"The Bear" ist ohne Frage eine der besten neuen Serien der letzten Jahre. So unverstellt, so unromantisiert, so gefühlt dich dran und realistisch hat man die Atmosphäre in einer Restaurantküche wohl noch nie zuvor gesehen. Die Charaktere in diesem Mikrokosmos: Allesamt sehenswert. Doch lustig? Natürlich gibt es absurde Szenen, doch die Serie in erster Linie als lustig zu charakterisieren, das würde doch wohl den wenigsten einfallen. Was zur Frage führt, ob das nicht auch zum Kern des Genres Comedy gehören müsste - denn genau in dieser Kategorie tritt "The Bear" in diesem Jahr an.
Warum das so ist, ist eine gute Frage. Da es sich um einen Halbstünder handelt, wäre die Serie bis vor einigen Jahren automatisch als Comedyserie kategorisiert worden, inzwischen ist diese Regel aber nicht mehr aktuell. Nun obliegt es erstmal den Produzentinnen und Produzenten selbst, die passende Kategorie zu wählen, nur bei offensichtlich falscher Entscheidung greift die Television Academy ein. Das ist hier nicht der Fall, obwohl beispielsweise das als Drama-Serie nominierte "The White Lotus" doch beispielsweise fraglos lustiger daherkommt.
"The Bear" hat jedenfalls nun recht guten Chancen, den Emmy am Ende auch tatsächlich mit nach Hause zu nehmen. Bei den Golden Globes gerade hat "The Bear" den Preis als beste Comedyserie abgeräumt, doch aufgepasst: Hier war die zweite Staffel im Rennen, die im Sommer 2023 veröffentlicht wurde. Bei den Emmys geht es aufgrund anderer Nominierungszeiträume noch um Staffel 1 aus dem Sommer 2022, die sich bei den Globes im vergangenen Jahr noch "Abbott Elementary" geschlagen geben musste.
Alles offen: Ein richtig starkes Konkurrenzfeld
Eine Konkurrenz, der man sich auch bei den Emmys wieder gegenüber sieht. "Abbott Elementary" ist eine Mockumentary, die von einer Reihe engagierter Lehrerinnen und Lehrer an einer chronisch unterfinanzierten öffentlichen Schule in Philadelphia handelt - und die die Rolle übernommen hat, das Fähnchen der US-Networks hochzuhalten, die bei den Emmys sonst ja kaum noch eine Rolle spielen. Die Serie lebt allen voran von Hauptdarstellerin Quinta Brunson, die im vergangenen Jahr auch einen Emmy bekommen hat - allerdings nicht für ihre Rolle vor der Kamera, sondern als Autorin. Den Preis für die beste Comedyserie musste "Abbott Elementary" hingegen im vergangenen Jahr "Ted Lasso" überlassen.
Und die dritte und letzte Staffel der Serie über den charismatischen und chronisch optimistischen US-Football-Trainer, der in Staffel 1 unverhofft eine Fußball-Mannschaft in Großbritannien übernimmt, gehört auch in diesem Jahr wieder zum Kreis der Favoriten. Die Serie hat sich über die Jahre gewandelt, die Culture-Clash-Witze wurden weniger, dafür entwickelte sich "Ted Lasso" stärker zur Ensemble-Comedy mit der ganzen Palette an skurrilen Figuren, die sich rund um den fiktiven AFC Richmond versammelt hat. Aus diesen sind neben dem titelgebenden Hauptdarsteller Jason Sudeikis auch noch Juno Temple für ihre Rolle der Keeley sowie Hannah Weddingham als Club-Chefin Rebecca für einen Emmy nominiert.
Doch auch abseits der drei Top-Favoriten ist das Feld stark besetzt - und natürlich auch für Überraschungen gut. "Only Murders in the Building" ist im Rennen - hier noch mit der zweiten Staffel, also nicht der im Herbst schon ausgestrahlten dritten. Aus dem Hauptcast der drei True-Crime-Podcast-Fans, die sich als Hobbydetektive betätigen um die Morde im eigenen Haus aufzuklären, ist übrigens nur Martin Short alias Oliver Putnam nominiert, nicht aber Selena Gomez und der im Vorjahr noch nominierte Steve Martin.
Mit "The Marvelous Mrs. Maisel" ist zudem auch noch eine frühere Gewinnerin unter den erneut Nominierten - die Serie hat im ersten Jahr groß abgeräumt, geriet in den darauffolgenden Jahren aber etwas ins Hintertreffen, auch wenn es schon die fünfte Nominierung als beste Comedyserie ist. Mit Rachel Brosnahan (Midge Maisel) und Alex Borstein (ihre Managerin Susie Myerson) sind zudem noch die zwei prägenden weiblichen Hauptfiguren im Rennen um einen Emmy. Beide haben für diese Rollen auch bereits Preise bekommen, auch die liegen aber schon vier bzw. fünf Jahre zurück.
2018 war auch "Barry" erstmals mit im Rennen um die Auszeichnung als beste Comedyserie, auch diese Serie gehört seither zum festen Inventar in dieser Emmy-Kategorie, konnte sich letztlich aber nie durchsetzen. Und noch eine Parallele zu "The Marvelous Mrs. Maisel": Auch für "Barry" ist es in diesem Jahr die letzte Chance auf einen Emmy - der aber schon einer Überraschung gleich käme. Aber auch Hauptdarsteller Bill Hader sowie Anthony Carrigan und Henry Winkler für die beste Nebenrolle sind persönlich im Rennen - gut möglich also, dass es zum Abschied noch etwas zu feiern gibt.
Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist "Wednesday" - immerhin die nach gestreamten Stunden erfolgreichste Serie aller Zeiten bei Netflix. Die Serie dreht sich um die gleichnamige Figur aus der "Addams Family", die versucht ein Monster-Mysterium an ihrer Schule zu lösen. Verkörpert wird sie von Jenny Ortega, die auch persönlich als beste Hauptdarstellerin einen Emmy abräumen könnte. Und bemerkenswert: Für die Kostüme, das Makeup, das Produktionsdesign und die Musik hat die Serie auch bereits bei den Creative Arts Emmys abgeräumt.
Die Überraschung des Jahres
Und dann ist da noch eine Produktion, die erstmal viele nicht auf dem Zettel gehabt haben dürften und sich auch in der Machart grundsätzlich von den anderen Nominierten unterscheidet: "Jury Duty". Die Serie erzählt im Fake-Mockumentary-Stil von einem Geschworenenprozess in den USA. Der Clou: Bei elf der Geschworenen handelt es sich um Schauspieler, einer davon war aber ein ganz "normaler" Bürger namens Ronald Gladden, der dachte, dass es sich um einen realen Prozess handelte über den eine Dokumentation gedreht werden sollte. Mit dieser Produktion hoben die Macher für den Amazon-Dienst Freevee das Prinzip der Versteckten-Kamera-Verlade auf ein ganz neues Niveau - womit die Serie tatsächlich so heraussticht, dass sie vom Überraschungs-Nominierten durchaus auch noch zum überraschenden Emmy-Gewinner werden könnte.
Gladden als Hauptfigur ist nicht nominiert, weil er ja auch gar kein Schauspieler war. Um den Emmy für den besten Schauspieler in einer Hauptrolle konkurriert im Comedy-Bereich stattdessen neben den schon genannten Bill Hader ("Barry"), Martin Short ("Only Murders in the Building"), Jason Sudeikis ("Ted Lasso") - Gewinner bei den letzten beiden Verleihungen - und Jeremy Allen White ("The Bear") auch noch Jason Segel, der in der wunderbaren Apple-Comedyserie "Shrinking" einen Therapeuten spielt, der nicht nur selbst therapiebedürftig erscheint, sondern mit seiner neuen radikalen Idee, seinen Patienten immer direkt zu sagen, was er denkt, manch unerwartete Konsequenzen hervorruft.
Bei den Hauptdarstellerinnen wird das Feld um Rachel Brosnahan ("The Marvelous Mrs. Maisel"), Quinta Brunson ("Abbott Elementary") und Jenna Ortega ("Wednesday") noch von Christina Applegate für ihre Hauptrolle in der finalen Staffel von "Dead to me" sowie von Natasha Lyonne für die Serie "Poker Face" komplettiert, in der sie eine Detektivin wider Willen spielt, die mit der besonderen Fähigkeit ausgestattet ist, sofort erkennen zu können, wenn jemand lügt. Bis auf Brosnahan wäre es für alle der erste Emmy in dieser Kategorie.