Daniel Donskoy hat eine Meinung und auch dann das Selbstvertrauen sie zu artikulieren, wenn es über wichtige aber weitgehend ohnehin nahliegende Anliegen geht. Wo sich viele Künstlerinnen und Künstler darauf beschränken zu fordern, was eine aufgeklärte Gesellschaft kollektiv fordert, wagt er sich auch mit berechtigter Kritik nach vorne, wenn sie beispielsweise Auftraggeber oder Kolleginnen und Kollegen betrifft. Er mahnt Anstand an. Das ist selten, weil wir uns daran gewöhnt haben, dass man für Unangreifbarkeit lieber unstrittige Anliegen unterstützt und das schon reicht, um als engagiert zu gelten. Hier ein bisschen Umweltschutz, da ein bisschen Tierschutz?
Nein, da beschäftigt den 31-Jährigen mehr. Sich zu Wort zu melden, wo mancher ihm raten würde, sich nicht aus dem Fenster zu lehnen, macht Donskoy streitbarer, lässt neben den vielfältigen Figuren, die er vor Kameras oder am Mikrofon spielt, als Mensch eine hörbare Stimme in wichtigen Diskursen werden. Bei hunderten Interviews in zwanzig Jahren DWDL fällt man als Schauspieler positiv auf, wenn auch ihm belanglose Anekdoten vom Set zu banal sind angesichts von hochpolitischen Zeiten, in denen sich Donskoy über Social Media stetig zu Wort meldet. Mehr noch aber: In der Freigabe bleibt es dann auch dabei.
Oft genug ist es amüsant, wenn Künstlerinnen und Künstler von Authentizität reden, aber sich dann einen Maulkorb verpassen (lassen), weil sie Respekt vor der eigenen Courage bekommen - und aus einem eigentlich spannenden Gespräch wird ein glattgebügeltes Interview. Nicht so bei Donskoy und deswegen fällt er auf. Gerade in dem Jahr der unsäglichen #allesdichtmachen- und #allesaufdentisch-Aktionen könnte der Unterschied nicht größer sein. Kein Wunder also, dass ihm 2021 dann auch eine eigene kleine LateNight-Show "Freitag Nacht Jews" beim WDR bzw. der ARD Mediathek bescherte. Bitterer Zufall: Die Eskalation im Nahen Osten machte die Themen Judentum und Antisemitismus noch weitaus akuter als bei der Planung des Formats gedacht.
Im September dann die große Ehre: Die kleine Show wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis 2021 ausgezeichnet. Ansprechend inszeniert, mit einem ganz eigenen Tempo und einem Gastgeber, der keine Interviews führt sondern ins Gespräch kommt - und das mit einer enormen Präsenz, die schon bei seinem deutschen TV-Debüt in der RTL-Serie "Sankt Maik" das herausstechende Merkmal war. Damals, 2018, war sich DWDL.de sicher: Von dem wird man noch viel hören. 2021 ist das mit einer enormen Vielzahl von Projekten dokumentiert. Dass die musikalische Karriere des Künstlers ohne passende Schublade durch die Corona-Pandemie ins Stocken kam, ist ein verkraftbarer Rückschlag, weil ohnehin wenig Zeit geblieben wäre dafür.
Mit "Schlafschafe" (ZDFneo), "Faking Hitler" (RTL+), "Der Palast" (ZDF) und "Die Barbaren" (Netflix) stand der 31-Jährige für gleich mehrere Prestige-Projekte vor der Kamera. Beim Deutschen Filmpreis 2021 gehörte ihm dann gleich die ganze Bühne: Er übernahm die Moderation der Preisverleihung vom ebenfalls schon großartig moderierenden Edin Hasanovic und verpasste dem Abend mit eher inspirierenden als mahnenden Worten zu Stereotypen die nötige Unbequemlichkeit, die die Selbstbeweihräucherung (welche jeder Preisverleihung inne wohnt) brach.
Für 2022 bleiben zwei Dinge zu hoffen: Einerseits eine Fortsetzung oder Weiterentwicklkung des charmanten „Freitagnacht Jews“, damit Daniel Donskoy nicht nur in Rollen, sondern auch persönlich präsent bleibt. Und andererseits viel Glück, das derzeitige Momentum für sich nutzen zu können.