ausgestellt von Klaas Heufer-Umlauf und Jan Böhmermann

Klaas Heufer-Umlauf und Jan Böhmermann©
In dieser Woche haben sich Klaas Heufer-Umlauf, 27, und Jan Böhmermann, 30, dazu bereit erklärt, in die Rolle der Lehrer zu schlüpfen. Auch wenn man es ihnen noch nicht ansieht: Die beiden sind bereits lange im Geschäft - und ab November mit ihrem Programm "Zwei alte Hasen erzählen von Früher" auf Tour unterwegs. Bei uns erzählen sie vom deutschen Fernsehen - und von Osama Bin Laden...

sehr gut

 Klaas Heufer-Umlauf vergibt sein „Sehr gut“ an die zdf_neo Reportagereihe „Wild Germany“ und ihren Moderator Manuel Möglich

Ein mutiges und wichtiges Format. Deutschland - und die Dinge die hier passieren - mal aus einer anderen Perspektive. Hier ist die Maßgabe nicht „Deutschland wie es wirklich ist“, sondern eher: Deutschland wie es auch ist, wenn man sich traut ein, zwei Türen aufzustoßen und mal hinter die Fassade zu schauen.

Manuel Möglich ist ein guter Moderator, der die Fähigkeit besitzt nicht jeder Pointe hinterher zu rennen zu müssen (kenne da so ein paar junge Moderatoren denen dieses Talent absolut verwehrt ist; siehe unten und oben) und es trotzdem schafft, ein interessierter, sympathischer, guter Interviewer zu sein.

Man nimmt ihm sein ernsthaftes Interesse an jedem Thema ab, selbst wenn diese nicht immer sofort absolut zugänglich erscheinen.

Darüber hinaus macht er ohne jede Comedy-Ranschmeißerei einen humorvollen Eindruck. Auch nicht so leicht.

Außerdem müsste ein Sender wie zdf.neo sich mit der Themenauswahl nicht auf ein solch grenzgängerisches, dünnes Eis begeben, macht es aber, vollkommen ohne Not, trotzdem.

Ich hab mir alle bisherigen Folgen in einer Nacht angeschaut, und freue mich über unsere Version von Louis Theroux. Weitermachen! Sehr gut!

 

gut

 Klaas Heufer-Umlauf  vegibt sein „Gut“ an das geplante Comeback von „Mr. Showbusiness“ Jörg Draeger
Was habe ich mich über diese Nachricht gefreut! Der einzige Mann in Deutschland, der die Bezeichung Showmaster wirklich verdient hat, wird in Kürze seine Privatinsel wieder verkaufen und sich aus reiner Nächstenliebe nochmal zu uns herablassen, um uns unterzuckerten deutschen Fernsehzuschauern nochmal zu zeigen, wo eigentlich jetzt nochmal ganz genau der Hammer hängt.

Der Zonk, Tor 1, 2, 3, die scharfen Weiber, die Umschläge, die Namensschilder und das diabolisch-verschmitze Lächeln des perfiden Hütchenspielers Jörg D.

All das hat uns jahrelang gefehlt. Ich meine, wer hätte diese Sendung denn auch außer ihm moderieren sollen? Jörg Pilawa vielleicht? Pff!

Wenn Jörg Draeger „Geh aufs Ganze“ sagte, dann meinte er das auch so. Das war nicht irgendein dahergesagter Werbeslogan. Nein! Das war ein verdammte Lebenseinstellung. So als würde er sagen: Gewalt ist meine Währung, und ich würde gerne zahlen.

Sollte es jemals eine deutsche Verfilmung des Films „Casino“ geben, würde ich als Studioboss keine Sekunde zögern, Jörg Draeger die Hauptrolle anzubieten.

Er war bereits in den 90ern eine gelungene Mischung aus Magnum, Marcus Schenkenberg und einem Taxifahrer der früher mal große Pläne hatte und wird auch im Jahre 2011 wieder einen Platz im deutschen Fernsehen einnehmen, der ohne ihn schlichtweg jahrelang nicht besetzt war.

Das schmierige Schlitzohr, der hinterlistige Heiratsschwindler, der charmante Biertrinker, der auch schon mal hollywoodmäßig grinsend eine Kandidatin begrapscht, wenn es die Situation zulässt. Jörg Draeger war zu seiner Glanzzeit immer ein Vorbild für mich und meinen Vater.

So hat mein Vater es sich auch nie nehmen lassen, auf gesellschaftlichen Premiumveranstaltungen (wie z. B. dem 70. Geburtstag meiner Oma) „Geh aufs Ganze“ mit der versammelten ostfriesischen Verwandschaft in irgendeinem Kegelrestaurant nachzuspielen.

Ich war damals stolz auf meinen Papa, und allein für dieses nostalgische Gefühl begrüße ich das Comeback des letzten wahren Mannes im deutschen Fernsehen: Jörg Draeger. Willkommen zu Hause!

 

befriedigend

 Klaas Heufer-Umlauf vergibt sein „Zufriedenstellend“ an die RTL II-Produktion „X-Diaries“
Fernsehdeutschland hat eine neue Spezies von Menschen zu Tage gefördert. Die so genannten „Meta-Asis“. Also, Asis die so tun als wären sie andere Asis, und dafür immerhin pro Drehtag auf 'Mallorca' oder 'Tourette de Mar' 50 Euro einkassieren.

Scripted Reality nennt man sowas, den Begriff kennt man ja mittlerweile. Dennoch gibt es mittlerweile so viele verschiedene Sendungen in diesem Genre, dass sich auch hier ganz klare qualitative Unterschiede abzeichnen.

 „We are Familiy“ oder „Mitten im Leben“ bestehen mittlerweile eigentlich nur noch daraus, dass man eine möglichst verkrachte Familie mit einem Kamerateam auf engstem Raum zusammentreibt, und dann gelegentlich sogar noch so tut, als hätten wir es hier mit einer echten Familie zu tun.

RTL2 hingegen, macht sich dieses Mühe nicht und hat es so (wahrscheinlich versehentlich) geschafft „scripted reality“ zu einer wahren Kunstform zu erheben. Man sagt ja „Kunst ist das, was man dazu erklärt“, und als eben diese erkläre hiermit feierlich: X-Diaries.
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Während es bei der großen Schwester (Bruder? Transe? Florian Stöhr?) RTL am Nachmittag eigentlich jedes Mal darauf hinausläuft, dass ein unglücklicher Familienvater sich erstmal mit einem Autorennspiel vom anstrengenden Tag in der Kneipe vor seinem heimischen 486er etwas erholen will, und daraus jedes Mal ein gepfefferter Familienstreit entsteht, der meistens in roher Gewalt endet, hat RTL2 mit den „X-Diaries“ es endlich geschafft, wahre,lebensnahe, berührende Geschichten zu erzählen.

Da gibt es z.B. die dicke Moni, die mit ihrem Kevin Stress hat, und deswegen, komplett ohne Gitarre oder andere Hilfsmittel, am Straßenrand von El Arenal mit etwas Sangeskunst und einem Hütchen vor sich Geld für die anstehenden Urlaubstage verdienen muss.

Tanze Samba mit mir, tanze Samba die ganze Nacht.

Naja, wenn der Kevin sie rausschmeißt....? Was soll sie anderes machen? Was hätten SIE gemacht, wenn der Kevin sie rausgeschmissen hätte?

Da sitze ich doch als Zuschauer zu Hause und denke: „Ja, da werde ich nicht nur ernst genommen, sondern auch noch gut unterhalten.“

Ich würde sogar so weit gehen, dass ich noch viel lieber GEZ zahlen würde, wenn sie RTL2 nun doch bitte endlich in die Gemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten aufnehmen würden. Geht sowas?

 

ausreichend

 Jan Böhmermann vergibt sein „Ausreichend“ an „Panorama - Die Reporter“-Reporterin Anja Reschke
Apropos „scripted reality“: Gewohnt medienkritisch hinterfragten Sie, Anja Reschke, die „Welt des Privatfernsehens (...), die immer schriller die angebliche Wirklichkeit abbildet“  im Rahmen Ihrer „Panorama - Die Reporter“-Reportage mit dem unschrillen Titel „Das Lügenfernsehen“ (4.5.2011, 22.35 Uhr, NDR Fernsehen) und klärten darüber auf, dass in den zahllosen „scripted reality“-Nachmittagsformaten, in denen Asis für die Kamera andere Asis spielen, hemmungslos fiktionalisiert, skrupellos verdummt und niederträchtig inszeniert wird („Die vom Fernsehen haben die Blumenerde aus den Töpfen geschüttelt, damit unsere Wohnung schmutziger aussieht!“).

Neben Ihren Gesprächen mit den eiskalten TV-Produzenten und den bedauernswerten RTL-Opfern („Die haben mir 1000 Euro pro Sendung bezahlt!“) fehlten mir jedoch, und deshalb leider nur die Note 4, ein paar knallharte Interviews mit der kultig-trashigen Journalistendarstellertruppe des einzigen „scripted reality“-Formats unter den öffentlich-rechtlichen Investigativshows: „Panorama - Die Reporter“.

Das Format kennen Sie vielleicht, Frau Reschke. Das ist so eine krasse Reality-Reportagereihe, in der sehr, sehr investigativ dreinblickende Journalistendarsteller die ganze Zeit im Bild rumstehen, betroffen mit den Köpfen schütteln und seriös wirken müssen. Kurz, sich mit rührendem Ernst so verhalten, wie sie glauben, dass sich der etwas einfältige deutsche Durchschnittszuschauer einen toughen Journalisten vorstellt. Wenn‘s inhaltlich ein bisschen dünn wird, helfen die skrupellosen Macher dieser Sendung, in der Hoffnung es merke keiner, gerne mit fiktionalisierenden Suggestivfragen, inszenierten Konfrontationen, dramatischer Hintergrundmusik oder peppigen Bildideen nach. Oder lassen den notorisch kurz vor dem Nervenkollaps stehenden Christoph Lütgert in die Kamera overacten. Der journalistische Ansatz ist in dieser üblen Gossenshow übrigens meist eher zweitrangig, denn die Prolls vor dem Fernseher wollen ja eh nur weinende Rentner sehen. Oder wie bei Carsten Maschmeyer in die Haustürsprechanlage gebrüllt wird und wie Ex-Richter-Gnadenlos Ronald B. Schill von einer hysterischen Stalkerin mit Mikrofon in Bermuda-Shorts durch Rio de Janeiro gejagt wird und dabei kamerawirksam die Fassung verliert.

Mea culpa, ich stehe ja auf dieses krawallige Proll-TV und ziehe mir darum immer wieder gerne „Panorama - Die Reporter“ rein. Nicht in der Hoffnung, dass eines Tages Christine Adelhardt „Mitten im Leben“-like Spaghetti Bolognese von Christoph Lütgerts entblößtem Bauch schlabbert. Sondern weil es auf so einer intellektuell-ironischen Metaebene einfach unsagbar unterhaltsam ist dabei zuzuschauen, wenn Fernsehjournalisten für die Kamera Fernsehjournalisten spielen.

 

mangelhaft

 Jan Böhmermann vergibt sein „Mangelhaft“ an Obama sin Laden
Es ist der Albtraum eines jeden Häuslebauers: Erst dreht dir einer eine völlig überteuerte Villa an, dann gibt‘s jahrelang Probleme mit dem DSL- und Telefonanschluss, statt moderner Holz-Pellets muss man alte Einwegpfandflaschen im Innenhof verheizen und am Ende kleckern einem 79 nicht eingeladene Gäste bei einer unangekündigten Abrissparty den schönen cremefarbenen Teppich voll.

Noch bevor sich Terrorfürst Osama bin Laden Hilfe suchend an den Mieterschutzbund wenden konnte, setzten in der Nacht zum Montag die Navy Seals die Räumungsklage durch. Und während sich der Rest der Welt noch fragt, was der Gesetzgeber eigentlich zu dieser amerikanischen Eigeninitiative sagt, zeigten sich die Nachbarn im beschaulichen pakistanischen Luftkurort Bad Abottabad schwer geschockt, als sie erfuhren, wer da seit sechs Jahren hinter der unauffälligen Innenstadtfestung mit den stacheldrahtbewehrten, fünf Meter hohen Mauern gewohnt hat. „Der hat immer ganz freundlich gegrüßt!“ - „Ich habe den zwei oder drei Mal am Kiosk gesehen, der war eigentlich unauffällig.“ - „Das war ein ganz netter, junger Mann. Nur, dass er ab und zu Besuch von der Al Qaida hatte, ist uns schon ein bisschen merkwürdig vorgekommen.“ 

Und, das ist die mediale Schweinerei an der ruppigen Entmietung des Osama bin L.: Oldschool-Medien und wir, die Öffentlichkeit 2.0, werden zum ersten Mal vollends von Facebook, Twitter und sogar Wikileaks im Stich gelassen. Kein verpixeltes Handyvideo des finalen „Doppelklopfers“, kein mies komprimiertes JPEG-Bild vom toten Hindukusch-Hitler, nichts, nirgendwo. Himmel, mit vier Klicks kann ich im Netz Kate Middleton „topless“ und Britney Spears „anal hardcore“ sehen - alles hochauthentisch versteht sich. Aber das letzte Foto des bin Laden: nicht auffindbar, Fehler 404! Das ist wirklich Social-Media-Web-Kommunikation von vorgestern, Herr bin Laden. Mangelhaft! Sie sind, Verzeihung, waren und bleiben einfach voll: 2001. 

 

ungenügend

 Jan Böhmermann vergibt sein „Ungenügend“ an 9LIVE
Liebe 9LIVE-Moderatorinnen und Moderatoren, geschätzter Hot Button. Jetzt, da bei Eurem Arbeitgeber 9LIVE die Lampen ausgehen, und Euch womöglich die wohlverdiente Arbeitslosigkeit erwartet, wünsche ich Euch sowohl für Eure private als auch berufliche Zukunft nur das Allerschlechteste. So tief wie Ihr nach fast zehn Jahren Prekariatsabzocke bei 9LIVE mit Eurem Karma im Dispo steht, da müsst Ihr schon sehr viele Kätzchen aus Bäumen retten und Heerscharen alter Damen über die Straße helfen, damit Euch, ich werde bewusst religionsübergreifend, nicht recht bald das ewige Höllenfeuer verschlingt. Ihr glaubt mir nicht? Ruft doch mal bei Astro TV an, die werden Euch das sicher bestätigen.

Note 6. Und jetzt setzen! Aber bitte nicht mehr hier. Macht doch Internetfernsehen, das soll sich ja richtig lohnen. Übrigens, witzige Geschichte, wisst Ihr, warum Ihr Ende Mai Euren Arbeitsplatz verliert? Warum keine Sau mehr bei 9LIVE anruft? Soll ich sagen? Gerne: Weil Ihr selbst aus doofen Zuschauern schlauere Zuschauer gemacht habt. Irgendwie ironisch, oder?