Nach 31 Jahren im Konzern gab Roger Crotti im Sommer seinen Abschied von Disney bekannt. Seit 2017 zeichnete er als Country Manager für die Geschäfte des US-Konzerns in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich, nun war es Zeit für einen Generationswechsel. Seine Nachfolge trat Eun-Kyung Park an, die 2020 von ProSiebenSat.1 zu Disney gekommen war und seither für die linearen TV-Kanäle und das Werbegeschäft und den Streamingdienst Disney+ zuständig ist. Und mit einer starken Bilanz dort hat sie sich offensichtlich für den nächsten Karriereschritt empfohlen.

Denn Disney hat im TV- und Streamingbereich ein richtig gutes Jahr hinter sich. An harten Zahlen lässt sich das mit Blick auf den Marktanteil des Disney Channel festmachen: Tagsüber ist man dort so erfolgreich unterwegs wie noch nie seit dem Start im Free-TV, der sich im Januar übrigens zum zehnten Mal jährt. Im November war der Marktanteil in der Kinder-Zielgruppe 3-13 auf über 16 Prozent gestiegen, zwischenzeitlich konnte sich Dauermarktführer Super RTL nur vorn halten, indem man den Timeshift-Sender Toggo+ mit einrechnete. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr lag der Marktanteil des Disney Channel im Schnitt noch bei 11,2 Prozent.

Doch auch in der Primetime steigerte sich der Disney Channel auf neue Bestwerte von bis zu 1,8 Prozent bei den 14- bis 49-Jährigen. Hier zahlt sich die Strategie aus, mehr denn je auf klassische Disney-Filme mit Happy End zu setzen und damit auf das, was die meisten Menschen mit dieser Marke verbinden. Ziel sei es, dass "die Menschen, die mit Disney aufgewachsen sind, bei uns genau das Gefühl bekommen, das sie mit der Marke verbinden", erläuterte Eun-Kyung Park die Strategie im DWDL.de-Interview.

Um so größer die Herausforderung, der sich Park bei Disney+ stellt – denn dort gilt es eben gerade zu kommunizieren, dass es hier nicht nur das klassische Disney-Family-Entertainment gibt. Spannend aus deutscher Sicht ist dabei vor allem, wie man dieses Angebot mit lokalen Eigenproduktionen sinnvoll anreichert. Die Strategie von Eun-Kyung Park ist dabei klar: Mehr von dem, was man von Disney schon kennt, soll es nicht sein. Stattdessen brauche es gerade am Anfang "besonders deutsche Themen, aber mit einem Perspektivwechsel. Wir müssen uns ja unterscheiden und interpretieren Qualität als Mischung aus Relevanz und neuen Ansätzen."

Dabei heraus kam etwa bei "Sam - Ein Sachse" die Verfilmung der Geschichte des ersten Schwarzen Polizisten in Ostdeutschland - wobei man vor wie hinter den Kulissen auf die kreative Power von People of Color aus Deutschland gesetzt hatte. Das Gegenteil der heilen Disney-Welt war dann in "Deutsches Haus" zu sehen. Die Serie widmet sich einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte und erzählt aus der Perspektive einer jungen Gerichtsdolmetscherin vom ersten Auschwitz-Prozess im Frankfurt der frühen 60er Jahre. Nicht nur thematisch, auch von der Be- und Umsetzung her mutete das eigentlich schon öffentlich-rechtlich an. Es wäre schon fast verwunderlich, wenn Disney+ damit 2024 nicht auch bei diversen Preisverleihungen ein gehöriges Wort mitsprechen würde.

Eun-Kyung Park hat die Gesamtverantwortung bei Disney damit in einer Zeit übernommen, die kaum spannender für den Disney-Konzern sein könnte. Denn gerade startet man frisch auch in die Werbevermarktung bei Disney+ - sicher noch auf überschaubarem Niveau, doch angesichts der Verlagerung der Werbegelder in Richtung Streaming sind hohe Wachstumsraten wahrscheinlich. Und neben den Kreativen dürfte sie 2024 auch für Vertreterinnen und Vertreter anderer Sender und Plattformen mehr denn je eine gefragte Gesprächspartnerin sein - denn zuletzt wurde sie nicht müde zu betonen, dass sie für neue Kooperations- und Koproduktionsmodell mit anderen Sendern und Plattformen offen ist. Gerade in Zeiten wirtschaftlichen Drucks kann hier eine frische Herangehensweise wie die von Eun-Kyung Park sicher nicht schaden.