Sie zeigen es allen

Foto: sendungsbewusstseinIch war auf einer Klassenfahrt in Österreich. Ein Ausflug ins Bergwerk, dann die Heimkehr in die gemütliche Jugendherberge. Wir saßen beim Abendessen, die Schulklasse aus Berlin vor dem Fernseher. Ob sie denn nichts zu Abend essen würden, fragte unser Klassenlehrer nach. Dann blieb er stehen. Der Rest des Abends gehörte Peter Kloeppel.

Zwei Türme mitten in New York stürzen ein und verantwortlich sind Terroristen - das roch nach Krise. Was uns aber wirklich demonstrierte, wie dramatisch dieser Tag auf das Weltgeschehen Einfluss nehmen würde, war die Berichterstattung im Fernsehen. Ohne Pause führte - beispielhaft - Peter Kloeppel durch die 9/11-Berichterstattung und wurde dafür mitdem Grimme-Preis „Spezial“. Die Begründung liest sich wie eine Zielformulierung für die Breaking News des 21. Jahrhunderts:

"Die Katastrophe ist da, die Bilder sind da, 'RTL Aktuell' ist da. Peter Kloeppel moderiert,  Volker Weicker führt Regie. Ihre Reaktion ist journalistisch, ihre Redaktion ist angemessen ... Schnell wird das Ziel von Moderation und Regie klar: Zeigen, was ist, erklären, was zu erklären möglich ist, Kontakt herstellen zwischen den Menschen vor dem Bildschirm, die den Horror sehen, und den New Yorkern, die den Horror erleben. Kloeppel und Weicker öffnen für den Zuschauer den Blick nach Amerika ... Das Medium, heißt es gerne und oft, das Medium Fernsehen 'is bigger than life'; Peter Kloeppel, Volker Weicker und 'RTL Aktuell'; am 11.Septemer 2001: less than that. Journalistisch, unheroisch, menschlich."

Natürlich mussten auch die News-Kanäle n-tv und N24, die Öffentlich-Rechtlichen und eigentlich alle Sender eine adäquate Lösung finden, schließlich tauchte der 3. Weltkrieg schemenhaft am Horizont auf. Und war für viele Menschen in den folgenden Tagen und Wochen Grund genug, die Sehgewohnheiten umzustellen. Breaking News - das war nicht mehr Phoenix mit Ausschnitten aus der Haushaltsdebatte des Bundeverkehrsministeriums, das war jetzt RTL mit brennenden Türmen, später mit Bombern über Afghanistan und dem Irak.

Ich tue Peter Kloeppel ein Bisschen unrecht -  er war auch schon vor dem 11. September ein beliebter und gerngesehener Sprecher - nein: Anchorman. Was ist der Unterschied? Der Sprecher erzählt uns von Osama Bin Laden. Der Anchor Man, in der Sendung und ihrer Thematik verankert, hasst Osama Bin Laden. Er will ihn finden. Peter Kloeppel wollte Osama Bin Laden finden - oder zumindest den Verantwortlichen für die Terroranschläge.  Und er war Projektionsfläche für die Nachrichtenpanik der Bevölkerung. Ein Sprecher hätte sie verwirrt. Ein Anchor Man gab ihr Halt. Was passiert war, war nicht in Worte zu fassen. Dafür braucht man starke Männer.

Drei Jahre später moderiert Peter Kloeppel immer noch „RTL aktuell“. Zwischendurch gab es mal ein Kanzlerduell, in dem  er mit Peter Limbourg Gerhard Schröder und Edmund Stoiber befragte. Ansonsten aber steht er just in time fest verankert in die warmen Farben des RTL-Newsstudios. Der Unterschied zu 2001 liegt nicht in der Themenwahl – wer käme an Beslan, Gaza oder Nadschaf vorbei, wer muss nicht seinen Schwerpunkt legen in die Vermittlung, wenn zwischen Brandherden und Gesetzesnovellen der Überblick verloren geht? Der Unterschied zu 2001 liegt in der Besetzung der Konkurrenz. Da sei zunächst Claus Kleber genannt, der Peter Kloeppel des ZDF, vielleicht etwas sympathischer, noch etwas kompetenter. Und, seit einigen Tagen fällt auch dieser Name immer wieder, Thomas Kausch, der es für Sat.1 jetzt allen zeigen will.

In den USA kam am 9. Juli diesen Jahres ein Film mit dem Titel „the anchorman“ in die Kinos. Eine Klamotte zwar, Will Ferrell in der Hauptrolle. Aber der Untertitel lautete: „They bring you the news – so you don’t have to get it yourself.“