In einem Jahr voller Paukenschläge gelang Anke Greifeneder kurz vor Jahresende noch ein weiterer Paukenschlag, der in all seiner Metaebenen-gespickten Originalität wohl nur dieser Ausnahme-Programmmacherin gelingen konnte: Für eine ihrer nächsten Serien, "Greenlight – German Genius", verpflichtete sie neben einem deutschen Star-Ensemble auch den britischen Comedy-Gott Ricky Gervais.
Der hatte sich für den Job quasi selbst beworben oder, besser gesagt, den Serienstoff überhaupt erst inspiriert, als er vor zwei Jahren "4 Blocks" und dessen Hauptdarsteller Kida Khodr Ramadan bei Twitter lobte. Nun imitiert die Kunst das Leben, indem Ramadan und Gervais fiktionale Versionen ihrer selbst spielen und als Serie in der Serie eine deutsche Adaption von "Extras" auf den Weg zu bringen versuchen.
Wer Greifeneders Portfolio von "4 Blocks" bis "Greenlight" verfolgt, wird keine einheitliche Linie feststellen. Was sie für Warner TV Serie und Warner TV Comedy (ehemals TNT) beauftragt, entzieht sich fast immer der andernorts üblichen Berechenbarkeit und ignoriert vorsätzlich das Industrieprinzip, an Erfolge anzuknüpfen, indem man mehr vom Gleichen nachlegt. Bei der Eigenproduktionschefin von WarnerMedia gibt es nur einen roten Faden: Mut zur Innovation, zum inhaltlich wie formal Radikalen und zur größtmöglichen kreativen Freiheit. Oder, wie die Jury des FernsehfilmFestivals Baden-Baden urteilte: "Sie zieht die Kreativen wie ein Magnet an."
Auf dem Bildschirm manifestierte sich das dieses Jahr durch so unterschiedliche Serien wie "Para – Wir sind King", "The Mopes" und "Ausgebremst 2". Einen durch und durch unkonventionellen Blick auf soziale Schichten und Generationen, die deutsche TV-Fiction sonst selten erzählt, konnte man mit den vier jungen "Para"-Heldinnen Jazz, Fanta, Hajra und Rasaq werfen. Laut, wütend und aggressiv – wie in einem "Musikvideo, in dem jeden Moment etwas Schlimmes passieren kann" ("Süddeutsche Zeitung") – raufen und träumen sie sich durch den Berliner Wedding, auf der Suche nach einem besseren Leben und einer gerechteren Gesellschaft. Dafür gab es den Deutschen Fernsehpreis als beste Drama-Serie.
Das alles geschah im engen Zusammenspiel mit Macherinnen und Machern wie Ipek Zübert, Nataly Kudiabor, Annette Hess, Maria Furtwängler, Özgür Yıldırım oder Quirin Berg, die sich für Anke Greifeneder stets begeistert den Allerwertesten aufzureißen scheinen. Da fallen dann überdurchschnittlich oft Zitate wie "senderseitig einfach unglaublich kooperativ und unkompliziert" (Furtwängler) oder "ein Rückenwind, den es vor zehn Jahren nicht gab" ("Oh Hell"-Showrunner Johannes Boss). Via HBO Max, der konzerneigenen Streaming-Plattform von WarnerMedia, zeigt Greifeneder den Amerikanern schon heute, was deutsche Kreative können, wenn man sie lässt. In Vorbereitung auf den Deutschland-Start, spätestens 2025, wird sie ihr lokales Produktionsvolumen in den kommenden Jahren hochfahren. Bei weiterer Anwendung der Greifeneder-Methode steht dennoch keine Verwässerung zu befürchten.