Man kann das schnell vergessen, wenn man sich an die Schlagzeilen dieses Jahres erinnert. Doch natürlich war da mehr als nur ganz viel Corona und die US-Präsidentschaftswahl. Die Flüchtlingskrise etwa, die im Sommer vorübergehend die Agenda bestimmte. Besonders eine Journalistin war es, die in diesem Zusammenhang in Erinnerung bleibt: Isabel Schayani, die die Redaktion von WDRforyou leitet, einem mehrsprachigen Angebot für Flüchtlinge und Migranten, für ihre Beiträge bereits den Grimme-Preis erhielt.
Für einen kurzen Moment war Schayani vor laufender Kamera schlicht sprachlos – und sagte damit doch so unglaublich viel aus. Als sie im September von der Moderatorin der "Aktuellen Stunde" im WDR gefragt wurde, wie sie die Menschen nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria erlebe, schüttelte Schayani nur den Kopf und begann erst nach einigen Sekunden zu sprechen.
"Das ist jenseits von Worten", sagte die Journalistin irgendwann. "Du gehst hier rein, hinter der Polizeikontrolle. Du hörst keine Stimmen und dann liegen die da alle. Nicht Hunderte, Tausende." Schon bei ihrem letzten Besuch habe sie gedacht, es gehe nicht schlimmer. Nun sagte sie: "Das ist schlimmer." Ohne Zweifel, das war einer der eindringlichsten Fernsehmoment des Jahres, der an diesem Abend live im WDR über den Sender ging, weil er eine ungewohnte Emotionalität transportierte.
"Das ist jenseits von Worten."
Isabel Schayani
Gleichzeitig zeugte er von großer Erfahrung, schließlich war die Journalistin zuvor schon mehrfach auf Lesbos. "Es gibt Dinge, die es schwer machen, durchweg distanziert die Dinge zu betrachten", räumte Isabel Schayani wenige Tage nach ihrer bewegenden Live-Schalte gegenüber DWDL.de ein. "Verzweifelt, aufgewühlt, ausgehungert, krank, immer noch auf Deutschland hoffend, fast immer respektvoll, nur manchmal aggressiv", charakterisiert sie die Menschen in Moria. "Öfter kennen sie uns mit Namen und uns wurde sogar Tee angeboten an einem Ort, wo Wasser wirklich den Wert von Gold hat, weil es so wenig davon auf der Straße gab."
Aller Emotionalität zum Trotz, die angesichts der menschenunwürdigen Bedingungen im Flüchtlingscamp in der Schalte zum Ausdruck kam, äußerte Isabel Schayani auch Verständnis für die andere Seite. "Die griechische Bevölkerung ist zu Recht gebeutelt von uns Journalisten", erzählte sie. "Sie müssen damit klarkommen, dass sie mit dieser Katastrophe leben müssen und dann kommen diese vielen Menschen aus dem Ausland und berichten ihre Insel kaputt. Man kann gut verstehen, dass sie nicht mehr so gerne mit Journalisten sprechen."
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Dass Schayani eine gute Erklärerin ist, stellte die studierte Islamwissenschaftlerin schon bei den ZDF-Kindernachrichten "logo" unter Beweis, später auch beim Radiosender Cosmo, als Korrespondentin im ARD-Studio New York oder als Moderatorin des traditionsreichen "Weltspiegels" im Ersten. Zugleich war sie maßgeblich daran beteiligt, Anfang 2016 das Online-Portal WDRforyou aufzubauen, das zahlreichen nach Deutschland geflüchteten Menschen Orientierung brachte in einer für sie neuen Welt.
Hängen bleiben in diesem Jahr freilich trotzdem die wenigen Sekunden am Ende ihrer WDR-Schalte, in denen es Isabel Schayani gelungen ist, das oft so weit entfernt plötzlich greifbar zu machen. Professionell und menschlich zugleich. Eine kurze Sequenz, aber ein bleibender Eindruck.