Ich finde es ja völlig legitim, dass jeder seine persönliche Einstellung hat, nur komme ich jetzt mal von einer ganz anderen Seite und frage: Was ist Casting? Doch eigentlich nichts anderes als eine Bewerbung. Haben die "FAZ" oder" SZ" jemals über das Bewerbungsgehabe von Siemens, Bosch, Mercedes, VW oder Audi geschrieben? Glauben Sie, dass da irgendwas anders ist als bei uns? Im Gegenteil, es geht härter zu und brutaler. Nur dass das eben nicht in der Öffentlichkeit stattfindet. Casting ist eine öffentliche Bewerbung.
Was stört Sie denn am meisten bei der Berichterstattung über Castingshows wie "Popstars"?
Medien die im Zusammenhang mit Castingshows immer von Migrationsfernsehen sprechen. Das finde ich ganz furchtbar. Es geht um junge Menschen, die singen und tanzen. Die sich auch ausdrücken wollen. Sie kommen ja nicht nur, um sich zum Affen zu machen. Sie sind meistens viel cleverer, als wir glauben und wissen sehr wohl, was sie tun. Auch wenn es manchmal dann anders aussieht. Aber es sind viele dabei, die sagen: Ich wollte endlich mal von jemandem eine vernünftige Meinung haben - auch wenn sie negativ ist. Dass sie dann nur verkürzt im Fernsehen dargestellt werden, liegt nun mal auch am Sendeformat.
Aber dafür, dass die Formate so populär oder, wie sie es sagten, populistisch sind, werden danach recht wenige auch wirklich zu Stars...
Wenn Du nicht gerade, nachdem Du den Wettbewerb mit einer Ballade gewonnen hast, plötzlich sagst "Ich möchte jetzt Heavy Metal machen", dann sind die Fans auch noch eine ganze Weile treu und begleiten dich. Viele Castingshow-Gewinner haben aber leider nach dem Sieg die betrogen, die sie zu Stars gemacht haben: Die Zuschauer. Und die honorieren es nicht, wenn der Liebling, dem sie ihre Stimme gegeben haben, plötzlich etwas ganz anderes macht. Gerade am Anfang der Karriere geht es für Castingshow-Gewinner darum, die Nachfrage zu bedienen. Nicht sich selbst zu verwirklichen.
Oder gönnen wir es den Gewinnern einfach nicht? Ist das auch eine Mentalitätsfrage?
Ein Stück weit ja. In Amerika kaufst Du ein neues Auto und sie sagen: "He made it." In Deutschland kaufst Du ein neues Auto und sie sagen: "Der gibt schon wieder an." Ich denke dass wir diese Faktoren tatsächlich nicht außer Acht lassen dürfen. Und gerade bei solchen publikumswirksamen Sachen ist der Neidfaktor, glaube ich, doch schon ein bißchen größer als in Amerika und England. Und die Amerikaner haben eben dieses Show-Gen. Waren Sie mal in Disneyworld? Da sind doch die Tour-Guides manchmal besser als viele Moderatoren im deutschen Fernsehen. Das heißt, dort gibt es ein ganz anderes Selbstverständnis im Showgeschäft. Die Anforderungen sind anders.
Und die Anforderungen lernen die Kandidatinnen bei "Popstars"?
Was die Mädchen innerhalb dieser kurzen Zeit lernen, das hätten sie wahrscheinlich in drei, vier Jahren nirgendwo anders gelernt. Sie sind - und da muss ich den Hut ziehen vor den Mädels - eingespannt in einen Tagesablauf, der wirklich knallhart ist. Sie werden ja immer mal wieder belächelt wenn sie heulen und so weiter, aber ich kann es schon verstehen. Morgens um sechs müssen sie raus, abends um zwölf kommen sie ins Bett. Sie werden schon sehr stark gefordert und was kann dir denn Besseres passieren, als in einen Sechs-Monats-Kurs eine Lehrzeit von drei Jahren zu packen? Sie lernen auch tatsächlich was fürs Leben - wenn sie es durchstehen.
Zum Abschluss interessiert mich noch Ihr Urteil zur "X Factor"- Siegerin Edita: Wäre das jemand, wo Sie sagen: Mensch, die kann es sein. Verfolgen Sie parallel laufende Casting-Shows?
Ich habe es mir teilweise angeschaut, war sehr viel unterwegs und konnte dadurch nicht alles verfolgen. Ich bin eigentlich froh, dass Edita gewonnen hat. Wir suchen schließlich auch vier Mädchen - da hätte uns doch nichts Schlimmeres passieren können, als dass dort mit Big Soul auch vier Mädchen gewonnen hätten (lacht) Aus Marketing-Aspekten ist es sicherlich gut, dass sie als Einzelne gewonnen hat. Ich schließe mich dem Urteil von George Glueck aus der vorletzten Sendung an: Sie ist besser beim Musical aufgehoben.
Herr Stein, herzlichen Dank für das Gespräch