Nein, ich habe den ARD-Film „Terror - Ihr Urteil“ nicht geschaut. Aber ich habe in die Talkshow im Anschluss reingeschaltet, weil mich die Idee fasziniert hat. Die Idee, dass hier ein moralisches Dilemma per Film vorgeführt wurde, sich das Publikum eine Meinung bilden konnte und diese Meinung danach von verschiedenen Seiten beleuchtet wurde. Klar, im Endeffekt war es dann nur eine Plasberg-Wir-wollen-Kontroversen-Talkshow von vielen mit den üblichen Mängeln. Ich will hier jetzt nicht ins Detail gehen, Anfang der Woche haben sich ja sehr viele Journalisten mit Film plus Talk beschäftigt. Aber allein, dass da die Theologin Petra Bahr saß, die spannende Fragen gestellt hat, hat mich aufhorchen lassen - und mich zum Nachdenken gebracht. Nein, nicht über den Fall an sich, sondern darüber, für welche Serie ich mir ein derartiges Plus wünschen würde. 

Und ich kam zu dem Schluss: Nicht unbedingt für eine ganze Serie, sondern vielleicht für einzelne, ausgewählte Folgen hätte ich eine anschließende Diskussion gerne. Und wieder nein, ich meine nicht so etwas wie den obligatorischen Anschluss-Talk zu „The Walking Dead“, den AMC zu jeder neuen Folge macht, in dem es vor allem um die Ereignisse an sich geht. Sondern einen informativen Talk zum Thema einer Episode - die Betonung liegt hier auf „informativ“ statt kontrovers. Also: die Talk-Gäste sollen nicht danach eingeladen werden, wie sehr ihre Meinungen voneinander abweichen, das heißt wie hoch der potenzielle Streit-Faktor ist, sondern damit sie mir, der Zuschauerin, weitere Informationen oder Stoff zum Nachdenken geben zu einem Thema, das gesellschaftlich relevant ist. Sehr gerne hätte ich das zum Beispiel direkt nach der Folge „Twenty-Two“ der dritten Staffel der Comedy „You’re the Worst“ gesehen, die ich im Laufe der Woche geguckt habe. Die Episode war aus mehreren Gründen außergewöhnlich. Die drei wichtigsten ganz kurz:
- die Nebenfigur Edgar (Desmin Borges) wurde unvermittelt zur Hauptfigur,
- die Tonalität und die Erzählweise brach mit dem, was bisher in der Serie zu sehen war (und kehrte in der darauffolgenden Episode zur bisherigen zurück)
- das Thema war PTSD von Kriegsveteranen, also die psychischen Folgen eines Kriegseinsatzes, unter der die Figur leidet. (Übrigens schon das zweite Mal, dass sich diese wirklich gute Comedy einer psychischen Krankheit annimmt, in der zweiten Staffel ging es um Depressionen.) 
Wer mehr über „Twenty-Two“ lesen will, wird zum Beispiel hier oder hier oder hier fündig. 

Ich war so beeindruckt von dieser besonderen Folge, dass mein Wissensdurst geweckt war: 
- Ich hätte gerne von Showrunner Stephen Falk gewusst, warum er sich das Thema für eine Comedy gewählt hat, warum er in der Tonalität so stark vom Rest der Serie abgewichen ist, ob wir mehr von Edgars Geschichte sehen werden (ok, das hätte er vermutlich nicht definitiv beantwortet), ob und von wem er sich beraten ließ.
- Ich hätte gerne von einem Betroffenen gehört, was er beim Sehen der Folgen gefühlt hat (ging ihm das vielleicht zu nahe?) und welche Probleme er hat.
- Ich hätte sehr gerne von einem Arzt gewusst, der sich mit dem Thema PTSD beschäftigt, warum die Geschädigten oft vergessen beziehungsweise nicht ausreichend behandelt werden.
- Und ich hätte gerne eine Diskussion darüber gesehen, ob das überhaupt etwas ist, was verhindert werden kann oder ob das der Preis ist, den manche Menschen zahlen müssen, weil andere Menschen der Meinung sind, dass man Krieg führen müsse. 

Und hätte es einen Talk zu all diesen Punkten gegeben, ich hätte ihn sofort im Anschluss geschaut und höchst interessiert zugehört. 

Ein bisschen Googelei nach dem Schauen der Folge hat mir zwar Texte zu dem Thema gebracht, US-Journalisten, die sich nach der Ausstrahlung rudimentär mit dem Thema beschäftigt haben - schließlich lief die Episode in den USA bereits Ende September. Doch das ist nicht das Plus, das ich mir gewünscht hätte. Ein Fernseh-Talk direkt im Anschluss hätte mehr Einfluss, mehr Durchschlagskraft - und wie man an den Quoten der Plasberg-Sendung sieht, ist das Zuschauer-Interesse durchaus vorhanden. Offenbar genau wie ich möchten die Leute mehr erfahren über das, was sie gerade gefesselt hat. Und nebenbei kann das Fernsehen beweisen, dass gesellschaftliche Relevanz und Unterhaltung einhergehen können und sich mitnichten gegenseitig ausschließen.

Einen ähnlichen Info/Realitycheck-Talk würde ich mir übrigens auch mal für die Serie wünschen, von der ich in meiner Kolumne in der vergangenen Woche so geschwärmt habe: Im Fall von „The Americans“ allerdings auf die Geschichte in ihrer Gesamtheit bezogen. Also, was weiß man über sowjetische Spione in den USA der 80er-Jahre? Wie sind sie vorgegangen? Hat sich Showrunner Joe Weisberg mit seiner Geschichte an Fakten orientiert oder steckt in der Darstellung der täglichen Arbeit, der Art der Kommunikation, der Wandelbarkeit der Spione viel Dazugedichtetes? Gibt es vielleicht einen Ex-Spion, der aus seinem Leben berichtet? (Unrealistisch, ich weiß, trotzdem …) 

Apropos Serien plus x. Während ich hier am Freitagnachmittag über Serie plus Talk sinniere, lässt Amazon mitteilen, dass sie es mal mit Serie plus Buch versuchen wollen. Zur Schweighöfer-Serie „You Are Wanted“, die erste deutsche Produktion für Amazon Video, soll ein Buch geschrieben werden (die Meldung dazu gibt's hier). Eine Serie zum Buch, das ist ja ein altbekanntes Konzept - genauso wie ein Buch, das zu einer erfolgreichen Serie geschrieben wird. Aber ein Buch, das direkt zum Start einer Serie erscheinen soll, dazu noch vollmundig in der Pressemitteilung angekündigt, dass man dafür einen „Bestseller-Autor“ gewinnen konnte, das ist für mich neu. Oder irre ich mich und das ist ein ebenso bewährtes Konzept, nur bisher an mir vorbeigegangen? 

Und zum Schluss noch drei Gucktipps und ein Hörtipp: 

Nur Knaller an diesem Wochenende:

Knaller No. 1: Die dritte Staffel „Black Mirror“ wurde am Freitag bei Netflix veröffentlicht. Sechs neue technische Albträume. Was zum Gruseln und zum Nachdenken.
Wer mehr über die Staffel 3 erfahren möchte: Hier geht's zur DWDL.de-Kritik von Peer Schader.
Wer mehr über die Serie erfahren möchte: Im Mai war „Black Mirror“ Thema im DWDL.de-Podcast „Seriendialoge“. Gesprächspartner: Serienfan Marco Maas. „Seriendialoge (12): ‚Black Mirror‘ - Technikalbträume in Serie“ 

Knaller No. 2: „The Young Pope“ von Kinoregisseur und Oscarpreisträger Paolo Sorrentino mit einem grandiosen Jude Law, der einen jungen, Frank-Underwood-ähnlichen Papst in einem intriganten System spielt, ist am Freitagabend bei Sky Atlantic HD gestartet. Läuft ab jetzt freitags in Doppelfolgen und in einer Marathonprogrammierung am 1. und 2. Weihnachtstag. Außerdem bei Sky Go und so verfügbar.

Knaller No. 3: Die siebte Staffel „The Walking Dead“ startet am Sonntagabend in den USA. Den Staffelauftakt gibt’s in Deutschland um 4 Uhr am Montag und am Montagabend bei Fox zu sehen. Alle anderen Folgen dann immer am Montagabend nach der US-Ausstrahlung.

Knaller No. 4 - und gleichzeitig Eigenwerbung 😇 : „Gilmore Girls“ ist diese Woche Thema im DWDL.de-Podcast „Seriendialoge“. Ich habe mit Journalistin Eva Schulz über die Serie gesprochen, und wir sind beide ein bisschen ins Schwärmen verfallen.

Empfohlener externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Soundcloud, der den Artikel ergänzt. Sie können sich den Inhalt anzeigen lassen. Dabei können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?

„You're the Worst“: Staffel 3 ist in Deutschland nur per iTunes US verfügbar. Staffel 1 gibt's zum Beispiel bei Amazon Video, Maxdome und iTunes - und auf DVD.

„The Americans“: Ist derzeit auf keinem deutschen Sender zu sehen, lief bei ProSieben Maxx und Sat.1 Emotions. Die bisherigen vier Staffeln sind bei folgenden Streaminganbietern verfügbar: Amazon Video, iTunes, Maxdome, Videoload. Auf Netflix gibt's bisher nur die ersten beiden Staffeln. Auf DVD gibt's die Staffel 1 auf Deutsch, die Staffeln 2 und 3 als UK- oder US-Import.

Wer mir auf Twitter folgen möchte, kann das hier tun: @FrauClodette.