Das Medium vom Gerät trennen, sei ihre große Herausforderung. „Radiogeräte wirken in dieser Zeit anachronistisch“, sagt Valerie Weber. "Was wir mit unseren Radiomarken schaffen müssen, ist, dass wir auf die neuen Geräte kommen und dort auch nicht vergessen werden." Wenn die Programmgeschäftsführerin von Audiotainment Südwest (bigFM, RPR1, Radio Regenbogen, Rock FM) über die Lage im Radio 2024 spricht, ist das Glas für sie weder halbvoll noch halbleer. Mit Enthusiasmus ist sie überzeugt, es sei sowas von voll - und das obwohl Podcasts und Streamingdienste im Diskurs oft präsenter sind als das Radio.
Doch das ist eine gewohnte Herausforderung für Weber, die im Podcast „40 Years on Air“ zum Jubiläum des privaten Rundfunks in Deutschland, zu Höchstform aufläuft, wenn sie die Strahlkraft ihres Medium verkauft: "Um mal das Verhältnis zu sehen: Wir haben 75 Prozent Radionutzung. Radio ist immer noch das große Massenmedium. Die tägliche Podcastnutzung liegt bei 6 Prozent", sagt Valerie Weber. "Podcasts sind für uns spannende Mitbewerber, aber kein Problem. Spannend und knifflig ist, dass Radio chronisch unterschätzt wird, meistens leider auch von Agenturen.“
Dabei habe es noch nie so viele Geräte in den Haushalten gegeben mit denen sich Radio nutzen ließe, wenn auch im Schlafzimmer häufig das Smartphone den klassischen Radiowecker ersetzt hat - in dem Fall zum Nachteil des Mediums. "In anderen Ländern, auf anderen Kontinenten, ist Radiohören über das Handy ganz normal, weil mal Ukw-Chips verbaut wurden“, sagt Weber. „Wir haben den Moment, auf das Smartphone zu gehen, irgendwann mal verpasst. Da gab es gute Gründe - und ich will das gar nicht bewerten, technisch gibt es da ja auch Schwierigkeiten. Aber jetzt kämpfen wir um den Platz auf dem Smartphone“ - und anderen smarten Geräten im Haushalt.
Die Zukunft des Radios? Liege im Stream, nicht der Frequenz, sagt Valerie Weber. Doch Stream ist nicht gleich Stream: "Was Radio besonders macht, ist der Moment der Echtzeit und auch, das was schiefgehen kann. Also das was passiert, was nicht vorhersehbar war.“ Der Live-Moment, aber auch das Regionale, mache das Radio stark. Das Regionale und die Nähe zum Publikum sei auch das gewesen, was das Privatradio zu Beginn von den öffentlich-rechtlichen Sendern unterschieden habe und auch heute sei der Privatfunk immer wieder Impulsgeber, der Bewegung in den Markt bringe - sagt Valerie Weber, die von 2014 bis 2021 als Hörfunkdirektorin beim WDR aktiv war.
"Ich weiß gar nicht, für wen es die härtere Prüfung war: für mich oder den WDR?"
"Ich fand es spannend und fantastisch, mal auf die andere Seite zu wechseln, um dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sparen zu helfen. Das war der Auftrag, das muss man ganz klar so sagen. Tom Buhrow hat jemanden im Privatfunk gesucht, der Programm gestalten kann und das Programm am Leben lässt - und trotzdem in der Lage ist zu sparen." Die Personalie Weber sorgte vor allem zu Beginn für viele Schlagzeilen und Kritik - gerade auch innerhalb des WDR. Buhrow holte sie von Antenne Bayern, wo sie lange das Programm verantwortete, aber auch mit lauten Marketing-Aktionen auffiel.
"Sie können einem Programm die Seele aus dem Leib sparen, aber Sie können es auch schaffen zu sparen und trotzdem haben Sie ein lebendiges Programm. Ich glaube, dafür stand zu dieser Zeit damals auch Antenne Bayern", sagt Weber rückblickend und erinnert sich amüsiert an ihre Anfänge beim WDR: "Ich weiß gar nicht, für wen es die härtere Prüfung war: für mich oder den WDR? Ich glaube für beide Seiten. Ich habe versucht, das Großartige am Öffentlich-Rechtlichen zu schützen."
Der Grund für ihren Wechsel zurück zum Privatradio seien die dort existierenden Start-up-Strukturen, die es brauche, um Transformation von Medienmarken hinzubekommen. Dabei geht es auch um ein Thema, von dem aktuell viele sprechen: Künstliche Intelligenz. "Man kann sich gar nicht früh und schnell genug ausprobieren", sagt Weber dazu. "Ich war aufgeladen mit dem Wissen aus dem WDR, was möglich ist. Wir waren schon so weit, dass wir Stimmen geklont hatten und wir konnten selbst nicht mehr auseinanderhalten, wer die Moderatorin ist und wer der Klon. Die Frage war, ob man dem Publikum das zeigt, auch zum Thema Medienkompetenz.“
Doch dazu kam es nicht. Weber: „Sie müssen sehen: Der Öffentlich-Rechtliche steht so unter Beobachtung und ist so schnell angegriffen. Außerdem sind die Widerstände in einem solchen Haus so massiv, dass Sie es letztlich nicht so schnell auf die Straße kriegen." Im privaten Sektor geht das offenkundig einfacher. "Bei einem kleinen Sender rufen Sie den Chef der Landesmedienanstalt an. Ich habe versprochen, dass wir bei KI nur im Vier-Augen-Prinzip arbeiten. Wir werden alles automatisiert generieren, aber wenn es nicht in Ordnung ist, werden wir es nicht senden. Und dann sagen die: Machen Sie!“ Im August vergangenen Jahres ist bigGPT gestartet, ein Sender, der vollständig durch eine KI betrieben wird - das wird den Zuhörerinnen und Zuhörern auch immer wieder deutlich gemacht.
Auf ihre Hoffnungen für die Branche angesprochen, sagt Weber: "Ich wünsche mir, dass wir die Chance nutzen, die in neuen Technologien liegen und so unserem Publikum vielleicht wieder näher kommen." Auch da meint sie das Thema Künstliche Intelligenz. Gleichzeitig hofft Weber, dass KI nicht gleich von Beginn an abgelehnt wird, stattdessen plädiert die Radio-Managerin dafür, sich den "Zauber zu suchen, der diesem Anfang des KI-Journalismus innewohnt".