Kein anderes Thema hat Österreich in den vergangenen Tagen so sehr bewegt wie das Ibiza-Video von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der kurz nach Bekanntwerden der heimlich gemachten Aufnahmen seinen Rückzug von allen politischen Ämtern angekündigt hat. Die "Ibiza-Affäre" hat zu einer veritablen Regierungskrise geführt - und hat ganz nebenbei auch Auswirkungen auf die österreichische Medienlandschaft, insbesondere den ORF. Das neue ORF-Gesetz, an den ÖVP und FPÖ derzeit arbeiten, dürfte nach dem Bruch der Koalition erst einmal auf Eis liegen. Damit steigen auch die Chancen, dass ORF-Chef Alexander Wrabetz bis zum Ende seiner Legislaturperiode im Jahr 2021 Alleingeschäftsführer bleibt. Zuletzt mehrten sich die Anzeichen, dass die österreichische Regierung einen Vierer-Vorstand im ORF installieren will. Hinfällig sind wohl nun auch die Überlegungen nach einer Abschaffung der GIS-Gebühren, die vor allem der FPÖ ein Dorn im Auge waren. Und auch auf den Stiftungsrat, das oberste Aufsichtsgremium des ORF, werden Neuwahlen wohl Auswirkungen haben. Hier sitzen auch Vertreter, die von der Regierung entsandt werden. Geht die FPÖ nach Neuwahlen in die Opposition, würde ihr Einfluss hier massiv sinken.
© ORF Eine weitere schlechte Nachricht für die FPÖ gab es kurz vor dem Ibiza-Video. Die Partei hat vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien nämlich gegen den Chef der ORF-Sendung "Report" verloren und muss ihm nun 3.500 Euro zahlen. Wolfgang Wagner (Foto) klagte gegen den FPÖ-Parlamentsklub wegen übler Nachrede: In einer Pressemitteilung Anfang Februar hatte FPÖ-Mediensprecher Hans-Jörg Jenewein Wagner scharf angegriffen und ihm "Gesinnungsjournalismus" vorgeworfen. Vom zuständigen Richter hieß es nun sehr eindeutig: "Das hat mit zulässiger Kritik gar nichts mehr zu tun." Der Anwalt der FPÖ kündigte an, gegen die Entscheidung des Gerichts in Berufung gehen zu wollen.
© Tekke / Flickr (CC BY-ND 2.0) Ein weiteres Fragezeichen tut sich durch die geplanten Neuwahlen bei einer geplanten TV-Novelle auf. Ursprünglich war geplant, dass die Medienbehörde KommAustria künftig die Reihung von Sendern mit österreichischen Inhalten in den Kabelnetzen von Magenta (früher UPC) oder A1TV vorgeben könnte. Wie "Der Standard" berichtet, endet in dieser Woche die Begutachtungsfrist für eine entsprechende Gesetzesänderung. Geht diese durch, wäre es denkbar, dass etwa oe24.tv der Mediengruppe Österreich künftig deutlich weiter vorne zu finden sein würde als bislang. Bei ProSiebenSat.1Puls4 ist man ganz offensichtlich nicht sehr begeistert ob er drohenden Veränderung. Zwar würden Puls 4 und ATV wohl auch künftig weit vorne gereiht werden, bei ProSieben oder Sat.1 wäre das aber wohl nicht so sicher. "Grundsätzlich halten wir die Idee, heimische europäische Inhalte im Wettbewerb mit globalen Internetgiganten gut auffindbar zu machen, für richtig", heißt es vom Unternehmen gegenüber dem "Standard". Und weiter: "Wir glauben, dass durch US-Giganten derzeit noch unangetastete Bereiche, wie insbesondere Kabelnetze, keiner staatlichen Regelung bedürfen, da hier ein Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit der Netzbetreiber und die Usergewohnheiten nicht nötig ist." Gut möglich aber, dass die geplante Gesetzesänderung durch die Regierungskrise jetzt gar nicht umgesetzt wird.
© ORF/Günther Pichlkostner Marin Berlakovich ist neuer Moderator des ORF-Magazins "Heimat Fremde Heimat", seinen Einstand feierte er am vergangenen Wochenende. Er wird die Sendung künftig im Wechsel mit Silvana Meixner präsentieren. Berlakovich tritt die Nachfolge von Stefan Lenglinger an, der seit einigen Wochen das Vorabend-Format "Magazin 1" in ORF 1 präsentiert. Seit 2015 arbeitet Marin Berlakovich im ORF-Landesstudio Burgenland. Zunächst war er dort Redakteur für Radio und Fernsehen in der kroatischen Volksgruppenredaktion, 2016 wurde er dann auch Moderator des kroatischen Fernsehmagazins "Dobar dan Hrvati". Seit 2017 ist er auch Moderator und Redakteur bei Radio Burgenland. Berlakovich sagt zu seinem neuen Job: "Diversität, Menschenrechte und Gleichberechtigung sind Themen, die mich als burgenländischen Kroaten schon von Kindheit an begleiten – Themen, die gleichzeitig die Säulen der traditionsreichen, jetzt mehr als 30-jährigen Sendung ‚Heimat Fremde Heimat‘ sind. Daher freue ich mich, in Zukunft als Moderator ein Abbild der Volksgruppen, der zugewanderten Gruppen sowie der Vielfalt und des Zusammenlebens in Österreich vermitteln zu dürfen."
Österreich in Zahlen
© ORF/Hans Leitner; Puls 4 Die vergangenen Tage waren auch aus Quotensicht von der Regierungskrise geprägt. Bereits am Freitag holten etwa die "ZiB 2" und die "Puls 4 News" sehr gute Werte (DWDL.de berichtete). Richtig durch die Decke gingen die Zuschauerzahlen dann am Samstag: Alleine die "Zeit im Bild" kam um 19:30 Uhr auf 1,90 Millionen Zuschauer, das war die höchste Reichweite für die Nachrichtensendung seit 2007. Der Marktanteil lag bei 68 Prozent und auch bei den 12- bis 49-Jährigen wurden extrem starke 63 Prozent gemessen. Während der Rede des Bundeskanzlers, die genau zur Sendung stattfand, sahen sogar 2,12 Millionen Menschen zu. Überhaupt war ORF 2 am Samstag der Sender der Stunde. Zwischen 10:30 und 17 Uhr lag der Marktanteil bei etwa 60 Prozent. Bei der Rede von Vizekanzler Strache sahen in der Spitze bis zu 911.000 Menschen zu. Ein "ZiB"-Special interessierte zur besten Sendezeit noch immer 1,41 Millionen Zuschauer, hier wurden 47 Prozent Marktanteil gemessen, der "Runde Tisch" kam danach auf 36 Prozent.
© Puls 4 Verglichen damit waren die Werte bei der privaten Konkurrenz mehr als enttäuschend. Puls 4 erreichte ab 10 Uhr mit einer mehr als achtstündigen Live-Sendung nur 61.000 Zuschauer, der Marktanteil in der jungen Zielgruppe lag bei 6,3 Prozent. Infochefin Corinna Milborn (Foto) war quasi rund um die Uhr auf Sendung. In der Primetime hatte der Film "Die Reise zur geheimnisvollen Insel" mit 66.000 Zuschauern noch eine etwas höhere Reichweite, mehr waren für Puls 4 an diesem geschichtsträchtigen Tag aber nicht drin.
© ORF/Thomas Ramstorfer Auch am Sonntag kam die "Zeit im Bild" auf sehr gute 50 Prozent Marktanteil, 1,40 Millionen Menschen schalteten ein. Die "ZiB 2 am Sonntag" mit Martin Thür (Foto) erzielte am späten Abend mit 1,06 Millionen Zuschauern einen neuen Bestwert, hier wurden 36 Prozent gemessen. Die anschließende Diskussion bei "Im Zentrum" erreichte mit 1,07 Millionen Zuschauern sogar noch eine etwas höhere Reichweite, hier stieg der Marktanteil auf 43 Prozent.
© ORF/Milenko Badzic Und auch am Montag hat das Strache-Video vor allem dem ORF zu richtig starken Quoten verholfen. Die "Zeit im Bild" erreichte 1,53 Millionen Zuschauer und 56 Prozent Marktanteil. Und auch ein "Report"-Special mit Susanne Schnabl (Foto), in dem der neue FPÖ-Chef Norbert Hofer zu Gast war, erreichte mehr als eine Million Zuschauer. Konkret waren es 1,26 Millionen Zuschauer, damit erreichte ORF 2 richtig gute 39 Prozent Marktanteil. Die "ZiB 2" holte im Anschluss noch 46 Prozent. Schon am Vormittag zeigte man diverse Spezial-Ausgaben der "ZiB", die allesamt sehr gefragt waren. Um 13 Uhr holte die reguläre "ZiB 13" starke 56 Prozent Marktanteil.
© Mediengruppe Österreich Die Regierungskrise hat auch dem kleinen Nachrichtensender oe24.tv zu einem neuen Rekord verholfen, am Samstag lief es für den Kanal der Mediengruppe Österreich so gut wie noch nie in seiner Geschichte. Die Durchschnitts-Reichweiten blieben zwar unter der Marke von 100.000, die Marktanteile kletterten aber bis auf 6,7 Prozent. Sonst krebst der Sender im Schnitt bei weniger als 1,0 Prozent herum. Die Nettoreichweite, also die Zahl der Zuschauer, die den Sender zumindest kurz gesehen haben, lag bei 350.000 - mehr waren es bislang noch nie. Insgesamt erreichte oe24.tv nach eigenen Angaben am Samstag einen Marktanteil in Höhe von 2 Prozent. Sehr gut lief es am Sonntag für ATV: Die Elefantenrunde zur EU-Wahl, bei der es natürlich vor allem um Strache und die Regierungskrise ging, erreichte im Schnitt 201.000 Zuschauer, damit erreichte ATV beim jungen Publikum einen guten Marktanteil in Höhe von 7,2 Prozent. Von den Werten, die der ORF in diesen Tagen erzielt, war man aber auch damit weit entfernt.
© EBU Und dann war am Wochenende ja auch noch Eurovision Song Contest, mit dem der ORF ebenfalls sehr gute Quoten einfahren konnte. 553.000 Zuschauer sahen sich im Schnitt die Präsentation der Songs an. Der Marktanteil lag damit bei 22 Prozent, in der Zielgruppe waren es 29 Prozent. Bei der Punktevergabe stieg die Reichweite auf 584.000, die Marktanteile stiegen damit auf 38 (insgesamt) und 43 Prozent (12-49).
Was noch zu sagen wäre…