Sie haben noch nie in Ihrem Leben von Martin Kocher gehört? Dann vermutlich deshalb, weil Sie sich nicht besonders intensiv mit der österreichischen Innenpolitik auseinandergesetzt haben. Kocher war schon unter Bundeskanzler Sebastian Kurz Arbeitsminister, im vergangenen Jahr wurde er zusätzlich auch Wirtschaftsminister. Und in dieser Funktion hat er zum Jahresbeginn die österreichische Film- und Serienförderung völlig neu aufgesetzt und ganz nebenbei für einen Aufschwung der Branche gesorgt. 

Mittelpunkt der neuen Förderung ist das sogenannte FISA+-Modell. Das unterstützt bei der Produktion von nationalen Filmen und Serien, aber auch internationale Projekte sind förderungsfähig, sofern sie als Serviceproduktion von einem österreichischen Unternehmen umgesetzt werden. Kern des Modells ist ein nicht rückzahlbarer Zuschuss in Höhe von 30 Prozent der förderungsfähigen Ausgaben in Österreich. Weitere 5 Prozent kommen hinzu, wenn man bestimmte Richtlinien rund um "grünes Filmen" einhält. Kombiniert man diese Förderung mit dem Exzellenzbonus des Fernsehfonds Austria, kann man bis zu 40 Prozent Förderung der anfallenden Kosten erhalten. 

Der Clou der neuen Film- und Serienförderung ist die Tatsache, dass sie in der Theorie keinen Deckel hat. Das heißt: Egal wie viel Geld schon für Produktionen ausgegeben worden ist, es ist immer noch was da. Das sorgte schon bei den ersten Ankündigungen des Modells für Jubelstürme in der Branche. Produzentinnen und Produzenten in Österreich sahen sich erstmals auf Augenhöhe mit anderen Märkten, in denen es bereits weitreichende Fördermodelle gab. Bislang hatten große internationale Produktionen meist einen großen Bogen um Österreich gemacht, weil sich die Produktion wegen fehlender Anreize oft nicht lohnte. Diesen Makel wollte man beseitigen. 

52 Millionen Euro bereits zugesagt

Und tatsächlich ist es dann weitgehend so gekommen, wie es angekündigt wurde - und FISA+ wurde zu einem großen Erfolg. Bereits acht Wochen nach dem Start waren Anträge mit einer Gesamtzuschusshöhe von rund 20 Millionen Euro eingegangen. Mittlerweile liegen die bewilligten Förderungen für diverse Filme und Serien bei etwas mehr als 52 Millionen Euro. Und das sind nur die geförderten Projekte, die bereits durch das Wirtschaftsministerium öffentlich gemacht wurden. Normalerweise gibt es hier einen gewissen Verzug, sodass die tatsächliche Höhe der Förderungen noch etwas höher liegen dürfte. Bei einem Markt, der nur rund ein Zehntel so groß ist wie der deutsche, kann man sich ausmalen, wie wuchtig die 52 Millionen Euro sind. 

Tatsächlich hat das neue Modell zu einer Aufbruchstimmung geführt und auch international ist Österreich wieder in den Fokus der Produktionsbranche gerückt. Amazon Prime Video hat bereits mehrere Projekte in Österreich und mit Unterstützung durch FISA+ umgesetzt, die ARD bzw. ARD Degeto haben ebenfalls einige Produktionen in der Pipeline, das ZDF hat sich Förderungen für "Bergdoktor", "Bergretter" und "SOKO Wien" abgeholt und die österreichischen Sender nutzen das neue Modell ohnehin stark. HBO Max hat "The Regime" (vorher: "The Palace") in Österreich gedreht und Hulu bekam für die Fortsetzung von "Nine Perfect Strangers" die bislang höchste Fördersumme - 7,5 Millionen Euro. Und auch strategisch haben einige Unternehmen reagiert: Beta Film hat als direkte Folge des neuen Modells die Gamma Film gegründet und will Österreich zum Zentrum seiner Mittel-, Ost- und Südosteuropa-Aktivitäten machen. Die Wiener Produktionsfirma MR Film holte zudem seine Reihe "Vienna Blood" zurück in die österreichische Hauptstadt, nachdem man zuletzt für den Dreh nach Budapest gegangen war. 

Dazu kommt, dass sich erste Befürchtungen aus der österreichischen Produktionsbranche offenbar nicht bestätigt haben. So hatte DWDL.de recherchiert, dass es trotz der Ankündigung, es gebe keinen Deckel für den Fördertopf, einen solchen eben doch gibt. Dieser lag im laufenden Jahr zunächst bei 21,5 Millionen Euro - er wurde nach Erreichen der Grenze aber, wie von der Politik versprochen, schnell nach oben gesetzt.

Österreich als Vorbild für Deutschland? 

Und so war Martin Kocher als zuständiger Wirtschaftsminister ganz entscheidend daran beteiligt, die österreichische Produktionslandschaft in Rekordtempo auf Vordermann zu bringen. Inzwischen schauen viele Produzentinnen und Produzenten aus anderen Ländern neidisch nach Österreich - etwa aus Deutschland. "Aus unserer Sicht ist ein zuschussbasiertes und ungedeckeltes Fördermodell wie das österreichische auch für Deutschland der richtige Ansatz für ein zukunftsfähiges Fördersystem", erklärte Björn Böhning, Geschäftsführer der Produzentenallianz, bereits im November 2022. Zuletzt sind die Nöte in Deutschland durch die Kürzung der wichtigsten Förderungsmodelle noch einmal größer geworden (DWDL.de berichtete). 

Medien-Staatsministerin Claudia Roth kündigte bereits an, man müsse sich das österreichische Modell "sehr genau ansehen". Auf welche Lösung es am Ende in Deutschland hinauslaufen wird, ist noch unklar. Fest steht nur: Bis es ein neues Modell geben wird, profitiert der Produktionsstandort Österreich. Und auch wenn es oft anders herum ist: Gut möglich, dass sich Deutschland in diesem Punkt demnächst ein Vorbild an Österreich nimmt. Vielleicht kann sich Claudia Roth ja Tipps bei Martin Kocher holen?