Eine sehenswerte Serie zu erfinden ist wahrlich schon schwer genug, gleich zwei davon abzuliefern ist schon eine Kunst. Stefan Stuckmann - Jahrgang 1982 - ist schon seit zwanzig Jahren als Comedy-Autor in der deutschen Fernsehbranche unterwegs, arbeitete für diverse Formate von „heute show“ über „Kroymann“ bis zu „Switch Reloaded“. 2014 entwickelte er dann als erste eigene Serie die Politsatire „Eichwald, MdB“, die mit starker erster Staffel und 2019 mit schwacher zweiter Staffel bei ZDFneo lief. Danach kam zunächst einmal die Corona-Pandemie - und eine Pause. 

Fünf Jahre lang hörte man nicht viel von Stefan Stuckmann. Und dann das: Im September startet „Jugend - es ist kompliziert“ bei ZDFneo, im November folgte „Die StiNos“ für Joyn. Zwei Comedy-Projekte aus der Feder von Stefan Stuckmann, beide durch seine klare Handschrift sehenswert und produziert von SKP Entertainment, hinter der neben Stuckmann noch Alexander Keil als Managing Director und Producer agiert. Eine bemerkenswerte Keimzelle der Kreativität, aus der sich Stefan Stuckmann dorthin vorwagt, wo es weh tun kann. Ins Genre Sitcom zum Beispiel, das nach einem kurzen Boom im deutschen Privatfernsehen vor mehr als 20 Jahren brach liegt.

Sketch-Comedy lässt sich besser wiederholen, Studio-Comedy effizienter produzieren. Und überhaupt: Sitcoms? Sind die nicht von gestern? Durch den Boom der Streamingdienste und dem Erfolg von „Modern Family“ wurde die Single Camera Comedy zum gefragtesten Comedy-Genre. Die wenigsten der wenigen Sitcom-Versuche sind eine Erwähnung wert. Meist war es sogar eher kontraproduktiv. (Grüße gehen raus an „The Drag & us“). Einer der wenigen Lichtblicke war „Ich dich auch“, ebenfalls bei ZDFneo.

Und dann kam im September „Jugend“. Mit der Serie ist Stefan Stuckmann eine moderne Interpretation der deutschen Sitcom gelungen. Zeitgemäß aufbereitet aber im Kern jenes, dem Theater nahe Kammerspiel, das in Deutschland nie eine mit dem US-Fernsehen vergleichbare Bedeutung erlangte. Das macht das Setting umso gewöhnungsbedürftiger. Bei richtig guten Sitcoms ist das aber eh Nebensache, denn im Kern geht es um Wortwitz & Schlagfertigkeit. Das Genre ermöglicht die Fokussierung auf genau das, weil sich niemand mit Herleitungen aufhalten muss. 

Umso wichtiger ist dann der Humor, der konkrete Dialog und Gag. Und genau das sitzt bei Stefan Stuckmann, der sich besonders bei „Jugend“ als sehr genauer Beobachter des Alltäglichen erweist. Jugend, sie ist bei der gleichnamigen Serie nicht wörtlich zu nehmen: Es geht um junge Erwachsene, die eigentlich erwachsen sein sollten - und doch mit Sinn und Richtung ihres Lebens hadern. Nicht oft gelingen Drehbücher, die genau diese Generation der Millennials glaubwürdig abbilden. Gen Z ja, um die kämpften zuletzt immer mehr Produktionen mit entsprechender Ansprache. 

Das Leben der Millennials hingegen ist eine Spezialität, die Stefan Stuckmann auch bei „Die StiNos“ serviert: Während drüben bei „Jugend“ ein Freundeskreis mit wechselnden Lebens- oder Tagesabschnittsgefährten im Mittelpunkt steht, dreht sich hier alles ums Ehepaar Beate und Robert - zwei stinknormale Leute. Eine Herausforderung für Comedy, weil der Kosmos kleiner und die Fallhöhe niedriger ist als bei erprobteren Ensemble-Konstellationen bestehend aus Freundeskreisen oder Arbeitskolleg*innen, wo die Vielfalt von Persönlichkeiten und Ansichten mehr Spielfläche bietet.

Was stinknormal wirkt, ist also wieder ein Wagnis, das Stefan Stuckmann eingegangen ist. Und erneut ist das Ergebnis überzeugend. Ob auch genügend Menschen diese Perlen finden? Das ist nicht die Verantwortung des Serienschöpfers. Dass er das deutsche Fernsehen nach fünf Jahren Pause in diesem Jahr mit zeitgemäßer Comedy und brutal realen Dialogen bereichert hat, ist hingegen definitiv ein Verdienst und macht ihn zu einem unserer Bildschirmheldinnen und -helden 2024.