Auch wenn angesichts eines Streiks der Autorinnen und Autoren, bei dem kein Ende in Sicht ist, und eines noch drohenden Streiks der Schauspielerinnen und Schauspieler in Hollywood derzeit kaum jemand in Feierlaune ist: Die Emmy Awards, die in diesem Jahr ihr 75. Jubiläum feiern wollen, werfen ihre Schatten voraus. Dass sie wie geplant am 18. September verliehen werden können, glaubt zwar kaum noch jemand - Ausweichtermine im November oder sogar erst im Januar 2024 sind im Gespräch - doch die Nominierungen stehen jetzt in jedem Fall fest - bekannt gegeben in einer mit dem Wort "nüchtern" noch übermäßig blumig umschriebenen "Zeremonie".
Doch das wird die Freude bei den Nominierten heute trotzdem kaum trüben. Geht man allein nach der Anzahl der Nominierungen, dann gibt es diesmal insbesondere bei den Dramaserien keinen echten Favoriten, vielmehr verspricht es ein ziemlich spannendes Rennen zu werden. Gleich drei Dramaserien erreichten zwischen 23 und 27 Nominierungen: Ganz vorne rangiert mit "Succession" die Serie, die auch schon im vergangenen Jahr den Emmy in dieser Kategorie mit nach Hause genommen hat.
Doch "Succession" trifft mit seiner finalen Staffel noch auf einen anderen "Titelverteidiger": "The White Lotus", das mit Staffel 1 noch in der Kategorie für Anthologie- und Miniserien antreten durfte, musste mit Staffel 2 zu den Dramaserien wechseln und ist nun dort mit insgesamt 23 Nominierungen ebenfalls sehr gut im Rennen. Beide Serien punkten vor allem auch mit ihrem umfangreichen Cast: Mit Brian Cox, Kieran Culkin und Jeremy Strong" sind allein drei der sechs nominierten Hauptdarsteller aus "Succession", dazu kommt Sarah Snook als beste Hauptdarstellerin. Die Kategorie "Bester Nebendarsteller" teilen "Succession" und "The White Lotus" mit jeweils vier Nominierungen gar rein unter sich auf, bei den Nebendarstellerinnen sind allein fünf Damen von "The White Lotus" im Rennen.
Komplettiert wird das Trio an der Spitze von "The Last of Us": Die Serien-Umsetzung des postapokalyptischen Videospiels sicherte sich satte 24 Nominierungen und damit sogar noch eine mehr als "The White Lotus". Besonders laut dürfte der Jubel heute daher bei Warner Bros. Discovery sein: Alle drei Serien sind Produktionen von HBO, das die Drama-Kategorie damit klar dominiert. Obendrein ist auch noch "House of the Dragon" im Rennen um die beste Drama-Serie - und dessen Mutterserie "Game of Thrones" hat ja auch schon bewiesen, dass sie den Emmy mit nach Hause nehmen kann. Mit insgesamt acht Nominierungen ist sie aber diesmal kein Favorit.
Komplettiert wird die Dramaserien-Kategorie vom Finale von "Better Call Saul", der neuen Staffel von "The Crown" (2021 übrigens Emmy-Sieger in dieser Kategorie und nach der produktionsbedingten Pause eigentlich ebenfalls Titelverteidiger), "Yellowjackets" von Showtime sowie der Star-Wars-Serie "Andor" von Disney+. Und es ist nicht die einzige Serie aus der Star-Wars-Produktion, die Chancen auf einen Emmy hat. Mit "Obi-Wan Kenobi" ist das Franchise auch bei den Mini- oder Anthologie-Serien vertreten.
Die meisten Nominierungen in dieser Kategorie entfielen aber auf zwei andere Produktionen, die beide von Netflix stammen: "Beef" über zwei Menschen, die in einen Verkehrsunfall verwickelt werden, der sie gegeneinander aufbringt, sowie die Serienkiller-Serie "Dahmer - Monster: The Jeffrey Dahmer Story". Beide vereinen insgesamt 13 Nominierungen auf sich. Bei beiden Serien sind mit Evan Peters und Steven Yeun auch die Hauptdarsteller nominiert, im Falle von "Beef" zudem auch Ali Wong als beste Hauptdarstellerin. Komplettiert wird die Kategorie der Miniserien durch "Daisy Jones & the Six" von Prime Video und "Fleishman is in Trouble" von Fx.
Comedy - was ist eigentlich Comedy?
Bei den Comedyserien gibt es auch in diesem Jahr zwei Fragen. Erstens: Ist "Ted Lasso" eigentlich zu schlagen? Schon die ersten beiden Staffeln wurden in den letzten beiden Jahren ausgezeichnet und auch die finale dritte Staffel ist deutlich häufiger nominiert als jede andere Comedyserie, nämlich insgesamt 21 Mal. Dahinter folgt schon mit deutlichem Abstand "The Marvelous Mrs. Maisel". Die Serie hatte 2018 mal mit Staffel 1 den Emmy in dieser Kategorie gewonnen, konnte das seither aber nicht mehr wiederholen und hat mit der finalen Staffel nun zum letzten Mal die Chance dazu.
Und damit zur zweiten großen Frage: Was ist eigentlich Comedy? "The Bear" wurde vielfach gelobt für seine realistische Darstellung, wie hart es in den Restaurantküchen zugeht. Aber besonders komisch ist das eigentlich nicht. Trotzdem wurde die Serie hier eingereicht und auch nominiert, und zwar insgesamt 13 Mal. Eine ähnliche Frage könnte man sich auch bei der Krimiserie "Poker Face" stellen, die ebenfalls hier eingereicht wurde, es letztlich aber nicht zu einer Nominierung in der Formatkategorie hat. Hier ist aber zumindest Hauptdarstellerin Natasha Lyonne im Rennen.
Während mit "Abbott Elementary", "Barry" und "Only Murders in the Building" weitere sicher erwartete Nominierte auf der Liste stehen, hat mit der Addams-Family-Serie "Wednesday" auch ein weiterer Neuling Chancen auf eine Emmy-Auszeichnung als beste Comedy. Die größte Überraschung an diesem Tag ist aber eine andere Nominierung: "Jury Duty". Die Eigenproduktion des werbefinanzierten Amazon-Ablegers Freevee veralbert die Reality-Gerichtsshows und traf damit offensichtlich einen Nerv bei den Academy-Mitgliedern. Mit Blick auf die Personen-Kategorien ist noch Jason Segel zu erwähnen, der das Fähnchen für die neue Apple-Comedy "Shrinking" hochhält, Christina Applegate ist bei den Damen für "Dead to me" nominiert.