Lateinamerikanische Teenagerinnen sind eine verwöhnte Zielgruppe, wenn es um Herzschmerz-Stoffe geht. Die spanischsprachige TV-Welt versorgt sie mit Telenovelas der traditionellen oder moderneren Machart; die Neigung zur Romantikware aus Hollywood teilen sie ohnehin mit den Altersgenossinnen in anderen Erdteilen. Eigentlich gibt es keinen Grund, wieso da auch noch ein deutsches Melodram durchdringen sollte.

Wenn im Laufe des Jahres aber zahllose junge Frauen zwischen Mexiko und Argentinien ihre Instagram- und TikTok-Kanäle mit Schnipseln der Begeisterung für eine deutsche Serie aus der eskapistischen Welt eines britischen Elite-Internats und für deren 'hotten' Hauptdarsteller Damian Hardung gefüllt haben, dann illustriert das den Ausnahmecharakter des globalen Phänomens "Maxton Hall – Die Welt zwischen uns".

In über 120 Ländern landete der Sechsteiler auf dem ersten Platz der Prime-Video-Charts und wurde zur meistgesehenen nicht-englischsprachigen Serie in der Geschichte von Amazons Streaming-Plattform. Im heimischen Preisregen setzte es bislang zwei Blaue Panther, ein Bambi sowie zwei Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis. Während der Erfolg wie stets in solchen Fällen mehrere Väter hat, wäre er in dieser Form ohne seine Mutter kaum vorstellbar gewesen. Es spricht vieles dafür, dass Ceylan Yildirim genau zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, um die "Maxton Hall"-Magie mit ihrer kreativen Hingabe maßgeblich zu ermöglichen.

Maxton Hall - Die Welt zwischen uns © Amazon / Stephan Rabold Runde zwei für James und Ruby: "Maxton Hall" geht 2025 weiter
Der Produzentin und Showrunnerin ist es zu verdanken, dass mit hohem Production Value, viel Liebe zum Detail und dem Mut zur maximalen Amplitude der Emotionen ein modernes Märchen entstanden ist, bei dem sich alle Mitwirkenden vor und hinter der Kamera ins Zeug gelegt haben, um das New-Adult-Genre auf ein neues Level zu heben. Beim Clash von Mentalitäten und sozialen Klassen als Dreh- und Angelpunkt der Serie durfte der reiche Schnösel auch mal Selbstzweifel haben, die unsichere Schönheit aus armem Haus auch mal schlagfertig sein. Wer sich auf "Maxton Hall" einließ, tauchte nicht nur in eine illustre Collegewelt ab, sondern durchlebte die magische Gefühlswelt zwischen Unsicherheit und Euphorie, Verlangen und Enttäuschung, die wohl kaum einem Teenager je fremd geblieben ist.

Präzise Zielgruppenarbeit zieht sich wie ein roter Faden durch die Karriere der 47-jährigen UFA-Produzentin, die als Tochter türkischer Einwanderer in Berlin-Spandau aufwuchs. Parallel zum Studium jobbte Yildirim in der Dramaturgie und Produktion der KiKa-Serie "Schloss Einstein" und fiel dort gleich zu Beginn als kritischer Geist auf. Als sie von einer geplanten Storyline erfuhr, in der ein muslimischer Junge mit Gebetsteppich in die Schule kommen und für allerhand Ärger sorgen sollte, hielt sie mit ihrer Entrüstung über die klischeehafte Erzählung nicht hinterm Berg. Sie habe sich "ein ziemliches Wortgefecht" mit dem Chefdramaturgen geliefert und "die Stelle schon verloren gegeben", erzählte Yildirim 2010 der "taz". Stattdessen wurde ihr Rat erhört und sie stieg innerhalb weniger Jahre zur Producerin von "Schloss Einstein" auf, dann zur Headautorin und Showrunnerin weiterer Kinderserien wie "Allein gegen die Zeit" oder "Armans Geheimnis".

Damals gab sie sich im selben Interview schon recht optimistisch, was die Fortschritte des deutschen Fernsehens in puncto Diversität betraf: "Figuren werden immer selbstverständlicher mit Menschen mit Migrationshintergrund besetzt, deren Lebenswelt spielt zunehmend auch eine Rolle in Produktionen." 14 Jahre später ist es freilich immer noch erwähnenswert, wenn eine Frau migrantischer Herkunft einen hoch budgetierten Mainstream-Produktionstanker steuert – mancher Fortschritt dauert dann doch länger, als er sollte. Die UFA, der es wie anderen TV-Konzernen lange Zeit an jüngeren Frauen in Führungsfunktionen mangelte, schmückt sich heute gern mit der "Maxton Hall"-Macherin, die seit Mai auch im "Horizon Board" sitzt, einem internen Innovationsgremium, das die Geschäftsführung bei der Weiterentwicklung des Unternehmens beraten soll.

Bei der zweiten "Maxton Hall"-Staffel, die zwischen Juni und September gedreht wurde und nächstes Jahr auf Prime Video zu sehen ist, gibt es zwei wesentliche Unterschiede: Man startet nun nicht mehr als Underdog, sondern mit höchster Erwartungshaltung. Und Ceylan Yildirim hat zusätzlich zu ihren bisherigen Funktionen auch noch den Job der Headautorin übernommen. Die Fans in aller Welt können es kaum erwarten.