Weniger als zwei Monate ist es noch hin, bis in Los Angeles wieder die Emmy Awards verliehen werden sollen. Doch noch schwebt über der traditionsreichen Gala, die in diesem Jahr zum 72. Mal stattfindet, ein großes Fragezeichen. Während die meist eine Woche früher vergebenen Creative Arts Emmy Awards in einem mehrtägigen virtuellen Event vergeben werden, wird das Format für die große Emmy-Show derzeit noch erarbeitet - und als Reaktion auf die Corona-Pandemie verzichtet die Television Academy auf den jeweils im Anschluss an die Verleihungen ausgerichteten Governors Ball zum ersten Mal sogar komplett.

Wie auch immer die Emmys in der Nacht vom 20. auf den 21. September also über die Bühne gehen werden - zumindest die gewohnt lange Liste der Nominierungen ist inzwischen bekannt. Vor dem Hintergrund von Produktionsunterbrechungen und -verschiebungen zeigte sich die Akademie zuletzt schon einigermaßen flexibel. Um sich für die diesjährigen Emmys zu qualifizieren, musste eine Serie zwar weiterhin bis spätestens 31. Mai starten, allerdings reichte es nun, genügend Episoden bis zum 30. Juni gezeigt oder zumindest den Academy-Mitgliedern zur Verfügung gestellt zu haben. 

Unorthodox© Anika Molnar/Netflix
Doch wer darf nun auf Auszeichnungen hoffen? Bei einer gleichermaßen konfusen wie schrillen Präsentation wäre es am Dienstag beinahe untergegangen, dass die Preisverleihung auch aus deutscher Sicht reichlich Spannung verspricht, schließlich befindet sich gleich mehrfach die Miniserie "Unorthodox" von Anna Winger im Rennen. Die Produktion, die erst Ende März ihre Premiere bei Netflix feierte, ist in der Kategorie "Outstanding Limited Series" nominiert - zusammen mit "Little Fires Everywhere", "Mrs. America", "Unbelievable" und "Watchmen". Und damit nicht genug: Hauptdarstellerin Shira Haas ist ebenso nominiert wie Anna Winger als Autorin und Maria Schrader als Regisseurin. Unterm Strich fallen gleich acht Nominierungen auf "Unorthodox".

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Anna Winger erzählt in der Serie die Geschichte einer jungen Frau aus Williamsburg, Brooklyn. Esty lebt unter den strengen Regeln einer chassidischen Gemeinde, die ihr Leben bestimmt. Später reist sie nach Berlin, um sich selbst zu finden, wird dort aber von ihrer Vergangenheit eingeholt. Gedreht wurde "Unorthodox" in jiddischer und englischer Sprache. Neben Winger saß auch Henning Kamm von Real Film Berlin als Produzent mit im Boot.

Netflix führt mit Rekord deutlich vor HBO

Abseits davon birgt der Blick auf die diesjährige Nominierten-Liste indes schon alleine deshalb Spannung, weil mit "Game of Thrones" und "Veep" zwei langjährige HBO-Hits zu Ende gegangen sind und die Karten daher gewissermaßen neu gemischt werden. Und so gehen in der Königskategorie "Outstanding Drama Series" neben den schon im Vorjahr nominierten "Better Call Saul", "Killing Eve" und "Succession" in diesem Jahr auch "Stranger Things", "The Crown", "The Handmaid's Tale" und die "Star Wars"-Serie "The Mandalorian" ins Rennen. Letztere wurde insgesamt übrigens noch 14 weitere Male nominiert.

Mit "The Mandalorian" ist erstmals Disney+ im Emmy-Wettbewerb vertreten - insgesamt bringt es der neue Streamingdienst übrigens aus dem Stand auf 19 Nominierungen und damit eine mehr als der ebenfalls im vorigen Jahr gestartete Konkurrent Apple TV+. Angeführt wird das Feld in diesem Jahr aber von Netflix, das damit wieder HBO als Spitzenreiter ablöst. Mit gebührendem Abstand folgt schließlich NBC als stärkstes Network. Und während sich Netflix auf stolze 160 Nominierungen steigert und damit einen neuen Rekord aufstellte, kam HBO auf nur noch 107 Nominierungen, 30 weniger als noch vor einem Jahr. Hier macht sich dann doch bemerkbar, dass zwei wichtige Programmpfeiler abhandengekommen sind.

Mit Blick auf die meisten Nominierungen einer Serie kann man sich bei HBO dann aber doch noch freuen, denn hier führt "Watchmen" das Feld an - gleich 26 Mal wurde die Produktion nominiert. Dahinter landet, wie schon im vorigen Jahr, die Amazon-Serie "The Marvelous Mrs. Maisel" mit 20 Nominierungen, gefolgt von "Ozark" (Netflix) und "Succession" (HBO). Auffällig ist derweil, dass in diesem Jahr weder "Pose" von FX Networks noch die NBC-Serie "This is Us" im Wettbewerb als beste Dramaserie dabei sind. Insgesamt bringen es beide Serien übrigens auf nur fünf Nominierungen.

"Morning Show"-Stars als beste Darsteller im Rennen

Zu den Verlierern dieses Jahres darf sich Showtime zählen, das mit weniger als zehn Nominierungen noch hinter Comedy Central und dem Neueinsteiger Quibi rangiert - eine ziemliche Demütigung für den Sender. Einen schönen Emmy-Erfolg landete hingegen Apple mit Blick auf die beiden Stars seiner Dramaserie "The Morning Show": Sowohl Jennifer Aniston als auch Steve Carell können auf Auszeichnungen als "Outstanding Lead Actress" beziehungsweise "Outstanding Lead Actor" hoffen. Mit Jodie Comer, dem Star aus "Killing Eve", ist zugleich auch die Vorjahressiegerin wieder im Emmy-Rennen.


Im Comedy-Bereich sind derweil etwa mit Christina Applegate, Rachel Brosnahan, Michael Douglas und Ted Danson ebenfalls äußerst prominente Namen vertreten. Und sonst? Als "Outstanding Comedy Series" sind übrigens - ebenso wie im Drama-Bereich - gleich acht Formate nominiert: Dabei handelt es sich um "Curb Your Enthusiasm", "Dead to Me", "The Good Place", Insecure", "The Kominsky Method", "The Marvelous Mrs. Maisel", "Schitt's Creek" und "What we do in the Shadows". Ebenfalls interessant: Erstmals wurde auch "The Masked Singer" im Show-Bereich mit einer Nominierung bedacht und in der Late-Night-Kategorie ist alles wie im Vorjahr, mit Ausnahme von James Corden, dessen Show diesmal erstaunlicherweise auf der Liste fehlt.

Wer die Emmys letztlich erhalten wird, entscheidet sich Ende September - in welcher Form auch immer. Klar ist bislang nur, dass der Moderator und Comedian Jimmy Kimmel durch die Verleihung führen wird. Es ist bereits das dritte Mal, dass ihm diese Aufgabe zuteil wird, doch einen Abend wie diesen hat auch Kimmel noch nicht erlebt. "Ich weiß nicht, wo wir das machen, wie wir das machen und warum wir es überhaupt machen", schrieb er kürzlich, "aber wir machen es und ich hoste."

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