Deutsche iPad-Apps im Test
Der iKiosk ist ein Veteran im AppStore. Schon zum Start des iPad in den USA Anfang April war er verfügbar und bot in den vergangenen Wochen bereits "Welt Kompakt", "Welt" und die kompakte Version der "Welt am Sonntag" gratis als ePaper. Zum Deutschlandstart des iPad hat Springer die App allerdings deutlich aufgewertet: Zusätzlich sind jetzt auch "Bild", "Bild am Sonntag", "Berliner Morgenpost", "Hamburger Abendblatt", "Auto Bild", "Sport Bild" und "Computer Bild" verfügbar.
Wer die App neu installiert kann die Zeitungen und Zeitschriften zunächst vier Wochen lang kostenlos lesen - man darf das wohl als das größte kostenlose Schnupper-Abo aller Zeiten bezeichnen. Danach bittet Springer auf Monatsbasis für jeden einzelnen Titel im iKiosk zur Kasse. Doch bevor die Bezahlschranke runter geht, kann man die App ja erst einmal intensiv testen.
Für Newsjunkies ist der iKiosk der Himmel auf Erden: Ohne den Weg zum Kiosk anzutreten und jeweils schon am Vorabend sind die neuesten Ausgaben der Springer-Titel verfügbar. Die Benutzung ist theoretisch recht simpel - weil sich ja nicht viel machen lässt: Man tippt den Titel seiner Wahl an und kann dann durchblättern oder dank Schnellübersicht der Seiten auch schneller und gezielter zu Inhalten kommen.
Das ist praktisch, leider ab und an nicht besonders flott geladen. Innovativ ist die App sicher nicht. Es sind die bekannten Print-Inhalt. Die Bündelung der Angebote sowie deren frühe Verfügbarkeit bequem auf dem heimischen Sofa sorgen dennoch für einen gewissen Reiz - und der iKiosk ist ausbaufähig.
Innovation: Es gibt eben nicht mehr als die vorhandenen Print-Inhalte. Wenig spektakulär. Trotzdem so noch nie digital da gewesen. Befriedigend
Bedienbarkeit: Simpel, verständlich, aber manchmal leider etwas langsam. Gut
Mehrwert: Spart den Gang zum Kiosk und liefert Print-Informationen oft schon vorab. Gut
Fazit: Der iKiosk von Springer ist durchaus solide, praktisch und ausbaufähig. Lohnt sich - für Newsjunkies besonders. Gut
Pünktlich zum iPad-Start in Deutschland ist auch "Focus Online" mit eigener App vertreten. Hier konzentriert man sich auf die Wiedergabe des Online-Angebots. Also anders als etwa beim "Spiegel" gibt es keine Aufbereitung des gedruckten "Focus". Das jedoch soll nicht mal zum insgesamt eher verhaltenen ersten Eindruck beitragen.
Die App sieht zwar solide aus. Doch leider bleibt es auch dabei. Die aktuellen Nachrichten werden übersichtlich aufbereitet, die Orientierung und Bedienung fällt nicht allzu schwer. Oben eine Art Newsticker, in der Mitte die Topthemen sowie die Highlights aus den einzelnen Ressorts und unten eine Videoleiste. Die Anordnung bleibt ähnlich, egal ob das iPad hochkant oder quer gehalten wird.
Die Artikel-Ansicht ist aufgeräumt, beinahe edel. Mit einem Klick auf den Text lässt sich die Schriftgröße ändern sowie der Artikel bei Twitter oder Facebook posten sowie via eMail weiterleiten. Die Integration dieser Features ist schick und dezent gelöst. So wie im Grunde die Ganze App. Eine gelungene Nachrichtenzentrale.
Und doch bleibt am Ende eine Frage über, die den Eindruck leider sehr trübt: Wo genau liegt jetzt der Mehrwert einer "Focus Online"-App gegenüber der Website? Und während man sich momentan noch freut, dass die App kostenfrei und gleichzeitig werbefrei ist, bleibt die Sorge, dass man künftig entweder zur Kasse gebeten oder mit Werbung penetriert wird.
Innovation: Die Aufbereitung der News ist schick, aber eben nicht zwingend innovativ. Ausreichend
Bedienbarkeit: Die "Focus Online"-App erklärt sich von selbst, lässt sich problemlos bedienen. Orientierung stimmt. Gut
Mehrwert: Noch ist die App werbefrei und kostenlos. Eins von beidem wird sich wohl ändern. Wo liegt dann der Vorteil zur Website? Ausreichend
Fazit: Die "Focus Online"-App sieht schick aus, kann aber nicht wirklich begeistern. Befriedigend
Bereits seit Monaten ist bekannt, dass man bei Axel Springer neben der Adaption seiner bestehenden Print-Marken für das iPad auch an einer ganz neuen Magazin-Form arbeitet, die extra auf Apples neues Gadget zugeschnitten sein soll. "The Iconist" ist der Name des Projekts, welches zum iPad-Start in Deutschland jetzt auch mit der ersten Ausgabe im AppStore verfügbar ist.
Stolze 4,99 Euro ruft Axel Springer für die App auf. Heruntergeladen werden gleich 279 MB, die für insgesamt 15 multimedial aufbereitete Themen gebraucht werden. "The Iconist" ist ein Lifestyle-Titel. Die Themen kommen aus den Bereichen Stil, Reise, Architektur, Design, Kultur oder Mobilität. Anders als die meisten Medien-Apps geht es bei "The Iconist" damit nicht um Aktualität. Es ist ein Magazin, keine News-App.
Nach dem Editorial, etwas schwer lesbar in weiß auf schwarz, landet man im links zu sehenen Inhaltsverzeichnis. Was sich genau hinter den Themen versteckt, kann man nur erraten. Oder, wie es die Macher formulieren würden: Man muss es eben ausprobieren. "The Iconist" ist experimentell, wie auch seine Bedienung. Hat man eine Story ausgewählt, so landet man zunächst auf einer Art Startseite der jeweiligen Geschichte.
Im Hochkantformat lässt sich dann ein Textstreifen ausfahren. Die Darstellungsform kennt man schon aus amerikanischen Magazin-Apps. Den richtigen Zauber entfaltet "The Iconist", wenn man - wie dezent über ein Symbol angedeutet - ins Querformat wechselt. Plötzlich taucht ein Button namens "Start Story" auf. Und dann erwacht das Magazin zum Leben. Mit interaktiven Bilderstrecken und Videos. Man kann seinen Spaß haben mit "The Iconist". Der Preis ist allerdings gewagt. Ein Experiment, wie die App selbst.
Innovation: Eine völlig neue Magazin-Form, die die Möglichkeiten des iPad hervorragend nutzt. Sehr gut
Bedienbarkeit: Man versteht nicht sofort das Konzept und die Bedienung, was sich aber schnell ändert. Gut
Mehrwert: Eine schwierige Bewertung, weil es bei Lifestyle-Inhalte per se nicht unbedingt um Mehrwert geht. Aber "The Iconist" schafft ein neues Medienerlebnis. Gut
Fazit: Eine spektakuläre erste Ausgabe von "The Iconist". Kein Titel für den Massenmarkt, aber ein schönes Nischenprodukt. Gut
Was für eine Enttäuschung. Die "Spiegel"-App für das iPad, pünktlich zum Deutschlandstart verfügbar, ist nicht mehr als eine leicht verbesserte und etwa hier und da um Videos angereicherte Variante der App, die auch schon für das iPhone verfügbar war.
Nach dem Herunterladen der kostenlosen App stellt man fest: Es kommt noch mehr Arbeit auf den User zu. Denn die App allein ist nutzlos. Sie bietet Zugang zu den Inhalten des gedruckten "Spiegel" - zum Preis von 3,99 Euro pro Ausgabe. Dass die digitale Version damit mehr kostet als das Heft am Kiosk, ist allerdings kein Verschulden vom "Spiegel". Apple lässt nur Preise auf 99 Cent zu.
Wer sich die neue Ausgabe kaufen will, muss sich allerdings erst noch ein Benutzerkonto beim "Spiegel" anlegen. Benutzerfreundlichkeit sieht anders aus. Um zu testen, was man denn für 3,99 Euro bekommen würde, gibt es eine Testausgabe kostenlos. Alles exakt so wie man es schon von der iPhone-App kennt. Die Enttäuschung ist groß: Die Heftinhalte werden digital aufbereitet. Das heißt: Keine 1:1-Umsetzung des Heftes sondern eine eigene Darstellungsform.
Die ist zwar gut lesbar und lässt sich etwa in Schriftgröße oder Helligkeit ändern, aber die Navigation ist unkomfortabel. Inhalte aus dem Heft wiedezufinden, ist schwierig. Die Optik ist schlicht. Sicher ist der "Spiegel" kein Medium was durch optische Opulenz punkten muss. Aber dann hätte man es auch gleich bei der PDF-Darstellung belassen können. So jedenfalls fällt es beispielsweise schwer Inhalte auf dem iPad mit der gedruckten Fassung abzugleichen. Die "Spiegel"-App enttäuscht - einfach, weil man doch mehr erwartet hätte.
Innovation: Neue digitale Darstellungsform, keine bloße PDF-Darstellung. Allerdings schon bekannt vom iPhone. Befriedigend
Bedienbarkeit: Zu viele Hürden vor der ersten Nutzung, nicht auf Anhieb intuitiv nutzbar. Ausreichend
Mehrwert: Der Mehrwert ist gering. Schon länger gibt es das ePaper des "Spiegel" im Web vorab. Keine zusätzlichen Inhalte. Mangelhaft
Fazit: Die "Spiegel"-App für das iPad enttäuscht mit einer lieblosen Adaption der iPhone-App, die auch schon in der Kritik stand. Ausreichend
Die Welt (Axel Springer AG, App kostenlos)
Schon beim Verkaufsstart des iPads in den USA zeigte sich die Euphorie Springers in der Ankündigung, dass die Marke "Welt" sowie "Welt Kompakt" vom Start weg dabei sein werde. Gemeint war der iKiosk, der in der Tat schon seit dem US-Launch verfügbar ist und die Lektüre von "Welt" und "Welt kompakt" auf dem iPad ermöglicht. Doch zum Deutschlandstart von Apples neuem Gadget kommt auch noch eine eigene App von "Welt Online".
Nach dem Runterladen erinnert die Optik der neuen "Welt"-App auf Anhieb ein wenig an die "USA Today"-App. Es ist eine Mischung aus Website und Zeitung - in Anmutung und Darstellung. Die Nutzung ist auf Anhieb kein Problem. Die verschiedenen Ressorts des Nachrichtenangebots lassen sich durch Durchblättern sowie über eine ganz nette Navigation in Form von Zeitungsbüchern erreichen. Die Artikeldarstellung ist klassisch, einstellbar ist auf Wunsch die Schriftgröße.
Wie auch andere Nachrichten-Apps nutzt "Welt Online" das große iPad-Display für die Integration einiger Bildershows. Videos waren bei mehrfacher Durchsicht der App nicht zu entdecken. Da hat "Focus Online" leicht die Nase vorn. Auch bei der Menge der gebotenen Inhalte hinkt die "Welt"-App leicht hinterher. Ohnehin haben Nachrichten-Apps leider den Nachteil, sich auf neueste Meldungen zu beschränken.
Das hinterlässt bei den meisten Nachrichten-Apps irgendwann das Gefühl, man bekommt nur gefilterte Informationen. Nett aufbereitet für den, der nicht tiefer einsteigen will. Unklar bleibt auch noch, ob und wie etwa Eilmeldungen dargestellt werden. Auch manche Features abseits klassischer Artikelform fehlen eben. Aber das gilt generell - nicht explizit für die "Welt"-App, die insgesamt gefällig, wenn auch unspektakulär daher kommt.
Innovation: Die Anmutung einer Zeitung ist für iPad-Apps nichts Neues. Nett, aber eben nicht überwältigend oder innovativ. Ausreichend
Bedienbarkeit: Das Navigieren ist einfach, die App übersichtlich und flott. Keine Mängel zu finden. Gut
Mehrwert: Ja, wo ist er bloß? Es gibt Text-Inhalte, die einfach mal neu aufbereitet wurden aber nichts, was nicht auch die Website bieten würde. Mangelhaft
Fazit: Die "Welt"-App ist ganz in Ordnung, aber nutzt kaum die Möglichkeiten des iPads und wäre stark ausbaufähig. Ausreichend
Es ist überraschend das Wirtschaftsmagazin "brand eins" unter den iPad-Pionieren zu sehen. Denn wie würde sich ein sehr textlastiger Monatstitel wohl auf das iPad adaptieren lassen. Im falle von "brand eins" fällt die Antwort recht banal aus: Man nimmt einfach ein ePaper des gedruckten Magazins und reichert es mit einigen kleinen Features an.
Nach dem Herunterladen der kostenlosen App lässt sich zunächst nur eine Archiv-Ausgabe probelesen. Weitere aktuelle Ausgaben sollen 6,99 Euro kosten. Wie das allerdings funktionieren soll, bleibt ein Rätsel. Nirgendwo in der App findet sich eine solche Funktion, geschweige denn eine Erklärung. Ein großer Minuspunkt. Das kann eigentlich nur ein Programmierfehler sein.
Aber die kostenlose Test-Ausgabe verdeutlicht, was die App ansonsten bietet. Man bekommt zahlreiche Möglichkeiten die gedruckte Ausgabe zu lesen. Was etwas nüchtern klingt ist aber etwa ein gutes Beispiel dafür, was die "Spiegel"-App alles falsch macht: "brand eins" lässt sich beispielweise durchblättern, wie das gedruckte Magazin. Wahlweise gibt es aber auch eine Volltext-Suche für alle Artikel sowie zwei weitere Inhaltsverzeichnisse.
Artikel lassen sich übrigens nicht nur in der PDF-Ansicht heranzoomen und lesen: Es gibt auch die Möglichkeit auf den sogenannten Textmodus umzuschalten. Dann lenkt rein gar nichts vom Text ab - und die Schriftgröße lässt sich auf Wunsch verändern. Am Ende des Tages ist die "brand eins"-App keine Revolution. Aber eine smarte, durchdachte Art und Weise ein Print-Magazin online umzusetzen. Und es behält dabei den bekannten Look.
Innovation: Die Adaption eines Printtitels ist nicht gerade eine Sensation. Aber dank kleiner Tools ist es immerhin eine der besseren Adaptionen. Ausreichend
Bedienbarkeit: Wir möchten hier gerne eine Auszeichnung verleihen. Die Themen sind über diverse Wege zugänglich und nutzbar. Sehr gut
Mehrwert: Man muss nicht zum Kiosk gehen. Und wer gar wissenschaftlich mit "brand eins" arbeitet, kann die Inhalte digital besser weiterverarbeiten. Das war es aber auch. Ausreichend
Fazit: Es ist nicht mehr und nicht weniger als eine gute 1:1-Umsetzung eines Monatsmagazins. Kein Wunderwerk, aber bis auf eine Ausnahme sehr durchdacht. Befriedigend
Fazit nach dem Test der deutschen Medien-Apps
Nach dem intensiven Test aller bislang verfügbaren Medien-Apps deutscher Verlagshäuser fällt auf: App ist nicht gleich App. Es gibt klassische Nachrichten-Apps, die im Grund eine optisch angepasste Version der Website darstellen. Dann gibt es Versuche Print-Titel sozusagen 1:1 für das iPad umzusetzen. Das mag nicht innovativ sein und hat doch ihren Reiz - etwa durch den ersparten Gang zum Kiosk. Und letztlich beweist der Springer Verlag mit "The Iconist", dass man auf dem iPad auch ganz neue multimediale Magazine ausprobieren kann.
Mehrwert oder Innovation - diese beiden Schlagworte sind für iPad-Apps von Bedeutung. Man könnte auch sagen: Ist eine App weder sexy noch Service, dann wird sie sich auf dem iPad der harten Konkurrenz des regulären Internet-Angebots ausgesetzt sehen. Das ist das Problem der eher durchwachsenen Apps von "Focus" und "Welt". Bleibt also abzuwarten, ob solche Nachrichten-Apps noch aufpoliert werden oder ob es eigene Inhalte sein werden, wie es etwa "The Iconist" vormacht.
Als Paradebeispiel dafür, wie Journalismus auf dem iPad aussehen kann, taugt das jüngste Springer-Baby allerdings nicht. Dafür ist es zu verspielt. Und so bleibt nach der ersten Durchsicht der verfügbaren Apps deutscher Verlage die Frage offen: Gibt es denn wirklich eine neue Form von Journalismus, die auf dem iPad Millionen begeistern kann, um so die Verlagsbranche zu retten? Man darf das bezweifeln...