Halten wir kurz den Stand der Dinge fest: Der Sieg beim nächstjährigen Eurovision Song Contest ist von den Verantwortlichen zur "Chefsache 2025" erklärt worden; um das Unmögliche möglich zu machen, arbeiten ARD und RTL Hand in Hand; und der Interims-Erfolgsbeauftragte Stefan Raab hat bereits vor versammelter Presse angekündigt, dass man ihn grillen dürfe, wenn das diesmal nix wird.
Während also das allermeiste auf dem Weg in die Baseler St. Jakobshalle zum aktuellen Zeitpunkt aus deutscher Sicht noch ungeklärt ist, steht zumindest einige wichtige Konstante bereits fest: der Mann, den an diesem Abend niemand sieht, aber alle hören – Thorsten Schorn, der 2025 wieder die deutsche TV-Stimme des ESC sein wird.
Der 48-jährige Kölner ist eine wandelnde TV-Expertise: Er war Außenreporter für "Stern TV" und "Zimmer frei", hält als Spielleiter die Promis bei "Denn Sie wissen nicht, was passiert" im Zaum, leiht "Shopping Queen" seine Off-Stimme und glänzte als Walter-Freiwald-Gedenkpräsentator in der "Preis ist heiß"-Neuauflage.
All dieser Erfahrung zum Trotz dürfte in seinem künftigen TV-Vermächtnis jedoch der 11. Mai 2024 keine kleine Rolle spielen: als Tag, an dem Schorn das Kommentatoren-Erbe seines Vorgängers Peter Urban antrat – und zwar: auf Anhieb mit Bravour.
Dass er's kann, wusste man vorher schon. Nach der erfolgreichen Generalprobe beim deutschen Finale Mitte Februar etwa; und natürlich nach den Halbfinals aus Schweden, als ihm Kritiker:innen noch attestierten, die Spontaneität etwas vernachlässigt zu haben – immerhin mit im Laufe des Abends zunehmender Lockerheit. Aber das ist vermutlich kein Wunder, wenn man eine solche Aufgabe übernimmt, bei der jedes Wort, das man von sich gibt, genau verfolgt wird, um es später gegebenenfalls auf die Goldwaage legen zu können.
Dass an einem ESC-Abend vieles schon vorher erarbeitet, ausgetüftelt und generalgeprobt ist, liegt in der Natur der Sache. Und nachher waren sich eigentlich alle Kommentierenden des Kommentators einig: Das hat der ziemlich gut gemacht.
Seine Herangehensweise an die neue Aufgabe hatte Schorn im Frühjahr im DWDL.de-Porträt formuliert: "Es ist ein tolles Privileg, was ich da jetzt habe, und ich bin mir der Bedeutung dieser Aufgabe bewusst." Er wolle "das Erlebnis vor Ort nach Hause transportieren", das Publikum an die Hand nehmen. "Es geht um die Show, nicht um mich."
Zur Premiere in Malmö zeigte sich: Das waren keine leeren Versprechungen. Zur bedauerlichen Last-Minute-Disqualifikation der Niederlande bemerkte er: "Das Einzige, was man dem abgewinnen kann, ist: Deutschland kann nicht wieder 26. werden, denn es sind nur noch 25 Titel im Rennen." Zum Pyrotechnik-Auftritt von Isaak für Deutschland schlug Schorn vor, dass man wegen der CO2-Bilanz "morgen einen autofreien Sonntag ausrufen müsse". Eltern, deren Kinder den Auftritt des fantasiereich gekleideten griechischen Acts nachspielen wollten, riet er, "einfach den Rock aus so einer Thermotüte aus dem Supermarkt zu basteln, wo man die Tiefkühlware reintut". Und zum Auftritt Estlands, für den daheim 26.000 Landsleute votiert hatten, wusste er: "Das sind fast so viele, wie der Songtitel Buchstaben hat."
Mit zurückgenommener Stimme war das trotzdem kein dauer-augenzwinkernder "Shopping Queen"-Off-Kommentar. Sondern genau die richtige Balance zwischen Information und Entertainment, die der Veranstaltung gerecht wird. Von einem, der sich auf angenehmste Weise der Tatsache bewusst war, dass er "nicht ein Beitrag im Wettbewerb" ist.
Dass das so reibungslos und ohne größere Hänger gelang, dürfte zum einen an Schorns jahrelanger Erfahrung in ganz unterschiedlichen TV-Rollen vor und hinter der Kamera liegen; und vermutlich auch an der Zusammenarbeit mit Autor Lukas Heinser, der bereits Urban unterstützt hatte und in zweiter Reihe für die perfekte Vorbereitung sorgte (ein Job, mit dem Schorn aus seiner eigenen TV-Vita nur allzu gut vertraut sein dürfte).
Und so war der ESC 2024 aus deutscher Sicht mehr als nur ein Schritt in die richtige Richtung (auf Platz 12!) und ein gelungener Generationenwechsel am Mikrofon, der Schorn zweifellos zu einem der DWDL.de-Bildschirmhelden des Jahres 2024 macht. Er war auch der Beweis dafür, dass man erfolgreich in große Fußstapfen treten kann, ohne dafür in verbale Matschpfützen springen zu müssen.
Egal, wen die ESC-Kooperation aus ARD und RTL mit ihrem "Chefsache"-Beauftragten zu Beginn des neuen Jahres Richtung Basel schubsen wird, eins steht schon mal fest: Der Kommentator wird's schon richten.