2008 machte die Television Academy durch eine Regeländerung den Weg dafür frei, dass auch Produktionen für einen Primetime Emmy nominiert werden können, die gar nicht im linearen Fernsehen und damit eben zur klassischen "Primetime" gelaufen waren. 2013 war es dann soweit: Mit "House of Cards" schaffte es erstmals eine Produktion eines Streaming-Dienstes, in den "normalen" Kategorien eine Nominierung zu bekommen (zuvor waren nur Webisodes oder YouTube-Clips in teils eigens geschaffenen Kategorien berücksichtigt worden). Dass das gerade Mal sieben Jahre her ist, muss man sich vor Augen führen, wenn man sich in diesem Jahr das Ranking der Sender und Plattformen in Sachen Nominierungsanzahl anschaut.
Netflix steht da mit sagenhaften 160 Nominierungen über alle Kategorien hinweg einsam an der Spitze und konnte damit einen neuen Rekord aufstellen - so viele Nominierungen hatte ein einzelner Anbieter mit seinen Produktionen noch nie auf sich vereinen können. HBO, das über Jahrzehnte das Emmy-Rennen zuvor dominiert hatte, spielt in diesem Jahr mit 107 Nominierungen schon mindestens eine ganze Liga tiefer. Auch 2018 war HBO schon einmal hinter Netflix gerutschte, konnte das aber 2019 mit dem Schwung des "Game of Thrones"-Finales nochmal drehen.
Ob das noch einmal gelingen kann, ist für die nähere Zukunft vor allem aus einem Grund fraglich: Es ist nicht so, dass Netflix mit wenigen herausragenden Produktionen das Feld dominiert, sondern mit der schieren Menge an Produktionen das Feld so geflutet hat, dass sich die Nominierungen auf zahlreiche Einzelproduktionen verteilen und in Summe dann eben diese riesige Zahl ergeben. Dass die Konkurrenz allein von der Menge qualitativ trotzdem hochwertiger Produktionen her da in absehbarer Zeit mithalten kann, ist zumindest kurzfristig nur schwer vorstellbar, auch wenn inzwischen alle großen Medienkonzerne mit eigenen Streaming-Angeboten am Markt sind.
Die 160 Nominierungen verteilen sich in diesem Jahr auf 51 verschiedene Formate, bei HBO sind es nur 21 verschiedene Formate, die es auf die Nominierungsliste schafften. Und die anderen Streamer? Spielen nur eine untergeordnete Rolle. Prime Video etwa kommt schon auf insgesamt nur 31 Nominierungen, von denen allein 20 auf "The Marvelous Mrs. Maisel" zurückgehen. Bei Hulu sind es 26 Nominierungen, die neuen Konkurrenten von Apple und Disney liegen noch unter der 20er-Marke.
Die große Varianz, mit der Netflix bei den Emmys präsent ist, spiegelt damit ziemlich genau die Strategie des Unternehmens wieder: Nicht nach dem einen Inhalt suchen, der alle zugleich überzeugt, sondern lieber für jeden etwas im Programm zu haben. Und so zeigt sich beim Blick auf die meistnominierten Formate diese Netflix-Dominanz tatsächlich auch nicht. Ganz vorne rangiert mit "Watchmen" eine HBO-Miniserie, dahinter folgt mit "The Marvelous Mrs. Maisel" eine Serie von Prime Video. Insgesamt ist HBO mit "Ozark" und "The Crown" nur zwei Mail in der Top 10 der Formate dabei - angesichts der zahlenmäßigen sonstigen Dominanz ist das schon eine kleine Überraschung.
Abschließend noch ein kurzer Blick aufs Abschneiden der übrigen Sender: Die klassischen Broadcaster wurden weiter zurückgedrängt und versammeln alle zusammengenommen nur noch 126 Nominierungen auf sich, das waren nochmal 23 weniger als im Vorjahr. Am besten schneidet hier noch NBC ab - was vor allem "Saturday Night Live" zu verdanken ist, zudem hält "This is us" immerhin noch das Fähnchen in der Dramaserien-Kategorie hoch. Großer Emmy-Verlierer des Jahres ist hingegen Showtime. Der Pay-TV-Anbieter bringt es nur auf mickrige vier Nominierungen (je eine für "Homeland", "Black Monday", "Shameless" und "VICE") und landet damit noch weit hinter Pop TV, Comedy Central, VH-1 oder BBC America. Enttäuschend steht inzwischen auch AMC da, das mit "Mad Men" und "Breaking Bad" mal echte Emmy-Highlights im Programm hatte. 2020 waren nicht mehr als acht Nominierungen drin, alle dank "Better Call Saul". Auch in dieser Entwicklung zeigt sich, wie schwer sich die einst so im Aufstieg begriffenen Kabelsender angesichts der Streaming-Konkurrenz mittlerweile tut.