Manchmal ist es sinnvoll, öffentlich getätigte Aussagen nicht direkt zynisch abzutun. Als sich Markus Breitenecker, seit Frühjahr Vorstandsmitglied und Chief Operating Officer (COO) bei ProSiebenSat.1, im Oktober bei den Medientagen München zu der Aussage hinreißen ließ, er sei erstaunt darüber, "mit welcher Qualität und auf welchem Niveau hier medienpolitisch diskutiert wird" hätte man diesem Zynismus-Reflex angesichts der völlig desolaten Lage der deutschen Medienpolitik in gleich mehreren Punkten (Rundfunkbeitrag, Filmförderungsreform) durchaus erlegen können.

 

Nur: Markus Breitenecker kommt aus Österreich, dort hat er mehr als 20 Jahre lang das lokale Geschäft von ProSiebenSat.1 auf- und ausgebaut. Und wenn man weiß, wie in Österreich Medienpolitik gemacht und umgesetzt wird, muss man natürlich konstatieren: Ja, in Deutschland ist die Qualität tatsächlich höher. Das alleine ist aber noch kein Qualitätsmerkmal, Breitenecker wollte mit der Aussage aber ohnehin vor allem Sympathiepunkte sammeln und die Akteure in der deutschen Medienpolitik umschmeicheln. 

Und so ist Markus Breitenecker seit seinem Amtsantritt in einer ständigen Charme-Offensive - sei es gegenüber der Medienpolitik oder auch gegenüber der Konkurrenz, privat wie öffentlich-rechtlich. Was wäre eigentlich, wenn es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk heute nicht geben würde? Man müsste ihn erfinden, sagte Breitenecker. Es sind Aussagen, die man von Vertretern des Privatfernsehens so in der Vergangenheit eher nicht gehört hat. 

Aber Markus Breitenecker propagiert eine neue Zeit. Schon im Mai erklärte er öffentlich, dass duale System sei am Ende. Breitenecker spricht lieber von einem "kooperativen Mediensystem", bei dem private und öffentlich-rechtliche Anbieter auf der gleichen Seite stehen - auf der anderen sieht er die großen US-Streamingdienste und Social-Media-Konzerne. Vor allem letztere müssten viel stärker als bislang reguliert werden, so Breitenecker.

Kooperationen auch im Reformstaatsvertrag 

Schon damals wandte sich der neue ProSiebenSat.1-COO auf einem Podium in Wien direkt an den bayerischen Medienminister Florian Herrmann und warb für die Idee, Joyn in Deutschland als eine Art Super-Streamer zu positionieren. Das Stichwort lautete auch hier: Kooperation. Und im Hintergrund ist Breitenecker in den folgenden Wochen und Monaten dann weiter sehr umtriebig gewesen, wie man unter anderem auf seinem LinkedIn-Profil hier, hier oder auch hier und hier überprüfen kann. Sowohl Markus Söder als auch Nathanael Liminski trugen in diesem Jahr das Kooperations-Mantra groß vor sich her - der NRW-Minister nannte dabei sogar ganz klar Joyn. 

Breiteneckers Werbetour durch die deutsche Medienpolitik hatte dann auch ganz konkrete Ergebnisse: Im sogenannten Reformstaatsvertrag, der inzwischen auch schon beschlossen ist, wurde festgehalten, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten künftig verstärkt mit privaten Anbietern zusammenarbeiten sollen. "Kooperationen können insbesondere eine Verlinkung (Embedding) oder sonstige Vernetzung öffentlich-rechtlicher Inhalte oder Angebote, vereinfachte Verfahren der Zurverfügungstellung öffentlich-rechtlicher Inhalte oder die gemeinsame Nutzung von Infrastrukturen beinhalten", heißt es in einem Absatz, den es so vor der öffentlichen Anhörung nicht gegeben hat. Hier hat mutmaßlich die Lobbyarbeit von Markus Breitenecker dazu beigetragen, dass es die Regelung tatsächlich in den Reformstaatsvertrag geschafft hat. 

Breitenecker sorgte intern für Ordnung

Ist das alles demnächst auch tatsächlich durch die Landtage beschlossen und in Recht und Gesetz übergegangen, dürfte man sich in Unterföhring einige positive Effekte auf Joyn erhoffen. Den Streamingdienst will man bekanntlich massiv ausbauen. Dass hier inzwischen ein großer Fokus liegt, ist auch Breitenecker zu verdanken, der bereits in Österreich gezeigt hat, wie man mit der Konkurrenz pragmatisch verhandelt, um maximale Ergebnisse zu erzielen. Die 2024 gestartete Charme-Offensive von Markus Breitenecker dürfte sich 2025 verstärkt auch auf die RTL-Gruppe konzentrieren, wo man zuletzt ein vergiftetes Kooperationsangebot an die Kollegen in Unterföhring aussprach.

Und es ist längst nicht so, als hätte sich Breitenecker seit seinem Amtsantritt uneingeschränkt auf seine Kernaufgaben, den Ausbau von Joyn und das Schmieden von Allianzen, konzentrieren können. Keine vier Wochen nach seiner konzerninternen Beförderung wurde der Wechsel von Vermarktungschef Carsten Schwecke zu RTL Deutschland bekannt, Breitenecker übernahm dessen Agenden daraufhin kurzerhand selbst. Zwei Wochen später folgte eine turbulente Hauptversammlung, bei der die großen Gesellschafter Media for Europe (MFE) und PPF fast alle Anträge gegen den Willen von Vorstand und Aufsichtsrat durchbrachten (DWDL.de berichtete).

Breitenecker hat in der Folge für Ordnung gesorgt und nicht nur die Sales-Geschäfte gemeinsam mit den geschätzten Seven.One-Media-Co-Geschäftsführern Guido Modenbach und Georg Nitzl geräuschlos weitergeführt, sondern auch einen Nachfolger für Kurzzeit-Vermarktungschef Schwecke gefunden. Markus Messerer und Breiteneckers langjähriger Österreich-Weggefährte Michael Stix haben sich dabei schnell in ihren neuen Rollen eingefunden und sind ein starkes Duo. Und ganz nebenbei warb Breitenecker erfolgreich für Kooperationen und stellte den Konzernfokus auf Joyn um - deshalb ist er für uns ein Bildschirmheld 2024.