Die Gewinner des Goldenen Günter 2015
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Show-Unfall des Jahres" geht an
die "Stadlshow" mit Alexander Mazza und Francine Jordi
Begründung der Jury: Weil die Quoten des "Musikantenstadl" nach mehr als drei Jahrzehnten gesunken waren und Moderator Andy Borg nach Ansicht des ORF mit seinen 54 Jahren zu alt geworden ist, um zur besten Sendezeit Schrammel- und Blasmusik anzusagen, entschied sich der Sender für eine Radikalkur - und baute den alt-ehrwürdigen Stadl zur "Stadlshow" um, die anstelle der traditionellen Volksmusik plötzlich eine hochnotpeinliche Hüttengaudi bot. Die Quittung: Neue Fans fanden sich nicht, dafür verprellte die Samstagabend-Sause reihenweise Stammzuschauer. Statt vier Millionen schalteten nicht mal mehr zweieinhalb Millionen Fans ein - neuer Tiefstwert. Dass es nach der Silvester-Ausgabe noch einmal weitergehen wird, glaubt inzwischen fast niemand mehr. Wie gut, dass Karl Moik das Desaster nicht mehr miterleben musste.
Foto: ORF/Milenko Badzic
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Verantwortungslosigkeit des Jahres" geht an
Facebook
Begründung der Jury: Im Sommer machte DWDL.de in einem ausführlichen Kommentar mit schockierenden Beispielen auf den verantwortungslosen Umgang von Facebook mit Hass-Kommentaren aufmerksam. Binnen weniger Tage nahm das Thema dank Multiplizierung in unzähligen weiteren Medien an Fahrt auf. Bundesjustizminister Heiko Maas bezeichnete die Lösch-Praxis von Facebook wenig später in einem offenen Brief als Farce. Was folgte waren Task Forces, Gipfelgespräche und Absichtserklärungen. Allerlei Aktionismus, der gut klingt aber in der Praxis bis heute nichts Wesentliches geändert hat. Dafür müsste Facebook sich zunächst einmal eingestehen, mit einem effektiven Community Management überfordert zu sein. Bis dahin bleibt es leider das Netzwerk mit einem Herz für Hass.
Foto: Logo Facebook
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Parkplatz-Unterhaltung des Jahres" geht an
die "DSDS"-Ergebnisshow vom Parkplatz des Coloneums
Begründung der Jury: Oliver Geissen steht vor einem Reisebus auf einem Parkplatz eines Gewerbegebiets am Rande von Köln. Hinter ihm steht auf dem Bus groß geschrieben "Die größte Show ever". Herzlich willkommen bei "Deutschland sucht den Superstar" 2015. So sah Ende April das absurde Finale der ersten Event-Show von "DSDS" aus, die in Ischgl aufgezeichnet wurde. Der Kontrast hätte nicht größer sein können: Zuvor die bildgewaltig vor Alpenpanorama inszenierte Show, dann so ein kümmerlicher Abschluss live aus Köln, um die Ergebnisse des Zuschauer-Votings bekannt zu geben. Das war auch RTL und UFA Show&Factual peinlich: Ab der zweiten Woche wurde versucht, die Live-Entscheidung zumindest ein bisschen aufwändiger zu inszenieren. Jene Parkplatz-Show am 25. April ist uns dennoch einen Goldenen Günter wert.
Foto: Screenshot RTL-Programm
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "PR-Ausflug des Jahres" geht an
Markus Söders Wohlfühl-Auftritt in der BR-Soap "Dahoam is dahoam"
Begründung der Jury: "Was machen Sie gegen die Abwanderung vom Land?" Oder: "Wie genau schaffen wir das, dass unsere Dörfer nicht aussterben?" Die Autoren der BR-Soap "Dahoam is dahoam" gaben sich alle Mühe, dem bayerischen Finanzminister Markus Söder bei seinem Gastauftritt allerhand Vorlagen zu liefern, dem Publikum das Programm der Landesregierung im Wohlfühl-Umfeld näherzubringen. So lobte er Bayern in Sachen Internet-Ausbau als "Vorbild in ganz Deutschland" und durfte sich auch sonst ziemlich bürgernah präsentieren. Auch wenn der BR versicherte, das Autorenteam habe all das "ohne jeglichen Einfluss von außen" geschrieben, hagelte es Kritik - die Grünen sprachen von "dreistem Politiker-Placement" und selbst Intendant Ulrich Wilhelm erachtete Söders Auftritt später als problematisch. Nur der CSU dürfte Söders Soap-Ausflug gefallen haben. Alle anderen sahen vor allem eines: Schwarz.
Screenshot: BR/Marco Orlando Pichler
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Kopie des Jahres" geht an
das Sat.1-Magazin "Akte" für das dreiste Kopieren der "Stern TV"-Aktion "Leben wie ein Huhn"
Begründung der Jury: Die "Stern TV"-Aktion "Leben wie ein Huhn" gefiel der Redaktion des Sat.1-Magazins "Akte" mit Moderator Ulrich Meyer allem Anschein nach so gut, dass sie sie rund eineinhalb Jahre später ziemlich dreist kopierte - unter dem Titel "Leben wie die Mastputen" ließen sich mehrere Probanden einige Tage lang auf engstem Raum einsperren, um während dieser Zeit täglich mehrere tausend Kalorien zu sich zu nehmen. Anmutung, Tests und Fütterung glichen dem offensichtlichen Vorbild der RTL-Konkurrenz sehr deutlich, sodass das "Stern TV"-Team das Original mit freundlichen Grüßen an "ein anderes deutsches Fernsehmagazin" hurtig noch einmal auf seiner Facebook-Seite hochlud. Das Thema sei "nach wie vor aktuell", rechtfertigte sich Meta Productions in Folge der im Übrigen wenig erfolgreichen Ausstrahlung. Doch Sat.1 war der Ideen-Klau so peinlich, dass der geplante zweite Teil erst gar nicht mehr ausgestrahlt wurde. Eine verhühnerte Aktion.
Screenshot: Sat.1
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Krampf des Jahres" geht an
den doppelten Gender-Talk bei "Hart aber fair"
Begründung der Jury: Die "Hart aber fair"-Ausgabe über die Gleichstellung von Mann und Frau war ganz sicher nicht die beste - doch gemessen daran, wurde erstaunlich lange über sie gesprochen. Eine Programmbeschwerde hatte zwar keinen Erfolg, in den Giftschrank musste der bis dato ohnehin kaum noch in der Mediathek abgerufene Gender-Talk aber trotzdem. Schon diese Entscheidung war Quatsch, weil der WDR damit nur noch mehr Ärger auf sich zog. Wenige Tage machte der Sender seine Entscheidung rückgängig und Chefredakteurin Sonia Mikich zeigte sich vom entstandenen "Krampf" persönlich betroffen. Was folgte, war eine Neuauflage der Sendung - mit der nahezu identischen Besetzung. Und einem ähnlich geringen Erkenntniswert wie beim ersten Anlauf. Schade um die Sendezeit.
Foto: WDR/Klaus Görgen
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Alleingang des Jahres" geht an
den NDR für die Posse um Xavier Naidoos ESC-Nominierung
Begründung der Jury: Mitte November überraschte der NDR damit, nach dem 0-Punkte-Ergebnis von Ann Sophie im nächsten Jahr Xavier Naidoo zum Eurovision Song Contest schicken zu wollen. Es dauerte gerade mal zwei Tage, bis der Sender seine Entscheidung nach massiver Kritik - auch innerhalb der ARD - wieder rückgängig machen musste, weil Naidoo in der Vergangenheit immer wieder mit mindestens unglücklichen Auftritten etwa bei den sogenannten "Reichsbürgern" für Schlagzeilen sorgte. ARD-Programmdirektor Volker Herres machte keinen Hehl daraus, dass die Verantwortung für das Debakel beim NDR zu suchen sei. Man sei von der "Wucht der Reaktion" überrascht gewesen, gab Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber vom NDR zuvor bereits zerknirscht zu Protokoll. Naidoo war nach der Posse ebenso beschädigt wie die ARD. Zero Points in jeglicher Hinsicht.
Screenshot: NDR/Alexander Laljak
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Geschmacklosigkeit des Jahres" geht an
die Online-Redaktion von "TV Movie"
Begründung der Jury: Beim Facebook-Auftritt von "TV Movie" setzt man schon länger auf billigstes Clickbaiting, also das Erschleichen von Reichweite mit als unlauter angesehenen Mitteln. Schlagzeilen wie "Von der Polizei verfolgt", "Cast in Sorge um einen Darsteller" oder "Diese deutsche Produktion wird abgesetzt" werden mit vier verschiedenen Fotos bebildert und bei Facebook gepostet. Um welche der vier Personen oder Serien es geht, erfährt man erst nach einem Klick auf die Website von "TV Movie". Im August trieb man es auf die Spitze und setzte auf Clickbaiting mit Krebserkrankung. Das Netz reagierte empört, die Online-Redaktion entschuldigte sich am Tag danach und der Chefredakteur der gedruckten "TV Movie" distanzierte sich von der Arbeit seiner Online-Kollegen. Das Clickbaiting geht dennoch weiter.
Foto: Screenshot
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Flop des Jahres" geht an
Sat.1 und Talpa Germany für "Newtopia"
Begründung der Jury: Kaum ein anderes Fernsehformat hat sich in diesem Jahr so sehr für einen Goldenen Günter empfohlen wie "Newtopia" - und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Zunächst einmal war das teure Projekt der größte Sat.1-Flop des Jahres, der maßgeblich dazu beitrug, dass Nicolas Paalzow im Herbst seinen Hut nahm. Noch spektakulärer aber war die Demontage der Sendung durch die Produktionsfirma Talpa Germany selbst, die DWDL.de im April dokumentierte. Zu sehen war, wie die Einfluss genommen wurde auf das vermeintlich autarke Sozial-Experiment. Aus Verzweiflung wurden Regeln geändert. Die Kandidaten revoltierten. Und bei Sat.1 versichert man auch heute noch: Man habe im Vorfeld geglaubt, dass bei dem Format kein Einfluss genommen werden würde.
Foto: Sat.1
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Verwechslung des Jahres" geht an
die "heute-show" und ihre Links-Rechts-Schwäche
Begründung der Jury: "In sechs Jahren 'heute-show' haben wir ganz bestimmt nicht alles richtig gemacht. Aber der Fehler, der uns als Redaktion letzte Woche unterlaufen ist, ist mir tatsächlich richtig peinlich." Mit diesen Worten entschuldigte sich Oliver Welke, nachdem die ZDF-Nachrichtensatire zu Jahresbeginn eine Frau zeigte, die sich vermeintlich als AfD-Anhängerin outete, obwohl sie in Wirklichkeit Politikerin der Linkspartei ist. Zu allem Überfluss wurde ihre Aussage, wonach es sich bei der AfD um die "NPD in freundlich" handle, völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Der Fehler sei "Wasser auf die Mühlen der Menschen, die ohnehin davon überzeugt sind, dass die Medien notorisch lügen und manipulieren", räumte Welke später ein und kündigte an, sämtliche Abläufe so zu verändern, dass sich Vergleichbares nicht mehr wiederholen könne. So gesehen hatte die Links-Rechts-Schwäche der "heute-show" also doch noch ihr Gutes.
Foto: ZDF/Willi Weber
Der Goldene Günter 2015 in der Kategorie "Verpasste Chancen" geht an
RTL Interactive für die Digital-Strategie zu "Deutschland 83"
Begründung der Jury: Selten wurde eine deutsche Fernsehserie im Vorfeld ihrer Ausstrahlung im deutschen Fernsehen so intensiv besprochen und gelobt wie "Deutschland 83". Die Produktion von UFA Fiction erhielt durch ihre Vorab-Premiere in den USA viel Kritikerlob und Rückenwind. Doch anders als Sundance TV in den USA, ließ RTL besonders bei der digitalen Vermarktung der Serie viele Chancen ungenutzt. Webauftritt und Social Media-Präsenz von RTL Interactive waren ernüchternd, die Trailer nicht geeignet um viral erfolgreich zu werden und an Twitter glaubt die Digital-Tochter von RTL bis heute nicht. So erreichte die Kampagne für "Deutschland 83" nur die verbliebenen RTL-Zuschauer - nicht aber Fans von gut erzählten Serien, die inzwischen online unterwegs sind.
Foto: Screenshot RTL.de