Auf die Liste der Bildschirmheldinnen und -helden des Jahres hatte es Stephan Schmitter bereits geschafft, bevor er Mitte November durch das Ausscheiden von Henning Tewes zum neuen Programm-Geschäftsführer für sämtliche Inhalte und Marken von RTL Deutschland aufgestiegen ist. Es war weder diese Beförderung, die es für eine Ehrung brauchte - noch stürzt ihn die Schnapsidee, den Jahresrückblick von Gottschalk und zu Guttenberg moderieren zu lassen.
Fehlerfrei ist auch er also - wenig überraschend - nicht und doch hat sich der langjährige Radio-Manager in den vergangenen gut anderthalb Jahren durchaus zur Überraschung in der Branche und selbst innerhalb des Hauses zum wichtigsten und beständigsten Rückgrat des RTL-Programms entwickelt. Im April 2021 wurde er, der zuvor 13 Jahre lang für RTL Radio machte, zum Geschäftsführer von RTL News. Eine steile Karriere, die zunächst entsprechend intern wie extern kritisch beäugt wurde.
Mit der Formierung von RTL News bündelte man in Köln und darüber hinaus die umfangreichen Aktivitäten im Bereich Information und Infotainment, die das RTL-Programm schon lange prägen. Mit der neu organisierten Schlagkraft wurde die Zahl von Sondersendungen und Reportagen - mal zur besten Sendezeit, mal am späteren Abend - erhöht. Unter Stephan Schmitter wurde der Output deutlich hochgefahren. Ein erstes Ausrufezeichen war dann im August 2021 der Start von „RTL Direkt“ als Konkurrenz für „Tagesthemen“ und „heute-journal“.
Der Erfolg schwankt so sehr wie die Qualität der moderierenden Personen und doch muss man attestieren: Das Format hat sich entwickelt und etabliert. Parallel zur Zusammenführung von Gruner+Jahr und RTL demonstrierte der wichtigste Sender damit sein Bekenntnis zum journalistischen Anspruch. Dass in der Unterhaltung leider zunehmend auf Dehntertainment gesetzt wurde, wie es DWDL-Kollege Peer Schader mal so schön formulierte, und die XXL-Shows damit durch Nachrichten unterbrochen wurden, lässt sich „RTL Direkt“ nicht anlasten.
Während bei der non-fiktionalen Unterhaltung wie auch Fiktion Kehrtwenden vollzogen und wieder kassiert wurden; man einerseits voll die Retro-Welle geritten hat, sich aber gleichzeitig als Innovationsführer sah - und damit kaum ein Kurs erkennbar war, wirkte die Entwicklung der Informations- und Infotainment-Angebote bei RTL durchaus stetig. Klar: Die Einschaltquoten schießen nicht durch die Decke und planbar ist Journalismus auch nur bedingt. Will sich RTL Deutschland jedoch ernsthaft als journalistische Adresse für den öffentlichen Diskurs stärken, braucht es Durchhaltevermögen.
Was Stephan Schmitter bei RTL News umsetzt, ist also eine Fleißaufgabe, die übrigens deshalb auch weitaus seltener Schlagzeilen macht als zum Beispiel einzelne Dokumentationen oder Reportagen bei der Konkurrenz von ProSieben - weil die Fallhöhe dort eine andere ist. Einmal zwei Stunden herausragende Information zwischen Hollywood und Joko & Klaas stechen stärker heraus als die enorme Fläche, die RTL News im Regelprogramm bespielt.
Mit drei Stunden Frühstücksfernsehen am Morgen („Punkt 6“, „Punkt 7“ und „Punkt 8“), drei Stunden mittags („Punkt 12“), am Vorabend dann „Explosiv Stories“, „Explosiv“, „Exclusiv“ und natürlich „RTL aktuell“ sowie später am Abend „RTL Direkt“ und „Nachtjournal“ verantwortet RTL News an den meisten Werktagen mindestens acht Stunden Programm. Und wöchentliche Magazine, Reportagen und Sondersendungen sind noch gar nicht einkalkuliert. Es sind übrigens auch die Flächen, in denen es am ehesten Synergien mit Gruner+Jahr gibt.
Mit der Inbetriebnahme des neuen Nachrichtenstudios im September diesen Jahres erhielt das RTL-Programm dann angesichts des hohen Programmanteils täglicher Informations- und Infotainment-Angebote über weite Strecken neuen Look - und RTL nach eigenen Angaben ein Studio, aus dem auch noch die ein oder anderen neuen Formate für RTL oder RTL+ entstehen können. Man möchte Stephan Schmitter also gratulieren, doch seine Beförderung bedeutet auch: Er ist jetzt nicht mehr nur für den Teil des RTL-Programms verantwortlich, der Konstanz lieferte.
Jetzt müssen auch Unterhaltung und Fiktion auf Kurs gebracht werden. Doch schon in den ersten Wochen gibt es positives Feedback aus der Produzentenlandschaft: Stephan Schmitter, den viele Kreative noch weniger kennen als seinen Vorgänger Henning Tewes, versuche im Eiltempo sich bei allen Partnern des Senders vorzustellen - und verblüfft bei bisherigen Terminen mit einer Kenntnis von Genres und Formaten und einer Betrachtung von Herausforderungen aus der Publikumsperspektiv. Radio war da offenbar eine gute Schule.