Vorurteil der Woche: Dank Snap ist Sky bestens für den Deutschlandstart von Netflix gerüstet.
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"Tatsächlich bin ich mir nicht sicher, ob Deutschland überhaupt reif ist für das Geschäftsmodell der Online-Videotheken", hat Sky-Deutschland-Chef Sullivan dem "Spiegel" im vergangenen März anvertraut, also nur wenige Wochen, nachdem Sky erstmals eine eigene Online-Videothek gestartet hat. Oder wie's am Firmensitz in Unterföhring heißt: "ein unschlagbar günstiges Angebot veredelt von der langjährigen Expertise der Sky-Programmredaktion". Weil die Domain dafür vermutlich schon weg war, ist der Dienst einfach auf den kurzen Namen "Snap" getauft worden, also: Schnapp.
Kampflos will Murdochs Pay-TV-Imperium dem Neuankömmling Netflix, der schon im September in Deutschland starten könnte, jedenfalls nicht das Feld überlassen.
Vor anderthalb Wochen überraschte Sky mit einer drastischen Preissenkung von knapp 10 Euro monatlich auf 3,99 Euro (DWDL.de berichtete) – obwohl Sullivan im "Spiegel" genau solche Kampfpreise als Tücken des Geschäftsmodells genannt hatte. Und die gute Nachricht lautet: Sein Geld ist Snap durchaus wert. Jedenfalls für Nutzer, die in Ruhe ein paar zehn Jahre alte HBO-Serien nachholen wollen. (Endlich bin ich mal dazu gekommen, in "Entourage" reinzuschauen! Schön!)
Als Netflix-Abwehrmaßnahme ist der purpurne Preisknüller deshalb aber noch lange nicht geeignet. "Exklusive Serien wie 'Game of Thrones' und 'Boardwalk Empire'", versprach Snap neuen Kunden noch Mitte August. Wer sich registriert hat, kann jetzt zwar die erste Staffel "Game of Thrones" sehen, "Boardwalk Empire" ist aber schon wieder von der Plattform verschwunden. Der Sky-Kundenservice kann da leider auch nichts machen: "Ich hab hier nichts in meiner Datenbank stehen." Da helfen wir gern: Am 4. September kehrt die Serie zu Snap zurück. Hat ja jeder mal Urlaub verdient.
In einer eigenen Rubrik wird ansonsten eigens auf "Letzte Chance Serien" hingewiesen, was wohl bedeutet, dass man sich beeilen sollte, die dort verzeichneten Staffeln anzuschauen, bevor sie wieder im Nirwana verschwinden, wie es im On-Demand-Markt nun mal üblich ist (auch bei Netflix). Das Problem ist nur: Es steht – anders als beim ausgefeilteren Pay-TV-Pendant Sky Go – nicht dabei, wie sehr ich mich beeilen muss. Um noch in den Genuss von 142 Folgen "Bones" zu kommen, muss unter Umständen dieses Wochenende ausreichen. Der Sky-Kundenservice kann leider wieder nicht helfen. Sie wissen schon: die Datenbank.
Praktischerweise hält sich das Angebot sonst sehr in Grenzen, es sind viele Klassiker dabei, die vor allem Serienfans aber schon rauf- und runtergesehen haben dürften. Oder wie Sullivan dem "Spiegel" gesagt hat: "Wir setzen nicht auf Masse, sondern Qualität."
Damit die Qualität dann aber doch ein bisschen mehr nach Masse aussieht, listet Snap zum Beispiel in der Rubrik "Meistgesehen" Serien in Einzelepisoden auf. Meistgesehen sind gerade also: Episode 1 aus Staffel 1 von "Game of Thrones", Episode 2 aus Staffel 1 von "Game of Thrones", Episode 3 aus Staffel 1 von "Game of Thrones" usw.
Wer sich eine Staffel vormerkt, kriegt seine Merkliste ebenfalls mit Einzelepisoden vollgeballert, die dann auch einzeln wieder gelöscht werden müssen. Wer sich für "Snap Extra" entschieden hat und für einen Aufschlag von monatlich 3 Euro Inhalte auf sein iPhone oder iPad laden will, kann das hingegen nur mit kompletten Staffeln. Selbst wenn die ersten Folgen schon zuhause angeschaut wurden. Wer ein Mobiltelefon oder Tablet nutzt, das mit Android arbeitet, kriegt im App-Store eventuell den Hinweis zu sehen: "Ihr Gerät ist nicht mit dieser Version kompatibel." Das liegt daran, dass Snap laut Sky nur für "ausgewählte" Samsung-Geräte verfügbar ist. "Weitere Plattformen werden folgen", verspricht Sky. Seit Monaten.
Offensichtklich hat Europas größter Pay-TV-Konzern in Deutschland eine Online-Videothek gestartet, die sämtliche gängigen Nachteile vereint, mit denen sich der Deutschland-Chef schon vor Monaten in der Presse ausgeweint hat, und die trotz ihres Kampfpreises nicht so recht konsequent für den Massenmarkt gemacht ist.
Noch ist freilich gar nicht klar, ob Netflix hierzuland überhaupt Erfolg hat. Oder ob die hohen Erwartungen die bereits lange vor der Deutschlandstart-Ankündigung existiert haben, auch nur annähernd erfüllt werden können. Mag sein, dass der Programmkatalog erstmal enttäuschend ist im Vergleich zu dem, was Netflix in den USA zu bieten hat, zumal hier bereits Konkurrenten wie Watchever, Maxdome und seit kurzem Amazons Prime Instant Video aktiv sind und ihr Angebot kontinuierlich ausbauen. Aber wenn Sky trotzdem glaubt, vorsorglich etwas dagegen unternehmen zu müssen, dann ist es ein großes Rätsel, warum das so halbherzig passiert.
"Morgen früh wachen nicht 80 Millionen Deutsche auf und rufen: Hurra, wir wollen jetzt Geld für Fernsehen ausgeben", prognostizierte Sky-Deutschland-Chef Sullivan im "Spiegel".
Wenn das, was sie dafür kriegen, so aussieht wie Snap, hat er vermutlich Recht.
Das Vorurteil: stimmt nicht.
Nachtrag: Sky weist darauf hin, dass Einzelepisoden heruntergeladen werden können, in dem man sie separat annavigiert (also nicht über die Staffelübersicht).