Im vergangenen Jahr diskutierte die Branche auf der ANGA Cable eifrig über HbbTV und Over-the-top-TV - also den Empfang beispielsweise von Internet-Inhalten und die Bereitstellung neuer Anwendungen über den Fernseher. Weil viele Hersteller entsprechende Funktionen bereits in ihren Fernseher eingebaut haben, ist dieses Thema freilich kein Schnee von gestern und fand auch in diesem Jahr entsprechende Erwähnung auf dem Kongress. Inzwischen wird allerdings zunehmend versucht, den Begriff Smart TV für diese Angebote zu etablieren. Doch wie auch immer man das Kind nennt: Bei den Zuschauern ist Smart TV noch längst nicht angekommen.
Dass etwa RTL derzeit nur auf vergleichsweise wenigen Endgeräten mit diesem Standard vertreten ist, hängt auch mit weiteren Forderungen zusammen, die der Sender zur Absicherungen seines Geschäftsmodell äußert. Es gehe darum, sowohl Werbekunden als auch Zuschauer zufriedenzustellen, sagte Marcus Dimpfel, Bereichsleiter Strategische Unternehmensentwicklung der Mediengruppe RTL Deutschland, auf der ANGA Cable. "Es handelt sich dabei um ein relativ sensibles Ökosystem." Schwierig werde es vor allem, wenn Zuschauer die Internetangebot auf dem Fernseher nutzen, um die Werbepausen zu überbrücken.
Das aber tun die Zuschauer freilich jedoch häufig schon jetzt - nur eben auf Laptop oder PC. Oder sie verwenden den guten, alten Teletext, den HbbTV langfristig bekanntlich ablösen soll. Zunächst müsse sichergestellt werden, dass die HbbTV-Technik nicht dafür verwendet wird, die TV-Werbung zu überblenden oder kleinzuskalieren. "Wenn die Werbung nicht mehr konsumiert wird, bricht das System zusammen", so Dimpel, der zugleich jedoch betonte, weiter zu HbbTV zu stehen und neue Angebote entwickeln zu wollen. Michael Albrecht, ARD-Koordinator DVB, betonte allerdings, dass auch die Öffentlich-Rechtlichen mit Restriktionen zu leben hätten, beispielsweise die Regelung, dass viele Sendungen online nur sieben Tage abrufbar seien oder den Drei-Stufen-Test überstehen müssten.
"Wir wollen ein Angebot machen, das nicht am Kunden vorbeigeht", sagte Albrecht zu den HbbTV-Plänen der ARD. Dafür müssten Hürden abgebaut werden. Und: "Die Attraktivität der Inhalte ist zweifelsohne entscheidend." Doch auch daran hapert es häufig noch - und selbst wenn sie gut sind, sind sie über den Fernsehen heute oft noch schwer zu erreichen. Hier sieht auch Gerhard Schaas, Vorstandsvorsitzender des Branchenverbands Deutsche TV-Plattform, Handlungsbedarf. "Wir stehen noch am Anfang, auch bei der Usability." Die Inhalte seien heute noch nicht so, dass man sie sofort erreiche, sagte Schaas in Richtung der Gerätehersteller.
Zugleich schoss er aber auch scharf gegen RTL: "Bei Ihnen kommt man sowieso nicht hin, weil Sie auf den meisten Geräten nicht vertreten sind." Es helfe nichts, wenn RTL in diesem Bereich zwar Investitionen tätige, am Ende jedoch nur auf wenigen Geräten mit seinem Angebot stattfinde. Bei Smart TV dürfe es allerdings längst nicht nur darum gehen, die Mediatheken der Sender auf den Fernseher zu bringen. "Das hätten wir auch anders haben können", betonte Schaas. Dennoch ist genau das der nächste Schritt, den RTL angehen will. Marcus Dimpfel betonte, dass die Mediatheken der Sendergruppe noch in diesem Jahr im HbbTV-Angebot starten sollen.
Letztlich steht RTL jedoch vor der Frage, wie sich aus diesem Angebot Geld machen lässt. "Was nicht gemessen wird, wird nicht kapitalisiert", sagte der Bereichsleiter Strategische Unternehmensentwicklung der Mediengruppe RTL Deutschland und setzt für die Zukunft auf eine einheitliche Währung. Doch damit überhaupt ausreichend viele Zuschauer auf die Angebote aufmerksam werden, liegt es wohl nicht zuletzt an den Sendern, genau darauf zu verweisen. Dabei bietet HbbTV in der Tat viele Möglichkeiten - mittels des Roten Knopfs auf der Fernbedienung ließen sich blitzschnell zusätzliche Informationen zu den gerade gesehenen Programmen auf den Fernseher holen.
"Dem Zuschauer muss im Programm vermittelt werden, dass es den Red Button gibt", so ARD-Koordinator DVB Michael Albrecht auf der ANGA Cable. In der "Tagesschau" könnten direkte Verweis auf das Angebot helfen. Und so sind nun die Sender gefragt, ihren Zuschauern die Angebote zu vermitteln. Mindestens genauso wichtig wird es jedoch sein, dass die Gerätehersteller den Zugang zu den Angeboten deutlich erleichtern.