Seit etwas mehr als 30 Jahren sendet BB Radio nun schon für die Menschen in Berlin und Brandenburg - damit ist der Privatsender ein wesentlicher Teil von 40 Jahren Privatrundfunkgeschichte. Seit nunmehr 27 Jahren leitet Katrin Helmschrott die Geschäfte des Senders, nur ganz wenige Radio-Chefs in Deutschland kommen auf eine längere Amtszeit. Und wenn Helmschrott im Video-Podcast "40 Years on Air" mit DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath spricht, kann man sich gut vorstellen, dass noch ein paar weitere Jahre hinzukommen werden.
Helmschrott brennt für ihr Medium, daran lässt sie zu keiner Sekunden einen Zweifel. So verweist sie darauf, dass das lineare Radio nach wie vor die höchste Nutzungsdauer habe. "Da kommt kein Podcast und auch kein Streaming mit", sagt Helmschrott, die im Video-Podcast von VAUNET und DWDL.de aber auch einräumt, dass sei es schwieriger geworden sei, Menschen für das Radio zu begeistern. Dass das Radio ein Nebenbeimedium ist, will sie aber nicht als Nachteil verstanden wissen. "Radio wirkt im Unterbewusstsein. Ich muss nicht wirklich bewusst zuhören, aber die Botschaften kommen trotzdem an."
Außerdem, das unterstreicht Helmschrott in dem Gespräch, habe das lineare Radio einen entscheidenden Vorteil: die Reichweite. "Reichweite macht reich und Reichweite hat das lineare Radio. Das ist einfach so", sagt sie - und verweist auf die Hörerzahlen. Laut der jüngsten Audio-MA nutzen mehr als 50 Millionen Menschen täglich das Radio, so würden 13 Milliarden Minuten Radio pro Tag gehört, sagt Helmschrott. Zum anhaltenden Podcast-Boom erklärt sie: "Sagen Sie mir außer den 50 Top-Podcasts, wer damit Geld verdient. Ich kenne keinen. Außer die, die es produzieren." Grundsätzlich stört es Helmschrott, dass sich die Branche immer wieder unnötig vergleiche - sei es mit Podcasts oder Spotify. "Die sind doch alle viel kleiner als wir", zeigt sie sich mit breiter Brust.
Angesprochen auf Dinge, die sie nerven, antwortet die Radio-Managerin: "Wenn ich ganz deutlich merke, dass das, was die Moderatoren machen, künstlich konstruiert ist." Und: "Wenn sich die Moderatoren außerhalb der Lebenswelt der Hörer befinden und belehrend wirken. Das finde ich unerträglich." Der Haupteinschaltgrund für die Menschen sei natürlich die Musik, so Helmschrott, die aber auch sagt, dass die Personality der Moderatorinnen und Moderatoren wichtig sei. "Sie müssen gar nicht viel sagen, sie müssen das richtige sagen".
Corona und die 1-Million-Idee
Dass Helmschrott, die 2020 auch mit dem Verdienstorden des Landes Brandenburg ausgezeichnet wurde, über all die Jahre beim Sender geblieben ist, ist eine echte Seltenheit in der deutschen Radiolandschaft. "Ich hatte viele verschiedene Angebote, aber ich hatte den Genuss einer großen Freiheit. Meine Gesellschafter haben mir immer sehr vertraut und haben mir freie Hand gelassen. Das war der Grund, weshalb ich geblieben bin", sagt die Radio-Managerin im Rückblick auf die letzten fast 30 Jahre.
Aus den Schlafzimmern sind Radiowecker inzwischen weitgehend verschwunden. Auch Helmschrott sagt, sie lasse sich mit dem Smartphone wecken - aber dann über die Radio-Apps. Sie selbst wechsele dabei zwischen BB Radio und Teddy Radio - den zweitgenannten Familiensender führt Helmschrott ebenfalls. Da sei es besonders schwierig, dass der Sender mit dem Publikum mitwachse. "Die Kern-Hörerschaft wechselt alle fünf Jahre und das ist ein ganz schwieriges Thema, weil wir immer wieder neu anfangen müssen, die Hörer für uns zu begeistern." Zielgruppe von Radio Teddy sind die 7- bis 10-Jährigen, aber natürlich muss man auch die Eltern überzeugen. "Die Eltern sind sehr streng mit Radio Teddy, denn sie vertrauen uns ihre Kinder an. Sie hören genau zu und wenn etwas nicht passt, schalten sie ab."
"Sagen Sie mir außer den 50 Top-Podcasts, wer damit Geld verdient. Ich kenne keinen. Außer die, die es produzieren."
Als "knifflig" beschreibt die Geschäftsführerin von BB Radio die Zeit rund um den 11. September 2001, wo es auch kurzzeitig Einbrüche bei den Werbeschaltungen gegeben hat. "Der größte Cut war aber die Corona-Zeit, sowas habe ich noch nicht erlebt", sagt sie und verweist auf unzählige Werbe-Stornierungen innerhalb weniger Tage. "Ich habe wirklich überlegt, wie wir überleben sollen, wenn das so weitergeht". Helmschrott machte aus der Not eine Tugend: BB Radio und Radio Teddy verschenkten jeweils 1 Million Gratis-Werbesekunden. Das habe funktioniert, auch im Rückblick, so die Radio-Macherin. "Ich habe sehr viele loyale Geschäftspartner."
Mehr senderübergreifende Kooperationen in bestimmten Bereichen befürwortet Helmschrott explizit, etwa bei der Entwicklung von digitalen Produkten oder auch in der Werbe-Disposition. "Aber da ist die Branche sehr uneinig und macht es sich schwer", sagt sie. Und dann ist da ja auch noch der öffentlich-rechtliche Rundfunk, gegen den die Radio-Managerin nicht per se etwas hat. "Ich finde, Wettbewerb belebt das Geschäft." Dass die ARD so viele Radiosender betreibe, stört Helmschrott nicht.
Aber: "Ich finde, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk sehr lange seine eigentliche Berufung vergessen und unterdrückt hat. Gerade in Berlin und Brandenburg war es ja so, dass viele Formatradios gestartet wurden, da haben sich die Öffentlich-Rechtlichen von jung bis alt aufgestellt. Damit haben sie den privaten Radiosendern den Markt weggenommen". Nachdem die Mittel für die Anstalten nun aber etwas knapper würden, glaube sie, sagt Helmschrott, "dass es jetzt etwas anders wird". Die Radio-Managerin ergänzt: "Vielleicht besinnen sie sich darauf, was ihr Auftrag ist. So kann es nicht weitergehen."
Radio-Managerin mit "kurzer Lunte"
Und auch zu Verkehrsnachrichten im Radio hat Katrin Helmschrott eine sehr dezidierte Meinung. "Ich halte das für völlig überbewertet und unnötig, weil sich die meisten Leute über den Verkehr sowieso im Internet informieren, bevor sie losfahren", sagt sie. Es ist ein spannender Punkt: Auf nahezu allen Sendern gibt’s auch heute noch ausführliche Verkehrs- und Staunachrichten. Und das in einer Zeit, in der oft die viel vielbeschworene Verkehrswende thematisiert wird - und in der das Auto auch nicht mehr ein Statussymbol ist wie in der Vergangenheit.
Bei diesen vielen starken Meinungen kann man sich kaum vorstellen, dass sich Katrin Helmschrott aus dem inhaltlichen Tagesgeschäft heraushält - und so ist es wohl auch nicht. "Mein Programmchef hat es niemals leicht", sagt sie. "Ich bin mit einer kurzen Lunte behaftet, weil ich in der Lebenswelt meiner Hörer lebe. Ich weiß ganz genau, was die Menschen bewegt. Und wenn ich das im Radio nicht höre, werde ich komisch."
Die jeweils neueste Folge des Video-Podcasts "40 Years on Air" von VAUNET und DWDL.de wird immer samstags veröffentlicht. Auszüge aus den Gesprächen gibt es jeden Freitag bei DWDL.de.