Das neue Premiere- Progammheft "tv komplett"

Foto: PremiereDie neue Programmzeitschrift aus dem Hause der Premiere Verlag GmbH hat schon vor dem Start für viel Aufregung gesorgt: Gleich mehrere Konkurrenten versuchten in der Woche vor dem Erscheinungstermin mit juristischen Mitteln gegen die Veröffentlichung vorzugehen. Ihre Beschwerden sind vielseitig, manche jedoch häufen sich: So sei der Name „tv komplett“ irreführend, weil gar nicht alle Programme gelistet würden.

Interessant ist dabei die Frage, ob sich die Bauer Verlagsgruppe, die mit einer Einstweiligen Verfügung gegen den Namen der neuen Premiere-Zeitschrift vorgeht, schon mal einen Blick auf das eigene Portfolio geworfen hat. Ob das Bauer-Programmie „Auf einen Blick“ dem Namen gerecht wird, ist nämlich keine minder interessante Frage. Auffällig auch: Obwohl Konzept und Name schon seit Wochen bekannt sind, meldet sich die Konkurrenz kurz vor dem Start zu Wort: Ein Schelm, wer hier Taktik vermutet.

Bislang erhielten die knapp 2,7 Millionen Kunden des PayTV-Anbieters ein kostenloses Programmheft, welches sich auf die Programminfos zu den Premiere-Sendern beschränkte. Unter Federführung von Dr. Georg Kofler, Chef von Premiere, will man jetzt mit dem umfassenderen „tv komplett“ auch Nicht-Premiere-Kunden angeln: Die Programmzeitschrift soll auch an Kiosken in den Einzelverkauf gehen. Ob der Titel der Zeitschrift sich aufgrund der rechtlichen Verfügungen noch ändert oder nicht: Im folgenden sei die Premiere-Zeitschrift „tv komplett“ genannt.

Nichts Neues bei der Optik

Ein Redakteur in Nöten: Bei der Beurteilung des Covers von „tv komplett“ obliegt es allein des Wohlwollens, ob man schlichte Eleganz und Übersichtlichkeit lobt oder den billigen Eindruck kritisiert. Die Optik des aufgeräumten Titelbild der Erstausgabe wirkt leider wie die einer Nullnummer. Vielleicht würde das Covergirl für die nüchterne Aufmachung entschädigen, wenn nicht mit Jaime Pressly eine nahezu unbekannte Schauspielerin das Cover besetzen würde.

Beim Durchblättern des Magazins erreicht die Ernüchterung einen weiteren Höhepunkt: Der Innenteil des Magazins wurde grafisch allenfalls in Details überarbeitet. Für Premiere-Abonnenten, die das bisherige Magazin somit ebenfalls kennen, gibt es somit keine Überraschungen. Auffällig hingegen, weil jetzt rechtlich notwendig, die Kennzeichnung „Anzeige“ bei allen Seiten über Premiere-Aktionen und –tarife. Der angekündigte Mantelteil mit Entertaiment-Themen beschränkt sich auf magere sechs Seiten. Als Magazin betrachtet kann „tv komplett“ somit den hohen Erwartungen nicht gerecht werden.

Keine Konkurrenz für etablierte 14-tägliche Progammies

Doch bleibt noch das Herzstück einer jeden Programmzeitschrift: Der Programmteil. Hier könnte „tv komplett“ punkten und den Kaufpreis von 1,25 Euro, den Abonnenten in Zukunft dafür bezahlen sollen, rechtfertigen. Leider jedoch hat man auch hier eine Chance vertan. Zweifelsohne ist das neue Programmheft für den schnellen Überblick geeignet und die Zusammenlegung von digitalen und analogen Programmlistings in einer Zeitschrift ist ebenfalls eine ehrenhafte Idee. Doch die Umsetzung kann nicht vollends überzeugen. Am Schlimmsten für Premiere aber: Es ist mit Sicherheit keine ernsthafte Konkurrenz für etablierte 14-tägliche Programmzeitschriften.

Jedem Tag widmet „tv komplett“ bis zu elf Seiten. Acht Seiten umfassen davon die Listings der Sender. Nach den zwei bisherigen „Premiere“-Doppelseiten folgen dann zwei Doppelseiten mit den Programm von 42 weiteren Sendern. Auf der ersten neuen Doppelseite haben ARD, ZDF, RTL, SAT.1, ProSieben, Kabel 1, RTL II, Super RTL, VOX und 3sat ihren Platz gefunden. Auf der letzten Doppelseite quetschen sich dann leider 32 Programme: Optisch billig und inhaltlich unvollständig. Bei den dritten Programmen der ARD fehlt durch die Bank das Frühprogramm, von vielen Sendern sind gar nur wenige Stunden abgedruckt.

Für Verwirrung sorgt auch die Auswahl der Sender: Während Shoppingsender wie QVC und Home Shopping Europe berücksichtigt wurden und mit Sonnenklar TV auch ein Reiseshopping-Sender dabei ist, fehlen hingegen viele Digitalsender, die man sich in einer solchen umfassenden Zeitschrift gewünscht hätte.

Premiere-Sender bevorzugt

Abhängig vom Wochentag gibt es zu den Programmlisten auch zwei bzw. drei Seiten mit Fernsehtipps zum Tage. Gespannt waren Konkurrenten und Presse hier auf die Lösung des Interessenkonfliktes: Wird im Premiere-Programmheft tatsächlich ein ProSieben-Blockbuster angepriesen, wenn zeitgleich Premiere einen Neustart zeigt? Nein sie tun es nicht.

Zwar werden auch die Highlights anderer Sender angekündigt und bei den TV-Tipps zum jeweiligen Tag berücksicht. Aber der Top-Spielfilm des Tages, der stets mit größtem Bild und längstem Text promotet wird, stammt grundsätzlich von Premiere. Zur leichteren optischen Unterscheidung zwischen Premiere-Sendungen und Formaten anderer Sender, wurden verschiedenfarbige Grafiken verwendet.

Bei den Filmbesprechungen offenbart sich ein weitere Grund, wieso „tv komplett“ zwar einen schnellen Überblick verschafft, aber darüber hinaus keine Konkurrenz für „TV Movie“, „TV Spielfilm“ und Co. ist: Wie schon bisher, wird auch in Zukunft kein Spielfilm bewertet. Ein kurzgefasstes Fazit fasst den Film zwar zusammen, aber lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wie gut er wirklich ist. Hier bieten andere 14-tägliche Programmzeitschriften eine bessere Entscheidungshilfe.

"Gut gemeint - schlecht gemacht"

Ob sich jetzt so mancher Konkurrent ärgert, diesem schwachen Heft mit einer Klage soviel kostenlose PR bereitet zu haben? In jedem Fall kann „tv komplett“ die hohen Erwartungen, die durch den juristischen Wirbel nicht gerade geschmälert wurden, nicht erfüllen. Als weiterhin kostenloses Magazin für Abonnenten mag das Heft ein gutes Angebot sein. Doch wieso ein Kunde am Kiosk zu „tv komplett“ greifen sollte, wenn er kein Premiere zuhause hat, bleibt die große Frage. Bei anderen Programmzeitschriften findet er das Programm in wesentlich ausführlicherer Form zum gleichen Preis. „tv komplett“ ist ein Beispiel der Kategorie „Gut gemeint – schlecht gemacht“.