Vorurteil der Woche: Das zwischen Cindy aus Marzahn und Sat.1 ist keine Liebesheirat.
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"Cindy aus Marzahn und die wilden Alten" heißt die Rubrik, die sich Cindy aus Marzahn für ihre neue Show ausgedacht hat, und bevor Johann König als Gast mit ein paar Pinkelkotzealkohol-Gags das Publikum zum Toben bringt, läuft wieder die alte Titelmusik, genau wie vor zwei Jahren, als die Frau im rosa Jogginganzug für ein paar Monate als unbesiegbare deutsche Humorhoffnung galt – bis sie den Vertrag mit Sat.1 unterschrieb. Ihre RTL-Sendung "Cindy aus Marzahn und die jungen Wilden", auf die nun angespielt wird, ließ sie sausen und sich vom Sat.1-Chef die zweifelhafte Bemerkung hinterherrufen, endlich sei "Deutschlands Kult-Comedy-Prinzessin dort angekommen, wo sie hingehört". (In der Verbannung?)
Im Nachhinein war das aus Frühverrentungssicht bestimmt die richtige Entscheidung. Für den langfristigen Erfolg, nun ja, vielleicht eher nicht.
Nur singen Wir sind Helden diesmal den Originaltext "Guten Tag guten Tag ich will mein Leben zurück / Ich tausch nicht mehr ich will mein Leben zurück / Guten Tag ich gebe zu ich war am Anfang entzückt / aber euer Leben zwickt und drückt nur dann nicht / wenn man sich bückt", und es hört sich an wie – Reue.
Ihr neuer Arbeitgeber hat Cindy aus Marzahn bisher nämlich wenig Glück gebracht. Da war die vermurkste Fernsehpreis-Moderation, das schlimme "Big Brother" und die erstaunlich lustlos zusammengeschusterte Überraschungsshow "Bezaubernde Cindy", die im vergangen Jahr wenig erfolgreich war. Immerhin scheint Sat.1 so gut zu zahlen, dass es bis zum TV-Comeback mit der nächsten eigenen Show fast ein ganzes Jahr dauern durfte. Und diesmal geht die Berlinerin auf Nummer sicher: "Schwarz Rot Pink" heißt ihre erste ernst gemeinte Sat.1-Comedy (in voller Länge bei sat1.de ansehen), und sie knüpft in jeder Hinsicht dort an, wo bei RTL Schluss war: auf einer Stand-up-Bühne vor Live-Publikum, das sich zu diesem Anlass feierlich geschmückt und gefedert hat und zwischen den Gags einen Haufen Einspieler gezeigt kriegt:
Cindy singt bei "The Voice of Germany" ganz schief "Killing Me Softly" und die Coaches machen ein paar gequälte Witze dazu, während Cindy mit Samu in die Kiste will; in New York trifft sich Cindy mit einer Internetbekanntschaft, mit der sie in die Kiste will, bis sich das attraktive Model als runzeliger Asiate mit Fake-Profil entpuppt und zu hören kriegt: "Du bist'n Betrüger! You are Uli Hoeneß!"; mit Marktschreier "Wurst-Achim" auf dem Wuppertaler Marktplatz will Cindy nicht in die Kiste, aber wenn der Mann schon so heißt, liegen die schlüpfrigen Witze einfach zu nah, um sie nicht zu machen.
Auf der Showbühne glänzen im Hintergrund Attrappen von Freiheitsstatue, Brandenburger Tor und Fernsehturm in pink, über den Filmchen ist ein Teppich aus Konservenlachern ausgebreitet, und Gags über Buletten kann man immer zweimal machen. Mindestens.
Es ist – vor allem gegen den ersten Sat.1-Versuch – nicht die schlechteste Show, zumal sich die Hauptprotagonistin diesmal wirklich arg ins Zeug gelegt hat, bloß keinen langeweilebedingten Umschaltimpuls bei ihren Fans zu riskieren und von einem mittelgaren Gag zum nächsten stürmt. Doch das kann nicht so recht darüber hinwegtäuschen, dass das Humorreservoir der Kunstfigur offensichtlich bereits vor dem Wechsel zu Sat.1 weitgehend ausgeschöpft war. Ilka Bessin hat ihrer Cindy aus Marzahn nichts mehr hinzuzufügen, Weiterentwicklungen sind nicht vorgesehen, so lange Redundanzen vom Publikum noch beklatscht werden – und das ist schon deshalb schade, weil es ja nicht völlig unmöglich wäre, ihre Rolle noch mal ein Stück weit neu zu erfinden.
So war das damals vermutlich in der Überraschungsshow geplant, die insofern gut gepasst hätte, als dass die voluminöse Dame im engen rosa Arbeitsgewand ja durchaus empathiebegabt ist und – besser als so mancher männliche Kollege – abzuschätzen weiß, wie toll das funktionieren kann, zwischen großem Frotzeln und ehrlicher Herzlichkeit gegenüber überraschten Kandidaten zu wechseln, sehr frei nach Rudi Carrell interpretiert: Die Leute wollen nicht nur lachen, sondern auch gerührt sein.
Davon ist in "Schwarz Rot Pink" bislang nichts zu sehen. Stattdessen simuliert Cindy im pinken Rotkreuz-Glitzerkostüm als Pseudo-Krankenschwester Schein-Sex mit bettlägrigen Stoffpatienten, erklärt auf "CindyTube", wie man sich das Gesicht mit Klebeband straffpappt und rührt mit der ProSiebenSat.1-eigenen Produktionsfirma Red Seven in alten Showrezepten herum. Die größte Überraschung ist die in der Werbepause, dass die Merchandising-Industrie eine "Cindy-Puppe" (handgefertigt) hervorgebracht hat.
Wenn sie nachher wieder im Original auf der Bühne steht, sieht es so aus als hätte es den Wechsel zu dem Sender, der wirklich jeden Überflieger zurück auf den Boden der Tatsachen geholt kriegt, nie gegeben. "Schönet Leben noch, ich kündige!", sagt Cindy zum Abschluss ihrer (filmischen) Krankenhaus-Einbildung und stürmt aus dem Zimmer.
Kommt vielleicht ein bisschen spät, die Einsicht.
Das Vorurteil: stimmt.