Michael Schumacher hat sich selbst einmal als "typisch deutsch" bezeichnet. Er könnte recht haben. "In Kerpen ist eine Menge los", leitet Boxenreporter Kai Ebel nach Schumis letztem Rennen zu einer Schalte in den Rhein-Erft-Kreis über. Und Kerpen, das 64.000-Einwohner-Städtchen, das durch seinen berühmten Piloten international bekannt geworden ist, liegt in roten Fahnen und weint. Ein älterer Herr hat einen Ferrari-Rennhelm aufgesetzt, das Visier ist aufgeklappt, und die Tränen kullern ihm die Wangen herunter.
Die Trauer, die Schumachers Heimatstadt erfasst hat, ist an diesem Tag, seinem letzten Rennen, auch den beiden RTL-Kommentatoren Heiko Waßer und Christian Danner anzumerken. Die Chancen für einen 8. WM-Gesamtsieg Schumachers vor dem Großen Preis von Brasilien in Sao Paolo standen schlecht, nach dem Training erst recht, und so langsam scheinen die beiden Plauderer zu realisieren, dass sich nach diesem Rennen an ihrem Job etwas ändern wird. Man kann es daran festmachen, dass sie immer wieder darauf hinweisen, dass sich nichts ändern wird. "Die Formel 1 geht weiter" ist ein Satz, der an diesem Abend sehr oft fällt.
Nach wenigen Runden versucht Michael Schumacher Giancarlo Fisichella zu überholen, und sein Auto erleidet einen Reifenschaden. Für RTL ist es höchste Zeit, in die Werbung zu gehen. Die Werbepausen sind prall gefüllt. Die Zeiten verkaufen sich gut, bei Quoten, die so stabil sind wie Schumis Leistungen. 10,44 Millionen Zuschauer im Durchschnitt haben im Jahr 2001 die Formel 1 bei RTL verfolgt, in diesem Jahr werden es pro Rennen mehr als 7 Millionen sein. Das große Rätselraten über die Zukunft dieser Übertragungen hat begonnen. Ohne Superstars, das ist auch für RTL seit dem Einbruch der Einschaltquoten für Tennis ohne Boris Becker und Steffi Graf ein Erwahrungswert, wird die Formel 1 nur noch einen Bruchteil wert zu sein.
Bisher war es in der Tat eine typisch deutsche Trias: Sonntag, Schumacher, RTL. Aus Kleingärten mit Ferrari-Flaggen klang der Rennlärm, zu Kaffee und Kuchen kam man zum "Schumigucken". Rund um die Übertragung entstanden Lifestylemagazine und Specials, mit freierm Training, Abschlusstraining, Warm Up und Nachberichterstattung füllte das Renngeschehen einen Programmvolumen wie keine andere Sportart. Und wie keine zweite hing dieser Tross - vom Kerpener Kneipenwirt bei Kai Ebel - an einem Mann.
Ein Mann, der früher als erwartet keine Lust mehr hat, früher als es dem Fernsehen möglich war, eine ebenbürtige Leitfigur aufzubauen. "Zu früh", da sind sich Heiko Waßer und Christian Danner ausnahmsweise mal einig. Nach 71 Rennrunden und ungezählen Werbespots plus Splitscreen-Werbung ist der Große Preis von Brasilien beendet, und damit auch die große Zeit der Formel 1 bei RTL. Zum Schluss gibt es für alle die Schumi-CD "Stand Up for the Champion" mit Xavier Naidoo, Modern Talking und den Scorpions. Er war wohl wirklich ein deutsches Phänomen.