Alles auf einen Blick dank "TV Digital"? Gut gemeint, aber...
Schritt für Schritt hat Premiere im vergangenen Jahr die Attraktivität aus seinem kostenlosen Programmheft gesaugt. Das Format wurde auf A5 halbiert, die Tagesempfehlungen wurden eingespart, die Kurzbeschreibungen zur alphabetischen Film-Auflistung fielen unter den Tisch. Und nun wurde die Zeitschrift ganz gestrichen.
Das war offenbar von langer Hand geplant, denn bereits im vergangenen Herbst wurden Abonnenten verwirrt durch den Start eines zweiten Magazins, das nicht nur die rund dreißig Premiere-Sender, sondern auch alle anderen Kanäle von ARD bis Super RTL auflistet. Der Name "TV Komplett" durfte nach gerichtlichen Verfügungen durch Mitbewerber nicht beibehalten werden (da einige Spartensender fehlten, was eben nicht "komplett" sei), und als vorübergehender Ersatz wurde das ulkige "TV Kofler" gewählt - nach Georg Kofler, dem Chef von Premiere. Kaum hatte man sich an den neuen Namen gewöhnt, gab es die nächste Änderung: Das Magazin wurde eingestellt; stattdessen brachte Springer im März 2004 die neue Zeitschrift "TV Digital" auf den Markt.
Sie erscheint alle vierzehn Tage und kostet 1,40 Euro. Die Startausgabe war 242 Seiten stark; die Folgehefte haben den gleichen Umfang. Das klingt nach viel Platz für das Fernsehprogramm. Doch es ist zu wenig: Magazine wie "TV Movie" haben ebenso viele Seiten, müssen jedoch nur halb so viele Sender betreuen. Zwölf Seiten genügen, um in "TV-Movie" das Fernsehprogramm eines Tages ohne Premiere ausreichend zu beschreiben: zwei Doppelseiten für die Programmübersicht, drei bis fünf Seiten für Spielfilm-Tips (die sogenannten Vorschaltseiten) und eine weitere Doppelseite für die Sparten-Empfehlungen - Serien, Reportagen, Sport.
"TV Digital" braucht vier Doppelseiten, um die Übersicht aller Sender abzudrucken. Und scheitert bereits daran: Bei vielen Sendern ist um 1 Uhr nachts Schluß; der Leser muß sich mit dem Begriff "Nachtprogramm" begnügen. Zuweilen berücksichtigt die Auflistung nur den Zeitraum von 17 bis 23 Uhr, was gerade einem Viertel des Tages entspricht. Das ist eine schwache Leistung für eine Zeitschrift, deren einzige Aufgabe es ist, das Fernsehprogramm vorzustellen. Auf der fünften Doppelseite gibt es Empfehlungen für Sparten-Sendungen; auf der sechsten stehen die Spielfilm-Vorschläge. Das würde nicht einmal genügen, um das normale Fernsehprogramm angemessen vorzustellen. Selbst zum Ostersonntag wurden die Spielfilme auf eine Doppelseite gequetscht. Zum Vergleich: "TV Movie" nahm sich sieben Seiten dafür, ohne Premiere (für das es nur ein nutzloses Alibi-Fleckchen gibt).
Viele Premiere-Filme werden bis zu einem Dutzend Mal im Monat ausgestrahlt. Das Premiere-Programmheft bot eine alphabetische Auflistung aller Filme mit Sendeterminen. Das ist hilfreich, um zu prüfen, wann man Ersatz für einen verpaßten Film findet oder ob ein Streifen derzeit überhaupt ausgestrahlt wird. Dieser Service fehlt in "TV Digital", genau wie Hinweise auf besondere Zusammenstellungen, die früher im Gratis-Magazin abgedruckt waren. Denn häufig werden Filme zu einem Thema gebündelt: Mal laufen an einem Abend drei Filme mit Charles Bronson, mal werden alle "Star-Wars"-Filme hintereinander ausgestrahlt, und mal kommen zehn "Columbo"-Filme hintereinander. Eine separate Auflistung würde helfen, solche Spezialitäten nicht zu verpassen.
Da Premiere-Abonnenten künftig kein Gratis-Programmheft mehr erhalten, ist damit zu rechnen, daß andere Verlage ihre Chance nutzen werden. "TV Spielfilm" bietet bereits eine Plus-Ausgabe mit Premiere-Teil an, die aber noch enttäuschender ist als die von "TV Digital". Sie wird außerdem nur per Abonnement vertrieben, was das Testen erschwert. Ab Juni können Bezieher von Bauer-Magazinen wie "TV Movie", "TV 14" und "Fernsehwoche" die kostenlose Premiere-Beilage "tv top" erhalten. Doch ein Umfang von 60 Seiten für vierzehn Tage läßt ebenfalls nur Basisangaben vermuten. Allein am Bildschirm existiert ein vollständiges Premiere-Programm - im kostenpflichtigen Plus-Paket der Software "TV Genial". Insgesamt mangelt es weiterhin an einem angemessenen Programmführer für eine Zielgruppe, der ihr Fernsehprogramm neben der GEZ- und eventuellen Kabel-Gebühr monatlich bis zu 45 Euro wert ist.