Foto: ARDGinge es nach Robert Gorski, so wäre das WM-Finale gestern abend völlig anders verlaufen. Nicht für Franzosen oder Italiener, auch nicht für des Zufalls glückliche Auserwählte, die im Stadion saßen. Aber nach dem Willen von Robert Gorski hätten die Fernsehzuschauer der ARD ein völlig anderes Spiel erlebt, eines ohne die Worte von Reinhold Beckmann.

Gorski nämlich hat Unterschriften gesammelt in einem der längst massenfähig gewordenen Programmplebiszite im Internet; die rigide Aufforderung "Stoppt Beckmann" unterschrieben immerhin rund 6000 Personen. Seine Internetseite ermittelte als die bessere Alternative hingegen Harald Schmidt, für den in einer eigenen Umfrage 62% der Besucher der Seite stimmten.

Während sich hinter die deutsche Nationalmannschaft im Laufe der Weltmeisterschaft ein stimmgewaltiger Chor gestellt hat, der von Oliver Pocher bis Günter Grass reichte, blieb die Frage nach dem richtigen Fernsehpersonal polarisierend. Laut einer Forsa-Umfrage hat das ZDF am die Zuschauer am ehesten überzeugt, RTL und die ARD liegen knapp dahinter.

Foto: ZDFUnter dem aufgefächerten Zeltdach im Sony Center am Potsdamer Platz fand das Zweite eine adäquate Kulisse, um ihre "Viererkette" auflaufen zu lassen, die Kommentatoren-Formation, die nach vier Wochen das meiste Lob verbuchen konnte. Die ungewöhnliche Entscheidung, mit Urs Meier einen Schiedsrichter zur Spielanalyse heranzuziehen, wurde aus mehreren Gründen zum Erfolg: Meier fand gute Gründe für die vielen Fehlentscheidungen der Referees, fieberte als Schweizer mit einer der Überraschungsmannschaften des Turniers mit und wurde zum kongenialen Duellanten von Jürgen Klopp. "Kloppo" hat als Junger Wilder während des Turniers wohl den größten Bekanntheitssprung gemacht, und fiel weniger durch seine wiederholten Super-Geil-Sätze auf, denn durch eine Streitlust, die selbst die Moderationen Johannes B. Kerners erträglich machte.

Während das ZDF so den Kommentator der Klinsmann-Zeit fand, blieb man im Ersten bei einem bewährten Gespann. Delling/Netzer war schon zu Völler/Skibbe-Zeiten ein unbestrittenes Dreamteam, und mit Erleichterung ließ sich feststellen, dass Halbkomödiant Gerhard Delling sich diesmal mehr aus dem enzyklopädischen Fundus bediente als aus seiner Kiste voll halbgarer Wortspiele. Dem Reiz des ironisierten Geplauders tat es keinen Abrruch; die Nachfolger von Waldof und Statler zeigten eine routinierte Vorstellung. Das prunkvolle Kölner Studio allerdings schien etwas zu weit abseits der Pulsadern der WM, erst zur KO-Runde nahmen die beiden im Stadion platz. Dafür wurden die Berlin-Schalten der ARD zum Erlebnis: Mit unübertroffener Grazie transportierte Monica Lierhaus etwas von der Sommerfrische, die die Haupstadt pünktlich zum Eröffnungsspiel erreicht hatte.

Foto: DWDLAuf der glühenden Straße des 17. Juni, der schwarz-rot-goldenen Hauptachse Berlins, fand mit RTL auch der dritte Free-TV-Sender seinen Platz. Schon vor dem Turnier wurde deutlich, dass man sich mit aller Kraft als echter WM-Sender positionieren wollte. So wirkte das Team um Günter Jauch und Rudi Völler etwas übermotiviert. Zwischen den beiden fehlte es an Eingespieltheit, in der Gesamtformation mit Größen wie Reiner Calmund und Ulrike von der Groeben passte RTL zwar gut in die bierselige Überschwenglichkeit der Fan-Meile, wie die Massen lag der Sender in der Tonlage dann und wann daneben. Immerhin kam Freude darüber auf, wie wenig Spots und peinliche Gewinnspiele das Spektakel störten.

Aber: RTL kann zufrieden sein. Ganz frisch ist die Erkenntnis, dass ein dritter Platz schöner sein kann als ein erster, wie die Devise, dass jeder Fehler eben einmal gemacht werden muss. Die Weltmeisterschaft stand nicht im Zeichen ihrer Kommentatoren, nicht im Zeichen der Zweitverwertung, sondern sie schuf viele kleine Stadien, in denen einer Leinwand applaudiert wurde. Die Präsentation eines Über-Events ist, alles in allem, gut geglückt, und trotzdem war sie selten so unwichtig. Die große Entdeckung dieses Sommers ist Public Viewing. Die Erfahrung, ein großes Erlebnis zu teilen und ein Teil davon zu sein. Und lauter zu singen, als Reinhold Beckmann spricht.