Das Thema Streaming nimmt in diesem Jahr bei der ANGA COM einen breiten Raum in den Diskussionen ein. Kein Wunder, schließlich wollen es RTL und ProSiebenSat.1 noch einmal wissen und mit eigenen Angeboten den vorwiegend amerikanischen Playern Beine machen. Dass der Streaming-Trend auch von Deutschland hätte ausgehen können, ist kein Geheimnis, schließlich hat Maxdome schon gestreamt, als Netflix noch DVDs verschickte, wie auch Conrad Albert einräumen musste. "In der Tat waren wir mit dem Produkt 2005/2006 der Zeit voraus", sagte der ProSiebenSat.1-Vorstand auf dem von DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath moderierten Mediengipfel in Köln. "Wir sind damals sicherlich nicht konsequent genug gewesen."
Mit dem 7TV-Nachfolger Joyn, den ProSiebenSat.1 zusammen mit Discovery noch in diesem Monat auf den Markt bringen wird, werde man allerdings "all in gehen", beteuerte Albert, und zwar "ohne Zaudern und ohne Zögern". Er gehe davon aus, dass die Nutzer in Zukunft zwei bis drei Abos haben werden und zeigte sich davon überzeugt, dass Platz für einen "Local Hero" gebe - eine Rolle, in der Albert freilich Joyn sieht. Doch der ProSiebenSat.1-Vorstand weiß, dass es nur einen begrenzten Platz im Kampf um die Aufmerksamkeit der Nutzer gibt. Allerdings sei der Bewegtbildkonsum heute stärker als je zuvor, sagte Albert.
Genau davon will auch Amazon profitieren, auch wenn man sich auf neue Wettbewerber einstellen muss. Christoph Schneider, Geschäftsführer von Prime Video Deutschland, gab sich allerdings betont entspannt. Die Branche werde durch ihre zu erwartenden Werbeaufwendungen der Konkurrenz noch einmal einen Sprung machen. "Es gibt noch sehr viele Haushalte in Deutschland, die noch keine Streamer sind. Da ist noch viel Potenzial", so Schneider auf der ANGA COM. "Deswegen glaube ich, dass wir von dem Sprung profitieren werden." Im Auge hat er dabei vor allem die älteren Zuschauer – und damit auch jene, die das ZDF bislang mit seinem Programm sehr stark anspricht. "Keiner von uns hier ist richtig gelassen", räumte dann auch ZDF-Intendant Thomas Bellut mit Blick auf die Veränderungen des Marktes ein.
Anders als früher arbeite man inzwischen mit fast allen Konkurrenten zusammen und habe auch "keinerlei Hemmungen". Bellut warnte aber vor einer Verwässerung: "Wir müssen aufpassen, dass wir erkennbar bleiben", sagte der Intendant. "Es wird für alle Sender immer schwieriger, das eigene Profil zu behalten." Konkurrenz belebe letztlich aber auch die eigenen Fähigkeiten. "Wir sind fest entschlossen, das Feld nicht der Konkurrenz zu überlassen. Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir da nicht etwas verlieren", so Bellut mit Blick auf den Streamingbereich, in den man ebenfalls verstärkt investiere. So sei "Bad Banks" im Digitalen bereits fast so stark gewesen wie im Linearen.
Spannend dürfte die weitere Streaming-Entwicklung aber auch für den Werbemarkt werden, immerhin kommen Netflix und Prime Video bislang ganz ohne Werbung aus. Matthias Dang, Geschäftsführer des RTL-Vermarkters IP Deutschland, äußerte auf dem ANGA-Mediengipfel jedoch den Verdacht, dass das nicht auf Dauer so bleiben wird – und musste einen direkten Konter von Prime-Video-Chef Christoph Schneider hinnehmen. "Prime Video ist und bleibt werbefrei", sagte Schneider eindeutig. Wenn es, wie in den USA, irgendwann ein werbefinanziertes Streaming-Angebot von Amazon geben sollte, dann nur separat und als eigenständiges Angebot.
Gut ist der Wettbewerb in jedem Fall für Produzenten, wie auch Christian Franckenstein betonte. "Wir können rundum zufrieden sein", sagte der Bavaria-Film-Vorstandsvorsitzende, der auch im Gesamtvorstand der Produzentenallianz sitzt. "Für die deutsche Film- und Fernsehproduzentenlandschaft hat es noch niemals mehr potenzielle Kunden gegeben als heute." Der lange geschützte deutsche Markt sei zu einem globalen Markt geworden, wodurch sich eine Chance biete, die Inhalte global zu verwerten. Andererseits sprach Franckenstein von einer "deutlichen Strapazierung der Branche", weil die benötigte Menge an Inhalten in der benötigten Qualität so schnell nicht reproduzierbar sei.
Es gebe daher Ressourcenengpäss, die wiederum zu deutlichen Kostensteigerungen führten, die man nur bedingt weitergeben könne. "Der Fuchs läuft in den Hühnerstall und alle sind ganz aufgeregt", kommentierte Franckenstein die Situation. Der eigentliche Wandel sei allerdings gar nicht durch den Eintritt der Streamer gekommen, sondern durch die Digitalisierung, die alles auf den Kopf gestellt habe. Das wiederum dürfte eine Botschaft sein, die Vodafone-Deutschland-Chef Manuel Cubero gerne vernommen hat. Cubero betonte, dass es immer mehr Programme in immer höherer Auflösung gebe. "Die Nachfrage nach superschnellen Gigabit-Anschlüssen ist höher denn je." Davon will sein Haus auch in Zukunft durch Partnerschaften profitieren.
Bei so viel Streaming geriet das klassische Free-TV beim Mediengipfel auf der ANGA COM beinahe in Vergessenheit – wäre da nicht Kathleen Finch gewesen, die bei Discovery als Chief Lifestyle Brands Officer arbeitet und in diesen Tagen den Sender Home & Garden TV nach Deutschland bringt. "Wir glauben weiter an das Free-TV", sagte Finch und zählte die Möglichkeiten auf, die der Special-Interest-Sender bietet – von einem eigenen Magazin bis hin zu Produkten aus dem Haus- und Gartenbereich. Es dreht sich eben doch nicht alles nur um Netflix, Amazon und Joyn.