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Trennung des Jahres" geht an
DJV und Verlag Rommerskirchen für den Streit um den "Journalist"
Begründung der Jury: Als Reaktion auf sinkende Auflagen und sinkende Werbeeinnahmen erschien das DJV-Verbandsblatt "Journalist" aus dem Verlag Rommerskirchen schon länger nur noch in stark abgespeckter Form - unter Verweis auf anstehende Veränderungen. Die fielen dann allerdings radikaler aus als es dem Verlag lieb sein konnte: Der DJV kündigte nämlich kurzerhand den Vertrag und wechselte zum New Business Verlag. Das wiederum wollte man bei Rommerskirchen gar nicht einsehen: Die aus Sicht des DJV "fristgerechte Kündigung zum 30. September" bezeichnete Rommerskirchen als "nicht nachvollziehbaren Vorgang "und "unwirksam" und zog vor Gericht. Höhepunkt der Trennungsposse: Während New Business im November erstmals seinen neuen "Journalist" auslieferte, machte auch Rommerskirchen zunächst unbeirrt weiter und brachte ebenfalls eine "Journalist"-Ausgabe heraus. Immerhin: Die kuriose Doppelung soll wohl ein einmalige Vorgang bleiben, weitere Ausgaben sind nicht geplant. Das Online-Portal journalist.de will man aber selbst behalten und weiterentwickeln - was weder dem DJV noch dem New Business Verlag schmecken dürfte. Bei einem Gütetermin wurden sich die Streitparteien nicht einig - nun haben die Gerichte das letzte Wort.
(Logo: DJV)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Recherche-Gott des Jahres" geht an
Mario Barth
Begründung der Jury: Mario Barth, der Donald Trump der deutschen Comedy: erfolgreich, umstritten, agiert zielsicher mit begrenztem Wortschatz und ist nie um einfache Wahrheiten verlegen. RTL hat seinen launigen Populismus mit „Mario Barth deckt auf“ schon länger Primtime-fähig gemacht. Der dünne Tenor der Show: Mensch, sind die da oben dumm! Mit Recherche und Fakten nimmt man es nicht so genau. Was zählt ist die Erregung. Die RTL-Chefredaktion muss stolz sein auf diesen Journalismus. Doch Mario Barth ging 2016 noch weiter. Mit "Das wird man wohl noch sagen dürfen"-Attitüde streamte er nach der Präsidentschaftswahl in den USA via Facebook vom Trump Tower in New York. Nichts zu sehen von angeblichen Demonstrationen, so sein Lügenpresse-Vorwurf. Und erschreckend viele bejubeln seine "Recherche".
(Foto: Screenshot/Facebook)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Unerträglichkeit des Jahres" geht an
den pöbelnden Unbekannten
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, doch in den sozialen Netzwerken ist von einer gepflegten Gesprächskultur häufig nicht mehr viel zu spüren. Im Schutze der Anonymität wird der Hass auf eine bisweilen unerträgliche Weise transportiert. Das bekam Claudia Neumann im Sommer zu spüren, als sie als erste Frau bei Spielen der Fußball-EM am Mikrofron saß und reihenweise als "Kampflesbe" beschimpft wurde, die an den Herd und nicht ins Stadion gehört. ZDF-Sportchef Gruschwitz sprach von "asozialer Kritik" - doch Neumann zeigte sich glücklicherweise unbeeindruckt und lieferte eine souveräne Leistung ab. Opfer des "pöbelnden Unbekannten" wurde zuvor bereits die Komikerin Enissa Amani, die im DWDL.de-Interview sagte, dass sie viele Kommentare nach ihrer Show-Premiere "ziemlich verletzt" hätten. Gegen Kritik ist freilich nichts zu sagen, doch auch online gilt: Der Ton macht die Musik.
(Foto: Bernd Vonau / photocase.com)
Der Goldene Günter 2016 in der Kategorie "Chauvinist des Jahres" geht an
Carsten Sostmeier
So schön und vor allem bildhaft wie Carsten Sostmeier sprechen im Fernsehen nur wenige ins Mikrofon, doch bei den Olympischen Spielen hat sich der Kommentator in der Wortwahl vergriffen. Als eine junge Reiterin die Strecke auf ihrem Pferd alles andere als souverän meisterte, ätzte Sostmeier zur besten Sendezeit: "Am Wasser sagt das Pferd: Mädel, was willst du eigentlich? Schlimmer geht's nimmer. Jetzt nimmt sie den Weg der Angsthasen, den der blassen Nasen." Und weiter: "Die Dame hat schon einen braunen Strich in der Hose, wenn sie losreitet", mutmaßte er und zeigte sich gespannt, was "die Blondine" denn dazu zu sagen habe. Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten. Nicht sein erster Ausrutscher: Vier Jahre zuvor hatte Sostmeier schon einmal zu fragwürdigem Vokabular gegriffen und damit viele Zuschauer an eine Äußerung Adolf Hitlers erinnert. Klassischer Fall von: Vergaloppiert.
(Foto: ARD)