Fernab der großen Grabenkämpfe hat Florian Hager in den vergangenen Jahren einen Bereich beackert, der viel zu lange brach lag bei den Öffentlich-Rechtlichen. Er hat versucht, junge Menschen für öffentlich-rechtliche Inhalte zu begeistert - oder sie überhaupt erstmal damit zu erreichen. Nicht mit dem linearen Programm, sondern für eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Online-Formate. Zusammengefasst wurde das unter dem Dach des Online-Netzwerks Funk, dessen Chef Hager seit dem Start war. Dass ARD und ZDF nicht den geforderten Jugendkanal, sondern nur das Go für ein solches Online-Angebot bekamen, verstand Hager als Chance - und hat sie genutzt.
Tatsächlich haben sich bei Funk - ohne Quotendruck und die Fesseln linearer TV-Programme - einige sehr sehenswerte Formate entwickelt, die in ihren jeweiligen Zielgruppen gut performen. Und so langsam hat das auch Auswirkungen aufs lineare TV-Programm. Das Funk-Format "Browser Ballett" schaffte erst vor wenigen Tagen den Sprung ins Erste und ohne seine vielen Online-Formate wäre Philipp Walulis mit "Walulis Woche" wohl auch nicht im SWR gelandet. Nicht vergessen darf man da natürlich auch den Youtube-Kanal "maiLab" von Mai Thi Nguyen-Kim, die in diesem Jahr mit einem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde und die das erfolgreichste deutsche Youtube-Video 2020 produzierte - unter dem Dach von Funk.
Mit dem erfolgreichen Aufbau des Jugendangebots von ARD und ZDF hat sich Hager für mehr qualifiziert. Ihm fällt nun gewissermaßen die Aufgabe zu, die ARD fit für die Zukunft zu machen - bzw. eigentlich eher die Gegenwart. Seit Ende des vergangenen Jahres ist er Channel-Manager für die ARD-Mediathek und stellvertretender Programmdirektor des Ersten. Während das ZDF seine Mediathek schon lange als zentralen Bestandteil des Angebots sieht und sukzessive ausgebaut hat, kochte im föderalen Gestrüpp der ARD lange Zeit jede einzelen Anstalt ihr eigenes Süppchen, von einer konsistenten Strategie war weit und breit nichts zu sehen.
Wir brauchen ein eigenständiges Programmangebot, das an vielen Stellen komplementär zum Fernsehen ist.
Florian Hager
Unter der Regie von Florian Hager ist die ARD nun gerade dabei, das konsequent zu ändern. Dass mehr und mehr Dritte ihre eigenen Mediatheken aufgeben und mit ihren Inhalten stattdessen das digitale Gemeinschaftsangebot stärken, ist dabei natürlich nur ein erster Schritt. In der ARD spricht man inzwischen von einem echten Pardigmenwechsel: Im August kündigte man an, Serien generell zuerst online in der Mediathek zu zeigen, erst im Anschluss im linearen Programm. Entwickelt werden viele serielle Stoffe nun vor allem mit Blick auf die Online-Nutzung. Erst vor wenigen Tagen kündigte die ARD auch an, dass die 50 Millionen Euro, die in den Film-Mittwoch im Ersten fließen, künftig vor allem im Hinblick auf den Erfolg in der Mediathek investieren werden sollen. Online-Erfolg first, TV-Quote second. Das ist ein wesentlicher Strategieschwenk, der ohne die Unterstützung vieler weiterer Führungspersonen im Unternehmen nicht möglich wäre. Hager aber ist das verbindende Glied zwischen TV- und Online-Welt, der die große Vision vorgibt - und alle ziehen mit.
Und Hager hat einen konkreten Plan: Jeden Monat will er vier bis sechs Highlights für die Mediathek, die keinesfalls mehr als bloßes Anhängsel des linearen Programms, als Videothek für verpasste Sendungen dienen soll. "Wir brauchen ein eigenständiges Programmangebot, das an vielen Stellen komplementär zum Fernsehen ist", sagte Florian Hager vor wenigen Wochen im Hinblick auf die Mediathek. Hager will die Mediathek zum eigenständigen Kanal ausbauen. Und mit Blick auf die sich auch bei älteren Generationen verändernden Mediennutzung - bei Jüngern hat Streaming den linearen Konsum ja ohnehin schon überholt - braucht man kein Prophet sein, um festzustellen: Es wird früher oder später auch der wichtigste Kanal sein, den die ARD haben wird. Gut, dass es endlich einen gibt, der sich mit vollem Einsatz darum kümmert.