2004 hat mich Lorelai Gilmore verzaubert: ihr Lächeln, ihre Klugheit, ihre verrückten Ideen, ihr Stil, ihre Ernsthaftigkeit - und natürlich ihre Art, unglaublich schnell zu reden. Ganz zufällig hatte ich die allererste Folge der "Gilmore Girls" im Nachmittagsprogramm von Vox eingeschaltet und war hin und weg. Von da an hatten wir, Lorelai und ich, eine feste Verabredung.
(Wenn Sie sich jetzt fragen, ob Sie das Gif nicht schon mal in einem meiner Texte gesehen haben: Ja, haben Sie. Im August. Aber es passt einfach schon wieder perfekt.)
Praktischerweise habe ich zu der Zeit als freie Journalistin gearbeitet, so dass ich es mir gut einrichten konnte, regelmäßig nachmittags in Stars Hollow bei Lorelai und ihrer Tochter Rory Gilmore vorbeizuschauen. Die Folgen, die ich dann doch verpasst habe, musste ich in einem Episode-Guide nachlesen. Auch als Vox ab Staffel 5 auf einen wöchentlichen Rhythmus umstellte, blieb ich dabei. Als sich die siebte Staffel und damit die Serie dem Ende zuneigte, habe ich mich innerlich dagegen gewehrt, dass die Geschichte von Mutter und Tochter endet. Weshalb ich die allerletzte Folge jahrelang ignorierte. Jahre später - die DVD-Sammelbox stand schon lange in meinem Regal - habe ich das Finale geschaut. Und war natürlich enttäuscht. Kein Wunder.
Diese lange Vorgeschichte ist nötig, damit Sie Folgendes besser verstehen können: Tief in meinem Inneren möchte ich nicht, dass "Gilmore Girls" eine Fortsetzung erhält. Wie Anfang der Woche bekannt wurde, plant Netflix, die Serie gemeinsam mit Serienerfinderin Amy Sherman-Palladino und den Hauptdarstellern fortzusetzen, vier 90-minütige Folgen sollen entstehen. Natürlich wäre ein Reboot viel schlimmer (das wäre sogar eine echte Katastrophe!). Aber ich möchte keine weiteren Geschichten aus Stars Hollow sehen - obwohl ich die Serie immer noch sehr gerne schaue, gerade habe ich wieder mit der ersten Staffel angefangen. Doch das von Netflix geplante Revival wird für mich unweigerlich anders sein. Denn ich habe mich verändert - und auch das Erzählen im Fernsehen hat sich verändert. Ich war zehn Jahre jünger, gerade mit meinem damaligen Freund zusammengezogen und dabei, meinen Weg im Job zu finden. Mittlerweile bin ich selbst Mutter (und habe nicht ein einziges Mal darüber nachgedacht, meine Tochter "Rory" zu nennen!), bin mit einem anderen Mann verheiratet und habe meinen Weg im Job längst gefunden. Wenn ich die Serie noch nicht kennen und jetzt anfangen würde, könnte ich vermutlich nichts mit ihr anfangen: "Gilmore Girls" passt nicht mehr in mein Leben.
Ja, klar, es wird eine Fortsetzung, es wird also unweigerlich eine andere Geschichte werden, als die, die wir alle bereits kennen. Aber welche Geschichte soll es dann werden? So blöd das Ende in den Details auch war und so sehr ich mir damals auch gewünscht hätte, die geschasste Serienerfinderin Amy Sherman-Palladino hätte ihr geplantes Ende wirklich schreiben dürfen: Die eigentliche Geschichte zwischen Tochter und Mutter wurde beendet. Das enge Band zwischen Tochter und Mutter, das die Serie ausgemacht hat, wurde gelöst, indem Rory für ihren Traum, Journalistin zu werden, weggegangen ist. Das war konsequent und gut. Wie sich die Geschichte ohne dieses enge Band zwischen den beiden anfühlt, mussten wir "Gilmore Girls"-Gucker bereits mehrere Folgen lang miterleben - in Staffel sechs, als sich Rory und Lorelai so stark zerstritten haben, dass sie mehrere Monate lang nicht miteinander reden. Das war eine wirklich zähe Phase, den Folgen fehlte das Entscheidende. So etwas will ich nicht noch einmal sehen müssen. Wie soll es also werden, wenn in der Fortsetzung dieses enge Band per se weg ist? Und eine Rory, die nach zehn Jahren ihren Journalistinnen-Traum aufgibt und wieder nach Stars Hollow zieht, ist keine echte Rory. Eine solche Charakterentwicklung würde zwar das Band wieder knüpfen. Aber es wäre keine glaubhafte Entwicklung der Figur.
Ganz abgesehen von der Charakterentwicklung und der DNA der Serie: Was, wenn die Macher für die Fortsetzung die Art des Erzählens ändern? Kamera, Kulisse, Schnitte - all das dem anpassen, wie derzeit Serien, vor allem Miniserien, zu denen die Fortsetzung ja dann zählen würde, erzählt werden? Dann sind es auch nicht mehr die "Gilmore Girls", wie ich sie liebe. Und wenn, ganz im Gegenteil, die neuen Folgen genauso erzählt werden würden wie die alten Staffeln? Dann würde die Fortsetzung wie altbackenes, aus der Zeit gefallenes TV wirken. So oder so - ich will das nicht.
Wie Sie sehen: Ich wehre mich mit Händen, Füßen und Argumenten gegen die Vorstellung, dass es bald neue "Gilmore Girls"-Folgen geben wird. Natürlich ändern meine Bedenken nichts. Und natürlich werde ich die Fortsetzung anschauen. Und natürlich freue ich mich irgendwie doch ein bisschen darauf, Lorelai und Rory wiederzutreffen.
Offenlegung: Diesen Text habe ich geschrieben, während ich die erste bis vierte Folge der ersten "Gilmore Girls"-Staffel noch einmal geschaut habe. Außerdem war ich zwischen Absatz drei und vier kurz abgelenkt, weil ich dringend das Superfan-Quiz von Vulture.com durchspielen musste. Nur 34 von 50 richtig. Schande. Wie konnte das passieren?
Jetzt zum wirklich Wichtigen: Wo kann man das gucken, über das ich schreibe?
"Gilmore Girls": Läuft sonntags und donnerstags auf dem Disney Channel. Alle Staffeln gibt es unter anderem bei folgenden Anbietern: Amazon Instant Video, iTunes, Wuaki. Und in meinem DVD-Regal.
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