Wie von RTL, dem Sender der Boulevardnachrichten und Eistanzshows, kolportiert wird, sind in Deutschland 70% der Landwirte Singles. Das ist eine erschreckende Zahl. Für einen Sender, der sich um invalide Ex-Boxer wie um Garnisonen von B- bis F-Prominenten kümmert und ihnen einen Weg aus der Aufmerksamkeitslosigkeit aufzeigt, resultiert daraus natürlich ein sozialhygienischer Auftrag. Schon die zweite Staffel von "Bauer sucht Frau" kam nun zum Finale, und in bester Dokusoap-Tradition frühstückt die Sendung das Klischee vom einsamen Bauern ab. Der tumbe Bauerntrottel ist nicht erst seit den Kung-Fu-Filmen Jackie Chans eine beliebte Anti-Figur. Im deutschen Fernsehen findet sie in der einen oder anderen Nachmittagsshow statt, oder eben in Kuppelshows. Der reizvolle Kontrast von Schmetterlingen im Bauch und Kühen auf der Weide ist auch Inhalt der, öffentlich-rechtlich-gemäßigten, NDR-Version "Land und Liebe". Bei RTL dagegen fährt die Kamera gern auf dem Misthaufen herum.
Durch Mastställe und Milchkammern führt Inka Bause, Tochter des 2003 verstorbenen DDR-Hitkomponisten Arndt Bause. Die 32-jährige kunstblonde Schlagersängerin hat in diesem Jahr ihr sechstes Schlager-Soloalbum vorgelegt - "Inkas grasgrüner Tag". Nach Moderationen in HR, MDR und ZDF (u.a. "Hüttenzauber" mit Thommy Ohrner) stand sie für die Sendung als Vermittlerin zwischen TV-Ästhetik und Bauernhofoptik. Und so ist es nicht nur Ihre Aufgabe, die Kandidaten durch die Sendung zu führen, sondern auch den vermuteten Durchschnittszuschauer. Sie steht in einem Schweinestall und spielt größtmöglichen Ekel: So wie es hier riecht, ist es ja auch schwer, eine Frau zu finden. Auch die Kandidatinnen der Sendung kommen aus Berlin oder München, sind mittleren Alters und von den Männern der Großstadt enttäuscht.
Die Treffen verlaufen nach dem Prinzip des Beschnupperns: Nach einigen Tagen "Landwirtschafts-Praktikum" entscheiden Bauer und Frau, wo es hingehen soll. Manche Kandidatin entschließt sich, im Hotel zu übernachten, andere reisen vorzeitig ab. Und es gibt natürlich auch die, die sich verlieben, unglücklich und glücklich, und am Ende der zweiten Staffel der Sendung sind zwei frische Paare zu verbuchen, was man durchaus als einen Glaubwürdigkeitspunkt verbuchen kann. Hatten doch nach den ersten Sendungen noch empörte Zuschauer geschrieben, dass sie die Kandidatinnen von der Schauspielschule kennen würden, und dass sowieso alles gestellt sei, um sich auf Kosten der Bauern zu belustigen.
Indes reist auch die eine oder andere Kandidatin, die ohne Bauernhoferfahrung skeptisch angereist war, mit gebrochenem Herzen wieder vom Hof ab. Das also gibt es auch: Bauern, denen irgendeine Frau nicht gut genug ist. Denen dann Hemdsärmeligkeit nicht mehr ausreicht. Im Umgang mit den enttäuschten Damen ergeben sich für den Zuschauer und die Betroffenen schmerzliche Dialoge. Ein O-Ton: "Hallo Tanja, hier ist Stephan." - "Hi!" - "Na, wie schaut's?" - "Wie sieht's bei dir aus?" - "Gut." - "Was heißt gut?" - "Tjo, bei mir schaut's gut aus." - "Ohne mich?" - "Joa... Auch ohne dich." - "Boah. Das ist schon hart." - "Ich hab da jetzt mal drüber nachgedacht, und die Sache mal so sacken lassen. Und, joa, ich bin eigentlich zu dem Entschluss gekommen, dass wir nicht so gut zusammen passen." Trotz tatkräftiger Mithilfe im Stall.
Während Schlagerprinzessin Bause sich bei aller Wasserstoffblondheit wacker schlägt und die Sendung einigermaßen aufrichtig präsentiert, gerät die melodramatische Aufwertung des Stoffes durch seinen Soundtrack an geschmackliche Grenzen. "Women in Love", "Tears in Heaven", "Love Hurts" plärren zu den manchmal halbdokumentarischen, manchmal ganz gestellten Szenen. Die nüchterne Komik einer gelungenen Dokusoap, bei der man den Protagonisten zuschauen kann, wie sie "unscripted" agieren und sich dabei manchmal liebenswürdig verrennen, geht dadurch verloren.
Übrigens: Der Bauernverband gibt entgegen der RTL-Zahlen an, dass 65% seiner Einzahler in die Rentenkasse verheiratet sind. Und die Landwirte selbst lassen in Internetforen kein gutes Haar an der Sendung. So wendet sich Carsten auf 'Landtreff.de' an "alle Single Landwirte da draußen" und wünscht ihnen "viel Glück bei der Partnersuche. Das könnt ihr nach dieser Sendestaffel mit Sicherheit gut gebrauchen."