Produzenten sind seltsam flüchtige Wesen. Sie führen zwar nicht erst in ihrer allumfassenden Funktion als Showrunner sämtliche Strippen in der Hand kleinerer bis riesengroßer Film- und Fernsehproduktionen. Die meisten allerdings bleiben dabei dezent im Hintergrund – da mag sich Regina Zieglers Haare noch so rot in Artur Brauners Halbglatze gespiegelt haben. Wer sie nicht persönlich kennt, dürfte also auch Matthias Murmann oder Philipp Käßbohrer im Kaufhaus übersehen – und das hat nur ganz am Rande damit zu tun, wie unscheinbar sie aussehen. Die Anfangsvierziger lassen halt lieber andere für sich sprechen.
Ihr Werk vor allem. Denn das ist ein facettenreicher, vielschichtiger, umfassender Mix aus Bild und Ton, den ihre Bildundtonfabrik wie aktuell nur wenige Konkurrenten abseits der Großproduzenten ins Rampenlicht bringt. Zwölf Jahre, nachdem die Absolventen der Kölner Kunsthochschule für Medien ihr „unabhängiges Produktionsunternehmen für Fiction, Show, Doku, Games und Werbung“ im benachbarten Ehrenfeld gegründet haben, waren allein 2024 zwei bemerkenswerte Serien dabei.
Ende Mai überraschte ihr Mystery-Sechsteiler „Pauline“ Publikum und Feuilleton mit einer Coming-of-Age-Story, die sich wohltuend vom Mainstream oberflächlicher Schauergeschichten abhob. Nur drei Monate später haben sie Amazon Prime mit der RomCom „Perfekt verpasst“ die originellste Lovestory des Jahres geliefert. Und beide zeigen eindrucksvoll, was das offene Betriebsgeheimnis von btf ist: charaktergetriebenes Entertainment. Oder wie Philipp Käßbohrer es bei DWDL am Beispiel der WDR-Reihe „Docupy“ ausdrückte: „Im besten Fall muss schließlich auch die Unterhaltung informieren und die Information unterhalten.“
Das gelang ihm bereits in Reinform, als er vor 13 Jahren mit Matthias Murmann das Fundament der künftigen Geschäftsbeziehung goss: „Roche & Böhmermann“. Praktisch ohne Produktionserfahrung, dafür mit reichlich Kreativität, Courage und Flausen im Kopf, hat die Talkshow 2011 nahezu alle Sehgewohnheiten deutscher Fernsehdebattenkultur geschreddert – und nebenbei zwei, drei Grundsteine einer Sendung gelegt, die allein vier Grimme-Preise erhalten sollte: „Neo Magazin Royal“.
Damals arbeiteten nur ein paar Handvoll Menschen für btf. Heute sind es 150, die vier Dutzend TV-Trophäen später naturgemäß in Gefahr sind, konventionell zu werden. Berechenbar. Öde. Durchschnitt. Nichts von alldem ist der Fall. Und schuld daran sind wie so oft, wenn Fernsehen Substanz abseits ausgetretener Pfade erlangt – sorry, werte Herren der Schöpfung: Frauen. Die Buddy-Boys der Bildundtonfabrik haben nämlich nicht nur reihenweise weiblicher Spitzenkräfte wie Maren Kroymann, Carolin Kebekus, Mai Thi Nguyen-Kim, Sophie Passmann oder Hazel Brugger im Portfolio.
Auch die Besetzung der Titelsuperantiheldin „Pauline“ mit der Schwarzen Rapperin Sira-Anna Faal bewies im Frühjahr, dass Diversity bei btf kein nice-to-have, sondern emanzipatorischer Wesenskern ist. Daran konnten diverse Alpha-Rüden der preisgekrönten Wirecard-Persiflage „King of Stonks“ zwei Jahre zuvor schon deshalb nichts ändern, weil sie intellektuell allesamt im Schatten der Strippenzieherin Sheila standen, die Headautor Käßbohrer abermals von einer Person of Colour ohne Hauptrollenerfahrung spielen ließ.
Dass man Quereinsteigerinnen wie Larissa Sirah Herden im Jahr 2024 noch immer irgendwie mutig nennen muss, schmälert den Einsatz der Produzenten für Verschiedenartigkeit dabei kaum. Schließlich versuchen Philipp Käßbohrer und Matthias Murmann seit jeher, die Grenzen der Branche im Dienst cleverer Relevanz auszuloten. Und damit spielt ihre GmbH in derselben Liga wie beispielsweise Neuesuper – als Teil einer Generation junger Produzenten, die das Rampenlicht nicht scheut, aber ihrer Produktpalette gern den Vortritt lässt.