Gestartet ist er bei den Öffentlich-Rechtlichen, dann mit RTL aufgestiegen, hat Infotainment etabliert und ein Quiz zu seinem gemacht. Bei den Kölnern ist er seit mehr als 30 Jahren kaum weg zu denken - nicht einmal während seines Ausflugs zurück zur ARD: Günther Jauch ist einer der profiliertesten Moderatoren im deutschen Fernsehen. In der neuesten Folge des Video-Podcasts "40 Years On Air von VAUNET und DWDL zum Jubiläum des privaten Rundfunks in Deutschland blickt Günther Jauch diplomatisch, aber in einzelnen Punkten sehr deutlich und selbstkritisch auf seinen Karriereweg zurück. Die 35-minütige Folge ist ab Samstag hier bei DWDL.de zu sehen und überall dort, wo es Podcasts gibt, zu hören.
"Bis heute bin ich ein Anhänger des dualen Systems. Ich habe zeitweilig versucht, das Beste von den Öffentlich-Rechtlichen, aber auch das Beste von dem, was das kommerzielle System zu bieten hat, in Sendungen von mir zu integrieren", sagt Jauch. Beide Seiten hätten ihre Vor- und Nachteile. Im Gespräch mit DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath zeigt sich der Moderator aber durchaus ernüchtert ob seines Plans. "Ich habe versucht, aus beidem eine Mischung hinzubekommen. Wenn ich zurückschaue, muss ich sagen, dass mir das leider nicht so richtig gelungen ist."
Im Falle von "Stern TV" war zumindest die Mischung aus Information und Unterhaltung immer ein Pfund, mit dem man wuchern konnte - das hat sich bis heute nicht geändert. Und das ist auch Jauch zu verdanken, der diese Positionierung und Etablierung von Infotainment in den 90er Jahren ganz wesentlich mit vorangetrieben hatte. Aber auch da sei nicht von Beginn an alles glatt gelaufen, sagt Jauch.
"Wir sind mit mäßigen Quoten gestartet, auch weil wir zum Teil verquaste Sendungen gemacht haben. Wir brauchten eine Zeit, bis wir uns gefunden hatten." Früher seien die Bereiche Information und Unterhaltung noch viel stärker getrennt gewesen, sagt Jauch. "Am schwierigsten war es, als ich noch beim Radio war." Er erinnert sich: Seine Radiosendung mit Thomas Gottschalk galt damals als Abstieg, weil er zuvor als ehrbarer Korrespondent in Bonn gearbeitet hatte.
Jauchs schwierige Zeit bei der ARD
Ähnlich wie bei "Stern TV" habe er sich auch bei seinem wenige Jahre andauernden Polittalk-Ausflug in der ARD an einer Durchmischung von Information und Unterhaltung versucht. "Das war die einzige Sendung, um die ich mich immer gerissen habe und bei der ich mich aktiv beworben habe", sagt Jauch heute. Beim ersten Versuch, ihn in die ARD zu holen, seien ihm aber "viele Fesseln" angelegt worden, sodass er zunächst noch absagte. Jauchs Kritik an den "Gremien voller Gremlins" wurde legendär. Wenige Jahre später klappte es dann doch - aber auch das war oft nicht im Sinne von Jauch, wie er im persönlichen Rückblick verrät
"Es haben so viele Leute mit- und reingeredet, dass ich meine vertraglich festgelegte, journalistische Unabhängigkeit andauernd bedroht sah", so Jauch, der sagt, er habe den Diskurs erweitern und nicht immer nur auf rein politische Themen beschränken wollen. "Ich habe mich da immer mehr eingeengt gefühlt". Trotz Beteuerungen des Senders, sich künftig rauszuhalten, sei es "immer so weiter" gegangen. Schließlich ließ Jauch seinen Vertrag auslaufen. "Sehr schade", sagt der Moderator heute.
"Das war eigentlich eine Sendung, die man locker 15 oder 20 Jahre erfolgreich hätte machen können." Und Jauch lässt keinen Zweifel daran, dass ihm die Ideen nicht ausgegangen wären. "Wir waren noch lange nicht am Ende. Mir war völlig klar, wie man auch mehr Leute für gesellschaftspolitische Themen interessieren kann, aber dazu kam es dann nicht mehr."
Und doch bleibt Günther Jauch beim Thema Dualer Rundfunk in Deutschland diplomatisch. Er lobt die Öffentlich-Rechtlichen, ihre finanzielle Unabhängigkeit und die Möglichkeit, sich auch abseitigen Themen zu widmen - anders als beim härteren Wettbewerb der Privaten mit dem Quotendruck, der über die Refinanzierung entscheidet. Auch dem kann er etwas abgewinnen. "Das schafft einen gewissen Druck und das finde ich gut", sagt Jauch, der den Privaten auch ihre Risikofreudigkeit zugute hält und die Tatsache, "dass sie schneller etwas auf die Beine gestellt bekommen".
Während viele Fernsehmacherinnen und Fernsehmacher die 90er Jahre heute als "wilde Zeit" beschreiben, war es für Günther Jauch das Gegenteil: Mit "Stern TV", dem "Aktuellen Sportstudio" und den Jahresrückblicken im ZDF und bei RTL war er damals ganz dem Journalismus verschrieben. Das geht manchmal unter, wenn Jauch heute insbesondere für "Wer wird Millionär" steht. Bei den wilden Jahren des Privatfernsehens war Jauch Zaungast. "Ich hätte mich nicht zur Entwicklung von ‘Alles Nichts oder?!’ geeignet", scherzt der Moderator im Gespräch mit Thomas Lückerath - und kommt doch über die damalige Zeit ins Schwärmen. Es sei "wahnsinnig viel Geld für Programm" da gewesen - bei RTL vor allem dank des damaligen Geschäftsführers Helmut Thoma.
Ein Journalist kommt zu "Wer wird Millionär?"
"Der war ein Wahnsinniger in Sachen Fernsehen. Der hat das ganze Geld, was über Werbung reinkam, komplett wieder für das Programm rausgehauen. Ich glaube nicht, dass Bertelsmann darüber sonderlich erfreut war. Aber er hatte Spaß daran, etwas auszuprobieren und dann spielte Geld keine Rolle." Für Programmmacher seien das tolle Zeiten gewesen, so der RTL-Moderator im Rückblick zum Jubiläum des privaten Rundfunks.
In wenigen Monaten hat Jauch ein eigenes Jubiläum voraus: 25 Jahre "Wer wird Millionär" und wie er im Podcast verrät, gibt es keine Überlegungen das nach wie vor sehr erfolgreiche Quiz-Format zu beenden.Dabei stand ihm damals, 1999, der Kopf so gar nicht nach Quiz, sagt der Moderator und gelernte Journalist. "Ich wollte das überhaupt nicht, das Angebot kam von RTL", erzählt Jauch, der im Gespräch mit Thomas Lückerath dann auch verrät, dass er in den 80er und 90er Jahren "reihenweise" Formate abgelehnt habe - so unter anderem auch die Moderation von "Herzblatt", das dann bekanntermaßen zunächst von Rudi Carrell präsentiert wurde.
Als sich Jauch dann aber zuhause Aufnahmen der britischen Version von "Wer wird Millionär?" angesehen habe, sei er davon fasziniert gewesen, weil sich doch eine hohe Spannung entwickelt habe. "Da habe ich gemerkt, dass das in mir etwas auslöst". Größere Veränderungen am Format müssen die Fans von "Wer wird Millionär?" übrigens nicht fürchten - die wären mit Jauch wohl gar nicht zu machen. "Ich bin mittlerweile dagegen, wenn man grundlegende Änderungen oder ‘Refreshments’ vornehmen würde. Das braucht es bei der Sendung nicht", so der Moderator.
Auf die Frage, ob man sich ob des Alters Sorgen um das Studio machen müssen, antwortet Jauch sichtlich amüsiert: "Die Sorgen sind berechtigt." Zuletzt sei an seinem Stuhl das Kunstleder aufgeplatzt und notdürftig mit Klebeband geklebt worden. So moderiere er nun schon seit mehreren Ausgaben. Er selbst würde es als Kandidat heute wohl gar nicht mehr in die Mitte auf den Stuhl schaffen, sagt Jauch. "Ich bin zu langsam." Im Alter zwischen 25 und 30 Jahren hätte er die besten Chancen gehabt: "Da habe ich richtig viel gewusst. Heute habe ich vielleicht mehr Erfahrung, aber zu der Zeit wäre ich in der Sendung ein aussichtsreicher Kandidat gewesen. Heute nicht mehr so."
Angesprochen auf seine denkwürdigsten Momente seiner Karriere sagt Jauch, das sei ein Anruf des damaligen "Mr. Sportstudio" Dieter Kürten gewesen. "Er sagte mir, dass ich Nachfolger von Harry Valérien werden soll. Das kam für mich so aus heiterem Himmel und war ein solcher Traum, weil ich dieses ‘Sportstudio’ mein Leben lang gesehen habe und als Kind darum kämpfen musste, lange aufbleiben zu dürfen." Jauch moderierte letztlich 92 Mal das "Aktuelle Sportstudio" - Schluss war dann vor allem deshalb, weil das ZDF sich daran störte, dass Jauch auch durch Fußballübertragungen bei RTL führte.
"Mischung aus Feigheit und Kopf-Einziehen"
Auch an die Polittalk-Ausgabe mit dem griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis, der die Redaktion live auf Sendung der Manipulation beschuldigte, weil diese den Politiker mit einem Stinkefinger zeigte, erinnert sich Jauch auch heute noch. "Das hat wahnsinnig hohe Wellen geschlagen, weil sich Kollege Böhmermann bemüßigt fühlte, sich da drauf zu setzen und selber einen Film zu basteln und zu behaupten, wir seien auf einen gefakten Film von ihm hereingefallen. [...] Das war interessant zu sehen, wie bestimmte Dinge medienpolitisch in Deutschland funktionieren."
Von Seiten der ARD habe er zu dieser Zeit eine "Mischung aus Feigheit und Kopf-Einziehen erlebt", sagt Jauch. Niemand habe sich vor ihn stellen wollen und auch als längst technisch bewiesen gewesen sei, dass man keinen Fehler gemacht habe, sei es "für begleitende Medienjournalisten ganz schwer gewesen, von dem Trip runterzukommen."
Und doch, Diplomat Jauch zieht zum Status Quo der Branche am Ende ein versöhnliches Fazit: "Ich möchte mir nicht vorstellen, dass die Öffentlich-Rechtlichen alleine auf der Welt sind, weil dann die Unbeweglichkeit, Trägheit und Bürokratie noch mehr zunehmen würde. Ich möchte aber auch kein Wildwest-System, bei dem ausschließlich kommerzielle Anbieter das Sagen haben." Eine Aussage, die die Karriere von Günther Jauch spiegelt.
Die jeweils neueste Folge des Podcasts "40 Years on Air" von VAUNET und DWDL.de wird immer samstags veröffentlicht: Als Video hier bei DWDL.de und auf YouTube, als Audio überall dort, wo es Podcasts gibt. Auszüge aus den Gesprächen gibt es jeden Freitag bei DWDL.de.