Drei Jahre hintereinander überragte je eine Comedy-Serie so sehr alle anderen Produktionen, dass sich die Abende der Primetime Emmys mit diesen verbinden, ja fast gar auf diese reduzieren lassen. 2018 triumphierte die Amazon-Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" und räumte bei ihrem Auftakt direkt fünf von sechs Emmys ab. Einzig Tony Shaloub ging bei den Nebendarstellern leer aus. Ein Jahr später erleuchtete die zweite Staffel der britischen Produktion "Fleabag" (ebenfalls Amazon) die 71. Gala aus dem Microsoft Theater in Los Angeles und steigerte die Zahl auf sechs. Und das obwohl die Television Academy britische Produktionen sonst zwar mit Nominierungen bedachte, diese bei der Auszeichnung aber letztlich kaum berücksichtigte.
Geschichte geschrieben wurde dann Pandemie bedingt nicht nur strukturell durch die Austragungsform, sondern vor allem wegen der Dominanz einer Comedy-Serie im letzten Jahr, die ganze sieben Emmys an einem Abend für sich reklamieren konnte. Nie zuvor gelang das einer Serie aus dem humoristischen Fach, zumal Abräumer "Schitt's Creek" in den USA auf dem kleinen Kabelsender Pop TV beheimatet war. Hinzu kommt das Kuriosum, dass die kanadische Familien-Comedy erst bei der sechsten und letzten Staffel so richtig von den Mitgliedern beachtet wurde. Zusammen genommen wurde zum Abschied der "Fish-out-of-Water"-Serie ein Emmy-Rekord aufgestellt, weswegen sich die Frage aufdrängt: traut sich die Academy eine weitere Alleinherrschaft auszurufen, oder markiert "Schitt's Creek" den vorläufigen Höhepunkt? Vom Line-up aus betrachtet, wäre dies auch in diesem Jahr wieder möglich.
Für den Top-Favoriten "Ted Lasso" von Apple TV+ etwas ungünstig auswirken dürfte sich dabei jedoch, dass sich die Nominierten vor allem in einer Kategorie selbst in die Quere kommen. Mit Jeremy Swift, Nick Mohammed, Brendan Hunt, Brett Goldstein tauchen allein vier Darsteller in der Nebenkategorie auf. Bei den besten Nebendarstellerinnen treten Hannah Waddingham und Juno Temple gegeneinander an. Im Gegensatz zur Hochsprungdisziplin der Herren bei den diesjährigen Olympischen Spielen können bei den Primetime Emmys die ersten Plätze und damit die Trophäen nicht geteilt werden, weswegen sich hierbei sechs Nominierungen in maximal zwei Siege eintauschen lassen.
Nominiert ist aber natürlich auch der Anti-Magath des fiktiven Clubs AFC Richmond mit selbem Namen, Jason Sudeikis alias Ted Lasso. Dieser darf in einer ebenfalls als "Fish-out-of-Water" angelegten Comedy den Fußballcoach aus Kansas mimen, der sich in England über den Linksverkehr, Kohlensäure haltiges Wasser, die "Brühe" namens Tee und allerlei fremde Wörter bei eigentlich gleicher Sprache wundert. In ähnlich euphorischer Tradition wie "The Marvelous Mrs. Maisel" stehend, findet er sich nicht nur in einer anderen Sportart wieder, sondern auch in vielen kulturellen Unterschieden. Der Umgang damit ist jedoch klar: amerikanisch optimistisch bleiben und allen mit viel Herzlichkeit und auf Augenhöhe begegnen. Sudeikis ist übrigens wie alle anderen mit Ausnahme des den Assistenzcoach "Coach Beard" spielenden Brendan Hunt mit der allerersten Nominierung überhaupt bedacht worden.
Nicht mehr nehmen kann man der neuen Serie von "Scrubs"-Macher Bill Lawrence bereits drei eingefahrene Goldstatuen, die es bei den Veranstaltungen der Creative Arts Emmys die Woche zuvor gab und zwar für Casting, Sound Mixing und Picture Editing. Mit den meisten Nominierungen im Feld wird dennoch die Frage bleiben, ob am Ende ein Überflieger heraus kommt, oder ob teilen angesagt ist. Denn zusätzlich zu den maximal drei Siegen in den Personenkategorien stoßen noch Doppelnominierungen im Bereich Regie sowie Drehbuch. Den Taschenrechner gezückt, ergibt sich eine maximal mögliche Ausbeute von sechs.
Noch mehr Fokus auf die Inszenierung eines Kulturschocks legt "Sex and the City"-Darling Darren Star in der Netflix-Serie "Emily in Paris". Diese zählt zu den meist gestreamten Comedy-Serien des Dienstes mit den roten Versalien des letzten Jahres. In der Serie geht es wenig überraschend um eine Protagonistin namens Emily in Paris, die analog zu "Ted Lasso" aus den USA, genau genommen aus Chicago, stammt. Viel Kritik hagelte es jedoch für die klischeehafte Darstellung der Pariserinnen und Pariser vor allem aus Frankreich, wo man sich nicht nur Baguette essend und Kaffee trinkend bei gleichzeitig schlechter Laune sehen mag. Kontrastiert wird dies mit einer allseits optimistischen, von Lily Collins gespielten Emily. Im Pool der nominierten Hauptdarstellerinnen nicht vertreten ist die Tochter der Rocklegende Phil Collins. Generell dürfte die Serie an diesem Abend mit nur einer Chance - wenn auch in der Königskategorie Comedy - als schwächeres Glied gelten.
Als alter Hase erneut mit dabei ist die ABC-Serie "black-ish", die bereits mehrere Spinoffs hervor brachte. Ausgezeichnet werden könnte hierbei die siebte Staffel der Serie über die schwarze Familie Anderson in einer überwiegend weißen Nachbarschaft. Das Spiel des Fremdseins, der kulturellen Identitätskrisen und Klischees findet auch hierbei Eingang. Über all die Jahre sammelte die Serie bereits insgesamt 24 Nominierungen - gewinnen konnte sie bislang jedoch nur eine und zwar letztes Jahr für das beste Haarstyling. Überhaupt lassen sich in dem Teilnehmerfeld um die "Beste Comedy-Serie" nur vier Serien finden, die bereits fortgeschritten sind, alles andere sind Neueinsteiger. Bei "black-ish" sind zudem abermals Anthony Anderson und Traacee Ellis Ross in den Kategorien für die beste Darstellung nominiert. Kämpfen wird Anderson in diesem Jahr gegen den bereits genannten Sudeikis, sowie Michael Douglas ("The Kominsky Method"), William H. Macy ("Shameless") und Kenan Thompson ("Kenan"). Tracee Ellis Ross findet sich im Feld mit Allison Janney ("Mom"), Aidy Bryant ("Shrill"), Jean Smart ("Hacks") und Kaley Cuoco ("The Flight Attendant") wieder.
Ebendiese Kaley Cuoco verbrachte viel Zeit ihres Lebens damit, als Penny den Männeranteil der CBS-Sitcom "The Big Bang Theory" von Chuck Lorre aufzubrechen. Bedacht wurde sie dafür allerdings nie mit auch nur einer Nominierung, obwohl sie dort 12 Jahre eingebunden war und sie vor allem Jim Parsons mit gleich mehreren Auszeichnungen neidisch machen konnte. Für HBO Max durfte sie in die Rolle der dem Alkohol nicht abgeneigten Stewardess Cassie schlüpfen, die neben ihrem ermordeten One-Night-Stand erwacht. Die Dramedy von Produzent Greg Berlanti konnte zudem bereits einen Emmy bei der Verleihung der Handwerkskategorien absahnen und sich dort im Bereich Titelsong gegen unter anderem "Ted Lasso" durchsetzen.
Apropos Chuck Lorre: dieser kann für die dritte Staffel der Netflix-Serie "The Kominsky Method" wieder auf eine Auszeichnung hoffen. Die weitere Runde startete bekanntlich mit einer großen Änderung, denn das Yang des Yin Michael Douglas, Alan Arkin, erklärte nach der zweiten Staffel seinen Ausstieg, weswegen der Serie einer der Grundpfeiler verloren ging. Ins Ranking für den besten Hauptdarsteller-Preis geschafft hat es aber in diesem Jahr wie erwähnt erneut Michael Douglas als Schauspiellehrer Sandy Kominsky, sowie Paul Reiser als bester Nebendarsteller. Nicht mit nach Hause nehmen konnte Morgan Freeman den Preis für den besten Gastpart.
Einen Strich durch alle Rechnungen machen könnte der ebenfalls stark ins Rennen gehende Neustart von HBO Max, "Hacks", der in Las Vegas eine Diva des Showgeschäfts auf die Generation Z treffen lässt. Genauer gesagt wird die Geschichte der von Jean Smart gespielten, erfahrenen Stand-up-Künstlerin Deborah Vance und ihrer jüngeren, von Hannah Einbinder porträtierten, Autorin Ava Daniels vorgeführt. Während Jean Smart als Hauptdarstellerin nominiert ist, geht es für Einbinder um den Titel der besten Nebendarstellerin. Hinzu kommen Carl Clemons-Hopkins als bester Nebendarsteller, sowie eine Nominierung für beste Regie und Drehbuch plus beste Comedy, womit ein "Lasso"-Level von sechs möglichen Preisen erreicht wäre.
Mitspielen wollen jedoch auch noch zwei weitere Außenseiter, und zwar "Cobra Kai" (Staffel 3) von Netflix und die zweite Staffel von "PEN15" (Hulu). Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass die serielle Fortführung der "Karate Kid"-Reihe unter Beteiligung der Schauspieler des Originals einst als Eigenproduktion von YouTube startete, mit der dritten Staffel zu Netflix umzog und dort zum Hit wurde. Wie "Emily in Paris" kann es bei der Verleihung nur noch um den Preis für die beste Comedy gehen. Neben dieser Auszeichnung geht es für "PEN15" auch noch um den Kampf im Bereich des Drehbuchs - hierbei sogar direkt für zwei Folgen. Kurios ist bei der Hulu-Comedy die Serienumsetzung: inszeniert wird die Geschichte zweier Freundinnen in der Middle School im Jahr 2000. Gespielt werden die beiden Mädchen jedoch von den Serienschöpferinnen Maya Erskine und Anna Konkle Mitte 30.
Ob eine Comedy alleine das Rennen machen und generell zum großen Triumphator des Abends wird, die Zeichen auf Teilen stehen, oder gar ein Außenseiter die Kategorie gewinnt, zeigt sich in der Nacht vom 19. auf den 20. September bei den 73. Primetime Emmys. Klar ist jedoch jetzt schon, dass der Rekord von "Schitt's Creek" nicht gebrochen werden kann. Aber dran schnuppern wäre für "Ted Lasso" und "Hacks" alle mal drin.
In Deutschland lässt sich die Emmy-Verleihung in der Nacht vom 19. auf den 20. September ab 2 Uhr nachts live auf TNT Serie verfolgen. Schon ab 1 Uhr ist die Ankunft der Stars am Roten Teppich zu sehen. Zudem gibt's am Montag, 20. September um 20:15 Uhr nochmal eine Wiederholung der Verleihung.