"Winter is coming", again. Denn "Game of Thrones" ist zurück. Nach einem Jahr produktionsbedingter Emmy-Pause findet sich "das Lied von Eis und Feuer" wieder auf der Nominierungsliste für die Königskategorie der besten Drama-Serie. Da die Ausstrahlung der siebten Staffel bei der 69. TV-Gala nicht in den entsprechenden Zeitraum fiel - 1. Juni des Vorjahres bis 31. Mai des aktuellen Jahres - konnte diese keine Berücksichtigung finden, auch wenn der Abschluss der Fantasy-Serie damals durch die spätere Terminierung zeitlich fast mit der Verleihung zusammenfiel und dadurch mediales Gesprächsthema war. Doch das ändert sich nun 2018 mit der bereits im letzten Jahr abgeschlossenen siebten Staffel: die auf den Büchern von George R. R. Martin basierende Serie kämpft wieder um den Titel - wenn auch mit etwas Verzögerung.

Doch dagegen dürfte vor allem der Vorjahressieger "The Handmaid's Tale" etwas haben. Immerhin hat die Hulu-Serie im letzten Jahr am stärksten von der Abwesenheit der bald endenden HBO-Serie profitieren können. Man erinnere sich: bei der letzten TV-Gala konnte die serielle Adaption des gleichnamigen Buches von Margaret Atwood - in Deutschland als "Der Report der Magd" erschienen - aus den vollen Schöpfen und alle nur denkbaren fünf Preise bei den Primetime Emmys gewinnen. Und auch für Elisabeth Moss war nach Jahren der Dürre für ihre Rolle der Peggy Olsen im 50er-Jahre-Drama "Mad Men" endlich der Knoten geplatzt. Sie konnte die insgesamt acht Jahre andauernde Ignoranz der Academy-Mitglieder überwinden und die Kategorie der besten Hauptdarstellerin für sich entscheiden. Und auch in diesem Jahr ist sie dort wieder mit von der Partie.

Einschneidend war der Abend aber nicht nur für sie, sondern auch für die Historiker. Denn noch nie zuvor wurde eine Eigenproduktion eines Streaminganbieters auf der Bühne als beste Drama-Serie geehrt. Und dann wurde die Ehre auch noch ausgerechnet einem VoD-Dienst zuteil, der viel später und zögerlicher ins Geschäft mit Eigenproduktionen einstieg als Netflix oder Amazon. Doch die Geschichte über die Entrechtung einiger noch fruchtbarer Frauen und Ausbildung zu reinen Fortpflanzungsmaschinen nach einer nuklearen Katastrophe in der patriarchalisch strukturierten, fiktiven Diktatur Gilead hatte in Zeiten von #metoo einen besonderen Nerv getroffen: die Frau als Eigentum des Mannes - die Umkehr der Emanzipation. Und das in eindrucksvollen Bildern. Selbst wer als serienaffiner Mensch die Serie nicht sehen konnte, bei dem dürfte beim Hören des Titels das Bild der weinroten A-linienförmigen Kutte und der dazu gehörigen trichterförmigen, weißen Kopfbedeckung aufploppen. Serientitel plus Bilder im Kopf gleich - auch rein marketingtechnisch - wenig falsch gemacht. Die Hulu-Serie über die Mägde steht - nach bereits drei gewonnen Preisen bei den Creative Arts Emmys, darunter unter anderem die für die beste Gastdarstellerin - auch in diesem Jahr bei den Buchmachern hoch im Kurs.

Doch "Game of Thrones", Flaggschiff von HBO, welches nach der achten Staffel in den Hafen einfahren wird, meldete sich in der letzten Woche bei den Creative Arts Emmys eindrucksvoll zurück. Von den insgesamt zugesprochenen 22 Nominierungen vorab - einmal mehr Maximum unter allen Formaten - fielen bereits mehr als die Hälfte der Entscheidungen. Von insgesamt 15 Möglichkeiten konnte die Serie von den Machern David Benioff und D. B. Weiss hinter sieben einen Haken machen. Keine Serie konnte "Game of Thrones" diesbezüglich das Wasser reichen und mehr abräumen. In den Handwerkskategorien rein nominell gefährlich hätte "Game of Thrones" die andere, ebenfalls vor Beginn hoch dekorierte HBO-Serie "Westworld" werden können. Dort standen vor den Creative Arts Emmys insgesamt 21 Nominierungen, also eine weniger. Ergattern konnte die Sci-Fi-trifft-Western-Serie allerdings nur drei. Allzu viele Chancen gibt es am Abend des 17. Septembers im Microsoft Theatre nicht mehr. Für "Westworld" stehen noch fünf Optionen offen.

Im Gegensatz zum neueren Spross "Westworld" von HBO rieb man sich beim Methusalem "Game of Thrones" jedoch ein wenig die Augen, was die Nominierung in den Personenkategorien anbelangt. Denn dort sucht man vergeblich die Namen zweier Aushängeschilder. Weder der Brite Kit Harington ist für seine Rolle des Jon Snow nominiert, noch die in der Vergangenheit drei Mal für ihre Leistung in einer Nebenrolle nominierte, ebenfalls britisch stämmige Emilia Clarke. Das Problem: War Kit Harington 2016 noch in der Kategorie der Nebenrolle platziert und nominiert, entschied sich die Produktion für einen Wettstreit in der der besten Hauptdarsteller, wo er prompt keine Berücksichtigung fand. Dafür kann jedoch zum siebten Mal Peter Dinklage auf einen Preis hoffen, den er bereits zwei Mal mit nach Hause nehmen durfte. Ebenfalls mit dabei bei den Nebendarstellern: Nikolaj Coster-Waldau und Lena Headey. Letztere ist bereits zum vierten Mal nominiert, gewann bislang aber noch nie.

Sind bei der Ensemble-Serie also drei "Game of Thrones"-Schauspieler als auszeichnungswürdig aufgeführt, kann "Westworld" im Gegensatz dazu mit den Hauptrollen punkten. Drei Schauspieler finden sich auf der Liste: Evan Rachel Wood, Ed Harris und Jeffrey Wright. War "Westworld" im letzten Jahr noch angesichts des Bombasts der Produktion, der cinematographischen Spielfreude und der Fülle großer Namen ein Favorit, wäre eine Auszeichnung in diesem Jahr eher überraschend. Die Kritik reichte von "absichtlich undurchsichtig", über "überambitioniert mit unnötig verwirrenden Erzählsträngen", was teilweise sogar in der Frage kulminierte, ob die Serie nicht besser schon nach einer Staffel hätte enden sollen. Ein harter Schlag für alle bei HBO: nach "Vinyl" könnte dies eine weitere Produktion sein, die die durch "Game of Thrones" entstehende Lücke nicht zu schließen vermag. Oder aber die Serie geht den Weg wie damals "The Wire" und verzeiht einen etwas ungewöhnlichen Zweitling und punktet am Ende als Gesamtkunstwerk. Dort hat man die zweite Staffel als Ausreißer auch verziehen.

Über den Aufbau wenige Worte verlieren darf man bekanntlich bei der NBC-Serie "This Is Us". Denn sonst könnte ein Handverlust durch eine geschwungene Spoilerkeule drohen. Und wer will schon wie der Candyman mit einer Hakenhand enden?! Was sich jedoch sagen lässt: in den USA ein Riesenhit - in Deutschland bei ProSieben mit der ersten Staffel leider kläglichst gefloppt und inzwischen in der Nische bei Sixx angekommen. Unter allen Nominierten in der Kategorie für die beste Drama-Serie ist es zudem die einzige eines Networks. Bekanntlich scheut sich die Academy häufig, Publikumserfolge zu berücksichtigen, so kommt es auch, dass weder der erfolgreichste Sitcom-Start der Saison "Young Sheldon", noch der ABC-Erfolg "The Good Doctor" auf den entsprechenden Zetteln auftauchen. Doch zurück zu "This Is Us": bereits zum zweiten Mal in der Kategorie mit dabei, wie auch die Schauspieler Milo Ventimiglia und Sterling K. Brown in der Hauptdarsteller-Kategorie. Brown durfte im letzten Jahr sogar als Sieger hervortreten. Außerdem erfreulich für die Network-Serie: als bester Gastdarsteller wurde bereits Ron Cephas Hones als William "Shakespeare" Hill bei den Creative Arts Emmys ausgezeichnet.

Eher Außenseiter-Chancen muss man wohl der FX-Serie "The Americans" attestieren. Im Mai lief die letzte Folge der sechsten Staffel über den Schirm und brachte den Spionage-Thriller zum Abschluss. Die Serie selbst wurde überhaupt erst spät von der Academy entdeckt. Als beste Drama-Serie ist sie nach sechs Staffeln erst zum zweiten Mal im Tableau mit dabei - zuletzt war sie vor zwei Jahren nominiert. Eine Auszeichnung käme wohl einem Farewell-Sieg gleich. Eine Auszeichnung in einer der Personen-Kategorien ist da schon wahrscheinlicher. Sowohl Matthew Rhys, als auch Keri Russell haben Chancen darauf. Und dann wären da noch zwei Netflix-Produktionen im Reigen. Beide Wiederholungstäter, beide mit der zweiten Staffel nominiert und beide bislang nicht erfolgreich gewesen. Das Kostümdrama über das Leben und Regieren von Königin Elisabeth II. in "The Crown" konnte letztes Wochenende bereits 3 goldene Statuen einheimsen. Neben den oben genannten Elisabeth Moss, Evan Rachel Wood und Keri Russell wäre auch Claire Foy nicht betrübt, würde ihr Name am Montag, den 17. September verlesen. Bei "Stranger Things" mit dem jungen Cast bleibt die Frage, ob die Academy Mitglieder eine Horror-Serie auszeichnen wollen. Andererseits fragte man sich auch lange bei "Game of Thrones", ob eine Fantasy-Serie das Zeug hat zu gewinnen. Was irgendwann folgte waren zwei aufeinanderfolgende Siege im Jahr 2015 und 2016. Und nun also das Comeback nach einem Jahr Pause, wobei der lupenreine Hattrick dadurch nicht mehr möglich ist? Vergangene Stärke hin oder her, in diesem Jahr wartet die besagte Magd - und die will auch nochmals auf den Thron.