Wer urteilt, ohne es gesehen haben, wird sich im September vergangenen Jahres mit Sicherheit gewundert haben als plötzlich Bill & Tom Kaulitz auf der Bühne des Deutschen Fernsehpreises standen, weil sie aus dem stand mit „That’s my Jam“ die Auszeichnung für die beste Unterhaltung gewannen. Da das Format mit Blick auf die Abrufzahlen bei RTL+ - freundlich formuliert - ein Geheimtipp blieb, dürfte es wahrlich viele Fragezeichen gegeben haben. Ernsthaft, die Kaulitz-Brüder? Als Jury-Mitglied sei gesagt: Das Entertainment-Potential der beiden Brüder war bereits extrem überzeugend, gerade auch in diesem  Format, das wie Tom & Bill in keine Schublade passen wollte.

Ein Jahr später wundert sich niemand mehr. 2024 wurde ihr Jahr, allen voran dank der Netflix-Serie „Kaulitz & Kaulitz“ aus dem Hause Constantin Entertainment, die im Sommer strategisch klug während der Fußball-Europameisterschaft gelauncht wurde. Klug, weil alle Sender ohne Übertragungsrechte vor der Übermacht Fußball den Kopf einzogen. Nicht so bei Netflix. Da hieß es: The party has arrived! Beim Deutschen Fernsehpreis musste man sich diesmal der starken Konkurrenz von „Die Verräter“ geschlagen geben.

Doch dem Hype tut das wahrlich keinen Abbruch. Die Serie geht weiter, die umfassende Vermarktung der beiden Brüder ebenso. Selbst kleine Flops können ihnen wenig anhaben. Warum? Weil ihr Erfolg Substanz hat, genauer gesagt eine besondere Formel: Leistung & Leichtigkeit. Beim deutschen Publikum, da gilt noch immer das Leistungsprinzip: Ob Kandidatinnen oder Kandidaten in Quizshows oder  simpel eine sehr omnipräsente Prominenz vor der Kamera - wer sich das nicht hart verdient, dem wird es geneidet. Legendär sind manche Sprüche der beiden Kaulitz-Brüder über den Umgang mit Neidern. 

Doch dem steht ein überwältigender Zuspruch gegenüber, weil die internationale Karriere von Tokyo Hotel Respekt abringt und das ganz gleich, ob die Musik den Geschmack trifft. Die zwei Mäuse, wie sie sich selbst nennen, haben sich den Erfolg im wahrsten Wortsinn verdient. Mit dieser Leistung ist beim deutschen Publikum Leichtigkeit abseits von Schubladen erlaubt: In ihrer Netflix-Serie, in ihrem Podcast und auch darüber hinaus bewegen sich Tom und Bill Kaulitz zwischen Kontinenten und Künsten. Jetset-Leben, immer etwas drüber, nie festgelegt und ständig balancierend zwischen Realität und großer Show. 

Sie beherrschen ganz bemerkenswert das Spiel mit Spekulationen, Neugier und Überraschung. Keiner hat eine Vorstellung davon, an was oder wo sie überhaupt gerade arbeiten. Wo sie als nächstes auftauchen werden. Zwei Mäuse, ein Spektakel. Das ist gelebtes Entertainment, bei man gerne zuhört und zuschaut, wie Peer Schader auch vor weniger als zwei Monaten sehr intensiv analysiert hat. Bill & Tom Kaulitz- unsere beiden finalen Bildschirmhelden 2024.