Während die Fernsehbranche bei bisherigen technologischen Übergängen wie beispielsweise der Analog-Abschaltung stets koordiniert vorging und an einem Strang zog, wird die Abschaltung der Verbreitung im herkömmlichen SD-Standard via Satellit diesmal nicht in einem gemeinsamen Schritt erfolgen - das dürfte in jedem Fall feststehen. Zu unterschiedlich sind die Voraussetzungen und Interessen von Öffentlich-Rechtlichen und Privaten in diesem Punkt, wie auch bei der Panel-Diskussion auf der ANGA COM am Mittwoch in Köln deutlich wurde.
Wolfgang Wagner, Direktor Produktion und Technik beim WDR, machte für die ARD deutlich, dass man weiterhin von einem SD-Switchoff im kommenden Jahr ausgeht. Aktuell entfalle bereits knapp 80 Prozent der Fernsehnutzung der Öffentlich-Rechtlichen via Satellit auf die HD-Kanäle, nur noch 20 Prozent auf SD. Die teure doppelte Verbreitung würde man sich daher lieber früher als später sparen. Ähnlich wie bei der Analog-Abschaltung halte man die Voraussetzungen für einen solchen Schritt für gegeben, wenn die Nutzung bei 90 Prozent liegt - und das sieht man als erreichbar an, wenn man entsprechend nochmal in den eigenen Programmen für den Umstieg trommelt. Technisch seien ohnehin längst über 95 Prozent der Haushalte in der Lage, HD zu empfangen.
"Es läuft alles darauf hinaus, dass wir mutig vorangehen werden", so Wagner, der gegenwärtig mit einem Zeitpunkt im zweiten Halbjahr 2020 rechnet. Noch sei aber keine konkrete Entscheidung gefallen, wie auch ZDF-Produktionsdirektor Michael Rombach betonte, der sich generell etwas zurückhaltender äußerte. "Auch wir würden unser Geld lieber in Content als in Simulcast stecken", sagte Rombach, gab aber zu bedenken, dass es immer noch Millionen Haushalte seien, die derzeit ihr TV-Signal via Satellit in SD empfangen. Auch viele Gemeinschaftsanlagen seien betroffen, die schwerer umzurüsten seien. Das ZDF wolle die Situation daher zunächst sorgfältig beobachten. "Wir sind progressiv, aber nicht leichtfertig", sagte Rombach.
Allerdings ist durchaus zu erwarten, dass die KEF, die die Finanzplanungen von ARD und ZDF prüft und überarbeitet, den öffentlich-rechtlichen Sendern das Budget für die SD-Verbreitung für die nächste Beitragsperiode kurzerhand streicht - das dürfte die Entscheidung für ein Ende der SD-Verbreitung via Satellit wohl ohnehin nahelegen. Ganz anders sieht es bei den Privatsendern aus. Weil fast alle Privaten anders als die öffentlich-rechtlichen ihre HD-Sender nicht frei empfangbar anbieten, sondern nur gegen Gebühr bei den Anbietern HD+, Diveo und Freenet, entfällt dort der Großteil der Nutzung noch immer auf die kostenfreien SD-Sender. Die Rede war auf dem Panel von lediglich gut 20 Prozent HD-Nutzung.
Naheliegenderweise können die Privaten also nicht einfach so auf die SD-Verbreitung verzichten, wenn sie nicht auf einen Schlag einen Großteil ihrer Reichweite einbüßen wollen. Bis 2022 sind sie aus regulatorischen Gründen ohnehin verpflichtet, ihr Signal unverschlüsselt via SD zu verbreiten - und auch darüber hinaus wollte Nicole Agudo-Berbel, Chief Distribution Officer von ProSiebenSat.1, sich auf keinerlei Zeitpunkt festlegen, wann man mit einem solchen Switchoff rechnen könnte - "ganz sicherlich aber nicht mit einem solch kurzen Horizont". Zuvor wäre ein gewaltiger Wachstumsschub für die kostenpflichtigen HD-Angebote der Sender nötig. Doch wo soll der herkommen?
Die Öffnung des Marktes im vergangenen Jahr, als neben dem Platzhirschen HD+ auch Diveo und Freenet in die Vermarktung der HD-Sender der Privaten via Satellit eingestiegen sind, hat jedenfalls offenbar noch nicht dazu geführt, dass sich das Wachstum beschleunigt hat. "Insgesamt geht es mit den HD-Abonnenten aufwärts, aber die Wachstumskurve ist abgeflacht, es geht also nicht mehr so stark nach oben wie in den ersten Jahren", so Agudo-Berbel. Angesichts einer Marktdurchdringung von nur 20 Prozent wäre das aber dringend nötig. Impulse erhofft man sich bei ProSiebenSat.1 nun beispielsweise von UHD, in das man investiere, um mehr Menschen davon zu überzeugen, für eine bessere Bildqualität zu zahlen. Bei HD+ erhofft man den nächsten Wachstumsschub nun bekanntlich dadurch, dass das Angebot auf neuen Fernsehern nun ohne Set-Top-Box nutzbar ist. Hier ist man aber erst ganz neu am Markt, wieviel das wirklich bringt, bleibt also einstweilen Spekulation.
Zahlen, wie viele HD-Abonnenten Diveo und Freenet im ersten Jahr am Markt gewonnen haben, geben beide Unternehmen unterdessen nicht heraus, auch HD+ veröffentlicht seit nunmehr zwei Jahren nun keine neuen Zahlen mehr. Die Tatsache, dass sowohl von Freenet als auch von Diveo auf der ANGA COM mehrfach die Klage zu hören war, dass die Privaten nicht genug für ihre HD-Angebote trommeln, legt aber schon nahe, dass die Abo-Zahlen auch dort noch viel Luft nach oben lassen.