Die Emmys sind nicht gerade für alljährlich große Umwälzungen der Nominierten-Listen bekannt, auch und gerade in den non-fiktionalen Kategorien. Wenn man sich beispielsweise die Kategorie "Outstanding Reality Competition Program" anschaut, dann finden sich da auch im Jahr 2019 echte Dinos. "The Amazing Race" etwa, in diesem jahr zum 17. Mal in Folge nominiert, davon zehn Mal auch siegreich. "Top Chef" ist zum 13. Mal in Folge dabei, für "The Voice" ist es Nominierung Nummer 8. Immerhin schaffte es mit "RuPaul's Drag Race" im vergangenen Jahr auch mal ein anderes Format, die Liste der immer gleichen Gewinner zu durchbrechen.
Kurz gesagt: Es ist offenbar gar nicht so einfach, in diesen festgefahrenen Nominierungsblock einzudringen - es sei denn, ein altgedientes Format fällt raus. So wie in diesem Jahr "Project Runway", das von 2005 bis 2018 in jedem Jahr nominiert war, in Jahr 1 nach dem Weggang von Heidi Klum aber prompt die Gunst der Academy-Mitglieder verlor. Nun liegt ein Show-Phänomen der vergangenen Monate eigentlich als natürlicher Anwärter auf diesen Platz besonders nah: "The Masked Singer". Die masierten Sänger schafften es wie kaum ein anderes Format in den letzten Jahren, zum Talk of the town zu werden, gefühlt diskutierte die halbe Nation, wer sich unter den Kostümen verbirgt. Das Format war der erfolgreichste Show-Neustart seit Jahren. Doch die Emmy-Nominierung blieb "The Masked Singer" etwas überraschend trotzdem versagt.
Kaum minder überraschend ist, welches andere Format sich stattdessen in die Nominierten-Liste einreiht: "Nailed it!". Die Netflix-Show hebt sich schon allein dadurch von den anderen ab, dass sie kein sich über Wochen ziehender Wettbewerb ist. Es hängt auch kein Versprechen eines herausragenden Preises, eines Superstar-Daseins, keine gigantischen Parcours - stattdessen ist es Gute-Laune-Fernsehen, das mit einfachsten Mitteln herzustellen ist. Alles was es braucht ist ein übersichtliches Studio mit Back-Möglcihkeiten, eine gut gelaunte Moderatorin, Kandidaten ohne Back-Talent - und so viel Spaß bei allen Beteiligten, dass man beim Zuschauen kaum anders kann, als vor Lachen mit den Tränen zu kämpfen.
"Nailed it", das von Netflix in Deutschland rätselhafterweise in "Das Gelbe vom Ei" umbenannt wurde, ist im Grunde in zur TV-Show gewordener Twitter-Trend. Dort posten schon lange mittelbegabte Bäcker ihre Versuche, komplizierte Konditor-Meisterwerke nachzubacken. Genau das ist auch bei "Nailed it" die Aufgabe der drei Kandidaten im Studio. Sie erhalten zunächst in einer Vorrunde eine kleinere Aufgabe wie das Nachbacken kunstvoller Donuts. Der Gewinner dieser Runde kann sich über einen kleinen Sachpreis und eine golden glitzernde Kochmütze für die zweite, eigentliche Hauptrunde freuen. Wer besonders schlecht abgeschnitten hat, erhält für die zweite Runde als Unterstützung noch einen "Zusatz-Joker".
Dieser ändert sich von Sendung zu Sendung - und schon allein daran erkennt man die "Spielfreude", mit der die Macher am Werk waren. Mit dem kann man beispielsweise dafür sorgen, dass die Moderatorin drei Minuten lang nörgelnd und alles kommentierend neben einem der Gegner steht, um diesen aus dem Konzept zu bringen. Dabei ist in Runde 2 eigentlich wirklich Konzentration gefragt, denn es gilt wirklich ausgefallene Konditor-Kreationen nachzubacken - und das geht natürlich in jeder Sendung gehörig schief, alles stets kommentiert von Moderatorin Nicole Byer, dem Chocolatier und Konditor Jacques Torres und einem weiteren, fachkundigen Gastjuror.
Highlight jeder Sendung ist natürlich der Moment, in dem die Amateur-Bäcker ihre fertige Arbeit präsentieren müssen - stets begleitet von einem mehr oder weniger überzeugten Ausruf "Nailed it". Nicht nur die Juroren können da bei der Gegenüberstellung mit dem Original ein lautes Lachen kaum unterdrücken. Trotzdem ist es eine Sendung, in der kein Kandidat böshaft vorgeführt wird - wer teilnimmt, ist sich seiner bescheidenen Backkünste schließlich bewusst, sind sie doch Teilnahmevoraussetzung. Es ist alles so herrlich unverkrampft, dass es einen dann auch nicht mehr wundert, dass der Hauptpreis in Höhe von 10.000 Dollar für den am wenigsten schlechten Amateurbäcker natürlich mit einer Art Geldpistole ins Studio geschossen wird. All das macht "Nailed it" zum perfekten kurzweiligen Zeitvertreib zwischen all den Produktionen, die über viele Stunden Aufmerksamkeit erfordern. Und damit fraglos zu einer Bereicherung dieser Emmy-Auswahl.